Schwangerschaft bei Diabetikerinnen

Noch vor circa 50 Jahren wurde Typ-1 oder Typ-2-Diabetikerinnen dringend von einer Schwangerschaft abgeraten, da sie mit großer Wahrscheinlichkeit zum Tod von Mutter und Kind führte. Die immer weiter verbesserten und flexibleren Insulintherapien haben es ermöglicht, dass bei optimaler Vorbereitung der Schwangerschaft und guter Blutzuckereinstellung, die Überlebensrate der Säuglinge beinahe so hoch ist wie beim Bevölkerungsdurchschnitt. Am besten sollte eine bestmögliche Einstellung des Blutzuckerspiegels schon vor dem Schwangerschaftsbeginn erfolgen. Auch sollten die Schwangere und ihr Partner sich über die erhöhten Schwangerschaftsrisiken bei bestehendem Diabetes mellitus der Mutter bewusst sein.

Spezielle Risiken für schwangere Diabetikerinnen

Schlecht eingestellter Blutzuckerspiegel

Das Hauptaugenmerk vor und in der Schwangerschaft liegt in der optimalen Einstellung des Blutzuckerspiegels. Wie bereits erwähnt ist durch erhöhte Blutzuckerkonzentration eine Schädigung der feinen Kapillaren der Plazenta möglich, was schwerwiegende Folgen für das Kind haben kann. Schädigungen oder verzögerte Entwicklungen der inneren Organe, Fehlgeburten, Totgeburten usw treten in erhöhtem Maße auf. Besondere Probleme bei der Geburt bringt auch das stark erhöhte Geburtsgewicht des Kindes (über 4000 Gramm) mit sich, das auf eine Zuckermast zurückzuführen ist. Ein Kaiserschnitt ist oft unumgänglich.

Auch andere diabetesbezogene Krankheiten, wie Scheidenentzündungen und Infektionen der ableitenden Harnwege (zuckerhaltiger Urin!), können die Entwicklung des Kindes negativ beeinflussen. Ebenso begünstigen überhöhte Blutzuckerwerte gegen Ende der Schwangerschaft eine Gestose. Stark erhöhter Blutdruck, vermehrte Eiweißausscheidungen und Ödeme (Wasseransammlungen) in den Beinen sind charakteristisch für diese gefährliche Schwangerschaftskomplikation.

Folgeerkrankungen

Sehr kritisch ist eine geplante Schwangerschaft zu sehen, wenn die Diabetikerin bereits verstärkt an diabetischen Folgeerkrankungen leidet. In diesem Fall sollte sehr ausführlich mit einem Arzt über die Schwangerschaftsplanung gesprochen werden, denn viele dieser Leiden werden durch eine Schwangerschaft schlimmer. Zu denken ist hier im Besonderen, an Nierenerkrankungen, hohen Blutdruck und die diabetische Retinopathie (Netzhauterkrankung des Auges). Um ein katastrophales Eskalieren dieser gesundheitlichen Probleme zu verhindern, kann durchaus von einer Schwangerschaft abgeraten werden.

Ist die Diabetikerin in einem solchen Fall bereits schwanger, so sollte der Fötus in einem Spezialzentrum für vorgeburtliche Ultraschall-Diagnostik untersucht werden. Eine beginnende diabetische Retinopathie wird nicht als Grund dafür angesehen, ein Kind nicht auszutragen. Eventuell notwendige Laserbehandlungen sollten aber vor Beginn der Schwangerschaft abgeschlossen sein.

Alter der Mutter

Besonders insulinpflichtigen Diabetikerinnen wird empfohlen, dass sie – wenn möglich – eine Schwangerschaft bereits vor dem 30. Lebensjahr planen sollten. Die Wahrscheinlichkeit, dass Probleme in der Schwangerschaft auftreten, ist damit geringer.

Vererbung

Von einer Erbkrankheit kann man bei Diabetes mellitus nicht sprechen. Die Weitergabe entsprechender Gene führt nicht zwangsläufig zum Krankheitsausbruch. Eine gewisse erbliche Veranlagung wird dem Kind aber zweifellos mitgegeben. So liegt die Erkrankungswahrscheinlichkeit für Diabetes mellitus vom Typ 1 für Kinder, bei denen beide Elternteile daran erkrankt sind bei 20 bis 30 Prozent, leidet nur die Mutter an der Erkrankung sind es zwei bis fünf Prozent, ist nur der Vater betroffen liegt die Wahrscheinlichkeit bei fünf bis sieben Prozent.

Beim Typ-2-Diabetes spielt die erbliche Disposition eine wesentlich größere Rolle. Ist ein Elternteil an Diabetes vom Typ 2 erkrankt, so haben die Kinder ein 40-prozentiges Risiko, irgendwann ebenfalls daran zu erkranken, sind beide Elternteile von der Krankheit betroffen, so liegt das Risiko schon bei 60 Prozent.

Optimale Schwangerschaftsplanung bei Diabetikerinnen

Ganz entscheidend für den günstigen Verlauf einer Schwangerschaft und die Vermeidung von Schäden beim Ungeborenen ist eine sorgfältige Planung der Schwangerschaft. Sprechen sie vor der Empfängnis mit Ihrem Frauenarzt und dem Arzt, der Ihren Diabetes behandelt.

Folgende Punkte sollten bereits vor der Schwangerschaft abgeklärt werden:

  • Bereits vor der Schwangerschaft sollte der Blutzuckerspiegel möglichst normnah eingestellt sein. Eventuell wird die Insulintherapie auf eine intensivierte Therapieform mit einer Insulinpumpe umgestellt.
  • Manche Insulinarten und orale Antidiabetika sind in der Schwangerschaft nicht zugelassen. Eine Therapieumstellung auf Humaninsuline muss daher frühzeitig erfolgen.
  • Rechtzeitig sollte auch die Spiegelung des Augenhintergrundes vorgenommen werden. Eine notwendige Lasertherapie sollte abgeschlossen sein.
  • Eine Überprüfung der Nierenfunktion muss vorab erfolgen.
  • Der Blutdruck sollte Werte von 140/90 mmHg nicht überschreiten; Werden blutdrucksenkende Medikamente eingenommen, so müssen diese eventuell durch Präparate ersetzt werden, die dem Kind nicht schaden.
  • Wichtig zu wissen ist auch, dass erhöhter Blutzucker und Insulinmangel zu einem Ausbleiben des Eisprungs führen können.
  • Ist die Schwangerschaft bereits eingetreten, sollte sofort der HbA1c-Wert ermittelt und somit auf den Blutzuckerspiegel der letzten Wochen zurückgeschlossen werden. Für eine gute Blutzuckereinstellung muss sofort gesorgt werden. Eventuell ist es ratsam, den Fötus mit speziellen Ultraschalltechniken zu untersuchen.

Intensivierte Überwachung der Schwangerschaft

Besondere Maßnahmen werden auch bei der Betreuung der Schwangeren ergriffen. So sind die Abstände zwischen den Schwangerschaftsvorsorgeuntersuchungen kürzer als gewöhnlich. Die Untersuchungen finden im zweiwöchigen Rhythmus statt.

Folgende Kontrolluntersuchungen sind empfehlenswert:

  • Die Ultraschalluntersuchungen sollten sowohl vor der 16 und zwischen der 20. und 22. Schwangerschaftswoche stattfinden. Ab der 32. Woche sollten sie dann 14-tägig erfolgen.
  • Der HbA1c-Wert muss alle vier Wochen bestimmt werden.
  • Urinuntersuchungen erfolgen in zweiwöchigen Abständen. Dabei ist vor allem die Kontrolle der Eiweißausscheidungen wichtig.
  • Eine Spiegelung des Augenhintergrundes sollte alle 3 Monate angesetzt werden.
  • Wie bei anderen Schwangeren auch – nur in etwas kürzeren Abständen – muss der Blutdruck und das Körpergewicht kontrolliert werden. Dies ist wichtig, um einer Gestose („Schwangerschaftsvergiftung“) vorzubeugen. Bei Diabetikerinnen besteht ein erhöhtes Risiko, an dieser schwerwiegenden Schwangerschaftskomplikation zu erkranken.
  • Pränatale (= vorgeburtliche) diagnostische Methoden, wie die Chorionzottenbiopsie, eine Fruchtwasseruntersuchung oder eine Alphafetoproteinbestimmung werden in dem gleichen Maße angesetzt, wie bei Nicht-Diabetikerinnen (siehe dazu auch im Schwangerschaftsportal „Pränatale Diagnostik„).

Insulinspiegel während der Schwangerschaft

Während der Schwangerschaft unterliegt auch der Insulinspiegel erheblichen Schwankungen. So ändert sich der Insulinbedarf in den ersten drei Monaten kaum, er kann sogar etwas vermindert sein. Ab der 22. bis 26. Schwangerschaftswoche steigt er dann laufend an und verdoppelt sich sogar bis zur 36. Schwangerschaftswoche. Mit Einsetzen der Wehen sinkt der Insulinbedarf dann drastisch ab und bleibt bis vier Wochen nach der Geburt unter den ursprünglichen Werten. Infektionen und Stress erhöhen den Bedarf an Insulin auch in der Schwangerschaft. Dies ist jedoch nicht besorgniserregend, da das Insulin den Erfordernissen entsprechend dosiert werden kann. Nach der Schwangerschaft pendelt sich der Insulinbedarf nach circa 4 Wochen wieder ein und es kann auf die Therapieschemata zurückgegriffen werden, die vor der Schwangerschaft zum Einsatz kamen. Stillende Mütter sollten jedoch nicht auf orale Antidiabetika zurückgreifen, da sie mit der Muttermilch in den Kreislauf des Kindes gelangen und eine Hypoglykämie auslösen können.

Blutzuckerwerte senken

Die Blutzuckerwerte werden in der Schwangerschaft etwas niedriger als normal eingestellt. Die Durchschnittswerte sollten vor dem Essen zwischen 60 und 90 mg/dl liegen. Ein bis zwei Stunden nach den Mahlzeiten dürfen sie Werte von über 130 bis 140 mg/dl nicht überschreiten.

Hypoglykämie in der Schwangerschaft

Zu beobachten ist, dass es vor allem in den ersten 20 Wochen der Schwangerschaft leicht zu einem nächtlichen Unterzucker kommt. Eine nächtliche Messung um 3 Uhr nachts kann daher erforderlich sein. Entsprechende Gegenmaßnahmen müssen dann durch die werdende Mutter ergriffen werden. Schädliche Auswirkungen auf das Ungeborene durch Unterzuckerung der Mutter sind nicht bewiesen, aber die Hypoglykämie birgt für die Schwangere die gleichen Risiken, die auch vor der Schwangerschaft bestanden haben.

Schwangerschaftsbeschwerden

Übelkeit und Erbrechen, naturgegebene Schwangerschaftsbeschwerden, können sich bei einer Diabetikerin problematisch auswirken. Das häufige Übergeben kann leicht zu einer Unterzuckerung und Stoffwechselentgleisung führen. Empfehlenswert ist es daher, nach dem Erbrechen sofort ein Glas Fruchtsaft zu trinken, um den Blutzuckerspiegel wieder schnell in die Höhe zu bringen. Sollte es aufgrund der Schwangerschaftsbeschwerden nicht möglich sein, den Blutzuckerspiegel in den Griff zu bekommen, ist die stationäre Aufnahme in ein Krankenhaus empfehlenswert.

Ernährung in der Schwangerschaft

Diabetikerinnen müssen schwangerschaftsbedingt mit keiner Spezialdiät anfangen. Die Ernährung sollte wie sonst auch vollwertig und ballaststoffreich (vollwertige Mischkost) sein. Die Nahrung muss jetzt besonders viele Vitalstoffe enthalten, die Kalorienzahl sollte aber nicht erhöht werden. Der Energiegehalt wird zwischen 30 und 40 Kilokalorien pro Kilogramm Körpergewicht angesetzt, er darf aber nicht unter 1500 Kilogramm pro Tag ausmachen.

Absolut falsch ist es in der Schwangerschaft mit einer stark kalorienreduzierten Diät zu beginnen. Das Gewicht muss kontrolliert werden, aber nicht reduziert werden. Eine Gewichtszunahme im Laufe der gesamten Schwangerschaft von 10 bis 12 Kilogramm ist normal. Auf keinen Fall sollte man weniger Essen, um nicht höhere Insulinmengen spritzen zu müssen. Dabei können Ketonkörper entstehen, die schädlich für das Kind sein können. Sehr weit reichende Informationen zum Thema „Schwangerschaft und Ernährung“ können auch bei speziellen Einrichtungen für Diabetiker (Deutscher Diabetiker-Bund oder Deutsche Diabetes-Gesellschaft) abgerufen werden.

Geburt und Stillen

Diabetikerinnen werden heutzutage nur noch bei speziellen Problemstellungen bereits vor der Geburt stationär aufgenommen. Auch der Kaiserschnitt wird heutzutage nicht mehr zwangsläufig durchgeführt.

Eine vorzeitige Einleitung der Geburt wird in Erwägung gezogen, wenn sich die Verschlechterungen der Nierenfunktion oder am Augenhintergrund abzeichnen. Ein weiterer Risikofaktor, der in die Überlegungen einfließt, ist eine verminderte Durchblutung des Mutterkuchens.

Während der Geburt wird der Blutzuckerspiegel stündlich gemessen. Meist fällt der Insulinbedarf unter den Wehen drastisch ab. Um nicht in einen Unterzucker zu geraten, sollten Kohlenhydrate und Traubenzucker mitgeführt werden. Zwei bis vier Wochen nach der Entbindung schwankt der Blutzuckerspiegel noch und pendelt sich dann für gewöhnlich wieder auf alte Werte ein. Für das Baby sollte nach der Geburt sofort ein Kinderarzt zur Verfügung stehen, der es untersucht und den Blutzucker überprüft.

Auch Stillen wird heutzutage bei Diabetikerinnen nicht mehr problematisch gesehen. Auf orale Antidiabetika sollte jedoch in dieser Zeit verzichtet werden und die Insulintherapie weiter beibehalten werden. Wichtig ist zu beachten, dass die stillende Mutter meist einen erhöhten Bedarf an Kohlenhydraten hat. 50 Gramm sind dabei normal. Manche Frauen benötigen in dieser Zeit auch weniger Insulin. Empfehlenswert ist es, vor dem Stillen eine Extraportion Kohlenhydrate zu sich zu nehmen. Eventuell müssen Blutzuckermessungen vor und nach dem Stillen durchgeführt werden, um einer Hypoglykämie vorzubeugen.