Progerie Typ II – Werner-Syndrom – Progeria adultorum – Vorzeitige Vergreisung

         

Progerie Typ II – Werner-Syndrom – Progeria adultorum – Vorzeitige Vergreisung Bei der Progerie Typ II oder dem Werner-Syndrom handelt es sich – wie bei der kindlichen Vergreisung oder Progerie I – um ein Progeroid-Syndrom. Dabei setzt der Alterungsprozess aufgrund eines genetisch bedingten Defekts vorzeitig ein. Erste Anzeichen des Werner-Syndroms zeigen sich in der Jugend oder im frühen Erwachsenenalter durch das Ausbleiben des pubertären Wachstumsschubs. Das Vollbild der Erkrankung ist gekennzeichnet durch vorzeitiges Ergrauen und Haarverlust, Hautveränderungen, Muskelabbau, vorzeitige Entwicklung eines grauen Stars, Arteriosklerose („Arterienverkalkung“) und eine hohe Rate an Krebserkrankungen.

Die Erkrankung ist sehr selten. Weltweit erkrankt einer von einer Million Menschen. Die Lebenserwartung ist reduziert. Die meisten sterben mit knapp 50 Jahren an den Folgen der Arteriosklerose durch einen Herzinfarkt oder durch bösartige Tumore.

Ursache

Der Erkrankung liegt ein Gendefekt auf dem kurzen Arm von Chromosom 8 (p12-p11.2) zugrunde und folgt einem autosomal-rezessiven Erbgang. Dies bedeutet, dass beide Eltern Träger des defekten Gens sind und es weitergeben müssen, damit sich Symptome beim Betroffenen zeigen. Mutiert ist das sogenannte RECQL1-Gen, was einen Mangel an der Helikase WRN zur Folge hat. Dieses Enzym ist an DNA-Reparaturvorgängen beteiligt. Ein Fehlen führt zu vermehrter Mutationshäufigkeit und gesteigerter chromosomaler Instabilität, die sich beispielsweise durch Chromosomenbrüche bemerkbar macht. Ein gehäuftes Auftreten der Erkrankung ist bei Verwandtschaftsehen zu beobachten.

Symptome

Die Krankheit tritt erst in der Pubertät und im frühen Erwachsenenalter in Erscheinung. Das erste Anzeichen ist ein fehlender Wachstumsschub in der Pubertät. Betroffene sind kleinwüchsig. Bereits im dritten Lebensjahrzehnt wirken die erkrankten Menschen alt. Bisweilen weisen sie auch einen charakteristischen Gesichtsschädel mit prominenter Stirn auf („Vogelgesicht“). Die Stimmlage ist verändert und wird als schrill oder rau beschrieben. Die Haare ergrauen vorzeitig, werden dünn und fallen aus.

Das zentrale Nervensystem und die vom Gehirn beeinflussten Aktivitäten sind bei diesem Syndrom nicht beeinträchtigt. In vielfältiger Weise zeigen sich Veränderungen an der Haut. Sie erscheint nicht mehr überall weich und elastisch, sondern zeigt dünne, faltige Areale und ist stellenweise fest oder gespannt. Teilweise bildet sich das Unterhautfettgewebe zurück, wodurch das Venengeflecht an den betroffenen Stellen durchscheinen kann. Weiterhin treten übermäßige Verhornungen auf und es zeigen sich Pigmentverschiebungen.

Frühzeitig treten folgende Krankheitsbilder auf:

  • Muskelabbau;
  • Arteriosklerose; schwerwiegende Folgen hat vor allem die Arteriosklerose der Herzkranzgefäße, die sich in einem Myokardinfarkt manifestieren können.
  • Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit);
  • Osteoporose (Knochenschwund) mit der Neigung zu Knochenbrüchen;
  • Katarakt€ (grauer Star), der auf beiden Seiten auftreten kann, und Netzhautschäden;
  • Unterfunktion der Geschlechtsdrüsen (= Hypogonadismus); daraus resultiert eine verminderte Fruchtbarkeit;
  • Weichteilverkalkung;
  • Verhärtung von Knochengewebe (= Osteosklerose) im Bereich der Finger oder Zehen (-> Röntgenbild der distalen Phalangen);
  • Krebserkrankungen (mesenchymale, seltene oder multiple Tumore).

Diagnose

Die Diagnose wird anhand eines speziellen Symptomkatalogs gestellt, in dem nach Haupt- und Nebenkriterien unterschieden wird. Je nachdem, in welchem Verhältnis die Symptome aus den beiden „Katalogen“ auftreten, wird von einer sicheren, wahrscheinlichen oder möglichen Diagnose ausgegangen. Zu den Hauptkriterien zählen (Beginn nach dem 10. Lebensjahr): Grauer Star (Katarakte, beidseitig), die oben beschriebenen typischen Hautzeichen, Kleinwuchs, Blutsverwandte (bsp. Eltern) mit ähnlicher Symptomatik und vorzeitiges Ergrauen mit Ausfall des Haares. Nebenkriterien sind: Zuckerkrankheit, Unterfunktion der Geschlechtsdrüsen (= Hypogonadismus), Osteoporose, Knochenverhärtungen (Finger, Zehen), Weichteilverkalkungen, Nachweis einer vorzeitigen „Arterienverkalkung“ (bsp. Myokardinfarkt), bestimmte Tumoren (mesenchymale, seltene und multiple Tumoren), eine veränderte Stimmlage (schrill oder rau) sowie Plattfüße.

Um von einer sicheren Diagnose sprechen zu können, müssen alle Hauptkriterien und zwei Nebenkriterien zutreffen. Von einer wahrscheinlichen Diagnose wird bei Auftreten der drei zuerst erwähnten Hauptkriterien und zwei sonstigen Kriterien ausgegangen. Für eine mögliche Diagnose sprechen entweder die Katarakte oder die Hautzeichen und vier andere Kriterien.

Therapie

Eine ursächliche Therapie der Erkrankung gibt es nicht. Die Behandlung zielt auf die Linderung der auftretenden Beschwerden und das rechtzeitige Erkennen und Behandeln von Komplikationen ab. Die Lebensqualität der Betroffenen soll möglichst lange erhalten bleiben.

med. Redaktion Dr. med. Werner Kellner
Aktualisierung 16.03.2008