Zystennieren Nierenzysten sind flüssigkeitsgefüllte, von einer glatten Haut umgebene Hohlräume im Funktionsgewebe (Parenchym) der Niere.
Vereinzelt auftretende, erworbene Nierenzysten (selten mehrfach oder beidseitig auftretend) sind häufig ein Zufallsbefund bei der Sonografie der Nieren oder werden bei der Computertomografie diagnostiziert. Sie treten mit zunehmendem Alter oder bei länger bestehender chronischer Niereninsuffizienz – gleich welcher Ursache – auf.
Trotzdem sie monströse Ausmaße annehmen können, bereiten sie meist keine Beschwerden (selten Druckgefühl im Bauch) und werden daher als meist harmloser Zufallsbefund gewertet. Es wird vermutet, dass ungefähr die Hälfte der Erwachsenen an solch einer Zyste leidet.
Davon abgegrenzt werden die Zystennieren (= zystische Nierenerkrankungen). Hier treten viele Zysten in beiden Nieren auf. Es handelt sich um eine schwerwiegende Erkrankung, die in den meisten Fällen vererbt wird. Der genetische Defekt kann dominant oder rezessiv weitergegeben werden.
Betroffene haben entweder von einem Elternteil ein dominantes defektes Gen oder von beiden Elternteilen ein rezessives defektes Gen erhalten. Die genetisch bedingten Nierenerkrankungen werden nicht geschlechtsspezifisch vererbt (= autosomal).
Je nach Erbgang, Größe der Zysten, befallenem Nierengewebe und Erkrankungsalter werden verschiedene Formen unterschieden:
- Kongenitale (= angeborene) Zystennieren : Hier unterscheidet man je nach Erbgang zwei Formen, die sich ganz erheblich in Bezug auf die Prognose und den Erkrankungsbeginn unterscheiden. Die autosomal-dominante polyzystische Nierenerkrankung, die nach Potter auch Zystennieren Typ III genannt wird, ist der häufigste erbliche Defekt (Häufigkeit 1:1000), der zu einer chronischen Niereninsuffizienz führt. Die Krankheit manifestiert sich meist zwischen dem 30. und 50. Lebensjahr. Fortschreitendes Nierenversagen kann eine Dialyse oder Nierentransplantation notwendig machen. Etwa 50 % der Betroffenen erreichen das 70. Lebensjahr, ohne an die Dialyse zu müssen. Die autosomal-rezessive polyzystische Nierenerkrankung (Zystennieren Typ I) ist eine seltene pädiatrische Erkrankung. Eines von 6 000 – 14 000 Kindern wird mit diesem Defekt geboren. Die Kinder zeigen bereits bei der Geburt vergrößerte Nieren, die von zahlreichen Zysten durchsetzt sind. Die Kinder leiden oft unter mehreren Fehlbildungen und sterben bereits wenige Tage oder Wochen nach der Geburt.
- Nephronophthisekomplex und Markschwammniere: Hierbei handelt es sich um seltene und – im Gegensatz zu den kongenitalen Zystennieren – kleinzystische, schwammartige Nierenerkrankungen, die man aufgrund ihrer Zystenlokalisation unterscheidet. Die Bezeichnung „Nephronophthisekomplex“ leitet sich ab von „Nephron“, der kleinsten Filtrationseinheit der Nieren und „Phthise“, was soviel wie Parenchymschwund (= Untergang des Funktionsgewebes) bedeutet. Bei diesen Nierenerkrankungen finden sich nur wenige Millimeter große Zysten in bestimmten Teilen (Mark-Rindengrenze) der Nieren. Die paarig angelegten Ausscheidungsorgane sind vernarbt und geschrumpft. Die meisten Betroffenen werden bereits im jugendlichen Alter dialysepflichtig. Auch hier werden zwei Formen unterschieden, die durch unterschiedliche Erbgänge und verschiedene Krankheitsmanifestationen charakterisiert sind. Die juvenile Nephronophthise (autosomal-rezessiv vererbt) tritt häufig mit anderen Fehlbildungen, wie Blindheit, selten auch mit Skelettfehlbildungen und Abnormitäten des zentralen Nervensystems, auf. Die medulläre Zystenerkrankung (autosomal-dominant vererbt) wird erst im jungen Erwachsenenalter klinisch auffällig. Bei Markschwammnieren erscheint das Nierengewebe schwammartig, da die Harn führenden Nierenkanälchen (= Sammelrohre) erweitert sind. Die Erkrankung ist angeboren, aber nicht genetisch bedingt. Die Symptome, wie Nierensteine, Harnweginfekte und Blut im Urin, machen sich erst im Erwachsenenalter (3. bis 4. Lebensjahrzehnt) bemerkbar. Die Prognose der Markschwammnieren ist im Vergleich zu anderen zystischen Nierenerkrankungen vergleichsweise gut. Es entwickelt sich fast nie eine chronische Niereninsuffizienz.
Ursachen einer Nierenzyste
Für gewöhnlich handelt es sich bei Nierenzysten, um zufällig auftretende oder durch bestimmte Nierenerkrankungen begünstigte Defekte im Nierenparenchym.
Zystennieren sind häufig genetisch bedingt. Die häufigste Form – die kongenitalen Zystennieren – wird autosomal-dominant vererbt. Das heißt, die Erkrankung wird nicht geschlechtsspezifisch vererbt und nur ein Elternteil muss den Gendefekt weitergeben, damit es zum Ausbruch der Erkrankung kommt.
Bei dieser Form der Zystennieren sind bisher zwei genetische Defekte bekannt. Einer liegt auf dem kurzen Arm des Chromosoms 16 (APKD-1-Gen = adult polycystic kidney disease), der andere auf dem Chromosom 4. Es handelt sich um das APKG-2-Gen.
Die Folge der Gendefekte ist eine multiple Bildung von Zysten, die über all im Nierengewebe stattfinden kann. Die Zystenbildung geht mit einer schlechteren Durchblutung und Vernarbung des Nierengewebes einher. Ist kaum noch funktionstüchtiges Gewebe vorhanden, so tritt Nierenversagen ein.
Die Symptome
Nierenzysten bereiten oft keine oder kaum Beschwerden und bleiben oft ein Leben lang unbemerkt oder werden nur zufällig bei Untersuchungen entdeckt. Sehr große Zysten (mehr als faustgroß) können sich aber durch Beschwerden bemerkbar machen. Es bestehen häufig Druckschmerzen im Nierenbereich, da die Zysten die Nieren verdrängen. Typisch sind auch Bauchschmerzen und Stuhlunregelmäßigkeiten.
Zystennieren sind oft lange symptomlos (Ausnahme autosomal-rezessive kongenitale Zystennieren und juvenile Nephronophthise). Typische Anzeichen für die Nierenerkrankung sind chronische Harnweginfekte, plötzliche Harnblutungen oder Schmerzen im Nieren- und Bauchbereich sowie häufiges Wasserlassen. Krampfartige Schmerzen deuten auf Nierensteine hin. Erschöpfung, Übelkeit und andere Folgen des Nierenversagens können auftreten, wenn nur noch wenig funktionierendes Nierengewebe vorhanden ist. Viele der Patienten haben zum Diagnosezeitpunkt hohen Blutdruck.
Bei kongenitalen Zystennieren (autosomal-dominanter Typ) können auch weitere Manifestationen in anderen Organen auftreten. So bestehen beispielsweise gleichzeitig Zysten in der Leber, der Bauchspeicheldrüse oder der Milz. Sie verursachen meist keine Beschwerden, manchmal beeinträchtigen sie die Magen-Darm-Funktion und selten kommt es zu einem fortschreitenden Leberversagen.
Etwa 5 bis 10 Prozent der Betroffenen leiden auch unter erweiterten Blutgefäßen im Gehirn (Aneurysmen). Sie können Kopfschmerzen verursachen und führen leicht zu Gehirnblutungen oder Schlaganfällen. Auch Herzklappenfehler (Mitralklappenprolaps) treten begleitend auf. Komplikationen sind eine Infektion oder eine Ruptur (= Zerreißen) der Zysten.
Welche Diagnose gibt es?
Die Diagnose erfolgt mit bildgebenden Verfahren, wie Ultraschall, Computertomografie oder speziellen Röntgenuntersuchungen der Nieren und der Harnwege. Labortests aus dem Blut zeigen oft die schlechte Nierenfunktion. Harnweginfekte können durch eine Urinuntersuchung aufgedeckt werden. Wichtige Hinweise auf vererbte Nierenzystenerkrankungen kann die Anamnese (= Befragung zur Krankengeschichte) liefern. Nicht selten sind dann mehrere Familienmitglieder dialysepflichtig, nierentransplantiert oder bereits an Nierenerkrankungen verstorben.
Therapie
Einzelne Nierenzysten müssen häufig nicht behandelt werden. Lediglich wenn sie sehr groß werden und Beschwerden verursachen, können sie operativ entfernt werden.
Zystennieren dagegen bedürfen einer kontinuierlichen ärztlichen Betreuung. Eine kausale (= ursächliche) Therapie ist nicht möglich, vielmehr versucht man die Symptome zu behandeln. Wichtig sind die Blutdruckeinstellung und eine antibiotische Therapie bei Zysteninfektionen. Sehr große Zysten können operativ entfernt werden.
Bei extremer Größe der Nieren oder schwer zu beherrschenden Komplikationen kann die Entfernung einer Niere nötig sein.
Versagen die Nieren gänzlich (= terminale Niereninsuffizienz) so ist eine Dialyse oder Nierentransplantation notwendig.
Bei Verdacht auf vererbte Zystenerkrankungen der Nieren können auch die Familienangehörigen durch eine Sonografie der Nieren und des Brust-Bauchraumes untersucht werden. Bei Kinderwunsch sollte gegebenenfalls eine genetische Beratung erfolgen.
Verlauf
Nierenzysten werden von vielen Betroffenen gar nicht wahrgenommen. Sie können im Krankheitsverlauf auf gigantische Maße heranwachsen und dann zu Rücken- und Bauchschmerzen und Bluthochdruck führen. Selten entwickeln sich bösartige Tumoren aus den Zysten.
Zystennieren stellen meist eine sehr ernsthafte Erkrankung dar und können sich lebenslimitierend auswirken. Die autosomal-dominanten kongenitalen Nierenzysten führen bei den meisten Patienten in einem höheren Lebensalter zu einer Niereninsuffizienz, die durch Dialyse behandelt werden muss.
Kinder mit autosomal-rezessiv vererbten Zystennieren sterben bereits in den ersten Lebensmonaten. Die Überlebenden leiden im Verlauf ihrer Erkrankung an Niereninsuffizienz, Bluthochdruck und möglichen Leberfunktionsstörungen.
med. Redaktion Dr. med. Werner Kellner
Aktualisierung 20.04.2008