Neutrophile Granulozyten – Neutrophile

Die neutrophilen Granulozyten, die kurz auch Neutrophile genannt werden, sind mit einem relativen Anteil von 55 – 75 Prozent an der Gesamtleukozytenzahl, zahlenmäßig die am häufigsten vorkommenden weißen Blutkörperchen (Leukozyten).

Sie stellen die Bollwerke der angeborenen Immunabwehr dar. Ihre biologische Funktion erfüllen sie, indem sie zielgerichtet zu Orten von Entzündungen, Verletzungen und Infektionen wandern (Chemotaxis) und dort Erreger binden können und diese schließlich aufnehmen und zerstören. Dieses „Fressen“ der körperfremden Eindringlinge bezeichnet man als Phagozytose.

Die kugelförmigen Neutrophilen haben eine Größe von 12 bis 15 μm. Namensgebend für diesen Zelltyp ist, dass sie sich nicht mit basischen (ó Basophile) oder sauren (óEosinophile) Farbstoffen anfärben lassen. In ihrem Inneren besitzen sie Granula, in denen eine Reihe von Enzymen, wie Elastase, Kollagenase, Lysozym und andere, gespeichert sind. Mit ihrer Hilfe lassen sich Mikroben unschädlich machen. Die Zellkerne der Neutrophilen weisen unterschiedliche Formen auf.

Die Neutrophilen werden im Knochenmark über eine Reihe von Vorläuferzellen (Myeloblast, Promyelozyt, Myelozyt, Metamyelozyt) gebildet. Junge, nicht ausgereifte Neutrophile haben noch keinen mehrfach segmentierten Kern und heißen Stabkernige. Sie machen ungefähr fünf Prozent der Neutrophilen aus. Ausgereifte Granulozyten besitzen einen mehrfach gelappten Kern und werden als Segmentkernige bezeichnet. Für die Zellteilung und Reifung im Knochenmark benötigen Blutzellen etwa 10 Tage und werden dann in die Blutbahn entlassen. Hier zirkuliert jedoch nur ein Teil der Neutrophilen, der andere haftet an der Gefäßinnenwänden. Diese ruhenden Zellen können im Bedarfsfall schnell rekrutiert werden. Im Blut überleben die Neutrophilen nur 21 Stunden, in den Geweben vier bis fünf Tage, bevor sie zugrunde gehen und von Makrophagen abgebaut werden.

Was sind die Referenz- und Normalwerte der neutrophilen Granulozyten?

Der prozentuale Anteil neutrophiler Granulozyten bei einem Erwachsenen beträgt 55 – 75 % an der Gesamtleukozytenzahl. Davon sind die Stabkernigen mit 0,1 – 0,5 x 109 Zellen/l (3 – 5% der Leukos) vertreten, die Segmentkernigen machen 2 – 6,5 x 109/l (50 – 70% der Leukos) aus.

Was können zu hohe Werte bedeuten?

Von einer Neutrophilie (zu viele Neutrophile) spricht man, wenn die Anzahl neutrophiler Granulozyten und ihrer Vorstufen > 7,5 x 109/l ist. Typisch ist dies zu Beginn von Infektionen („neutrophile Kampfphase).

Weitere Erkrankungen oder Zustände, bei denen eine Neutrophilie auftritt, sind:

  • Bakterielle Infektionen;
  • Akute oder chronische Entzündungen (rheumatoide Arthritis oder Vaskulitis);
  • Tumoren (vor allem Magen-Darm-Trakt, Lunge);
  • Splenektomie (Milzentfernung);
  • Schwangerschaft;
  • Stress, Rauchen und körperliche Arbeit;
  • Leukämie;
  • Medikamente (z.B. Glukokortikoide, Adrenalin);
  • Blutungen, Hämolyse;
  • Vergiftungen (Blei, Quecksilber, Benzol, Kohlenmonoxid);
  • Stoffwechselentgleisungen, wie diabetisches, hepatisches oder urämisches Koma, akuter Gichtanfall.

Was können zu niedrige Werte bedeuten?

Eine Erniedrigung der neutrophilen Granulozyten wird als Neutropenie bezeichnet. Es werden verschiedene Schweregrade eingeteilt:

Mild: Neutrophile = 1,5 – 1,0 x 109/l;

Moderat:Neutrophile = 1,0 – 0,5 x 109/l;

Schwer: Neutrophile < 0,5 x 109/l;

Erkrankungen und Zustände, die mit einer erniedrigten Neutrophilenzahl einhergehen, können auf einer verminderten Produktion, einem erhöhten Umsatz oder einer krankhaften Verteilung der Blutzellen beruhen. Es sind dies im Einzelnen:

  • Infektionen (z.B. HIV, Tbc);
  • Vitamin-B12 – und Folsäure-Mangel;
  • Medikamente (Penizilline, Sulfonamide, Metamizol usw. );
  • Leukämie, multiples Myelom;
  • Blutvergiftung;
  • bei Milzvergrößerung;
  • Autoimmunkrankheiten, bei denen Antikörper gegen Granulozyten gebildet werden, was zu einem vermehrten Abbau der Zellen führt.

Was bedeutet Links- und Rechtsverschiebung der neutrophilen Granulozyten?

Der Begriff „Linksverschiebung“ meint eine Vermehrung unreifer neutrophiler Granulozyten, wie beispielsweise der stabkernigen Granulozyten. Die Stabkernigen gelangen verstärkt bei Entzündungen ins Blut.

Eine Rechtsverschiebung tritt durch Überwiegen vielfach segmentierter (übersegmentierter) Granulozyten auf. Typisch ist dies beim Vitamin-B12-Mangel, Eisenmangel und Lebererkrankungen.

Bei einer so genannten myeloischen Leukämie kommt es zu einer extremen Linksverschiebung. Es treten auch unreife Vorstufen (Myeloblast, Promyelozyt, Myelozyt und Metamyelozyt) ins Blut über.

Quelle: Thomas, Labor und Diagnose
med. Redaktion Dr. med. Werner Kellner
Aktualisierung 02.01.2009