Elektrotherapie

Unter Elektrotherapie werden Behandlungsformen zusammengefasst, bei denen elektrischer Strom genutzt wird. Praktisch alle Therapiemethoden haben einen mehr oder weniger ausgeprägten schmerzlindernden Effekt. Sie werden daher vor allem zur Behandlung von Schmerzen am Bewegungsapparat eingesetzt. Einige Methoden dienen darüber hinaus der elektrischen Stimulation geschwächter oder gelähmter Muskeln. Mit Strömen im Hochfrequenzbereich lässt sich zudem eine Wärmewirkung erzeugen. Diese werden daher zur selektiven Erwärmung bestimmter Körperareale verwendet.

Die Elektrotherapie nutzt verschiedene Arten des elektrischen Stromes. Man unterscheidet Gleichstrom, sowie Nieder-, Mittel- und Hochfrequenzen. Zu den verschiedenen Formen der Elektrotherapie zählen die Galvanisation, das Vierzellenbad und das Stangerbad (hydroelektrisches Vollbad), bei denen man auf frequenzlosen, konstant fließenden Gleichstrom zurückgreift, sowie die Kurzwellentherapie (= Hochfrequenzwärmetherapie) und Reizstromtherapie. Unter Reizstromtherapie wird meist eine TENS (transkutane elektrische Nervenstimulation) oder EMS (elektrische Nervenstimulation) verstanden.

Geschichtliches

Bereits in der Antike machte man sich die schmerzstillende Eigenschaft von Strom auf den menschlichen Organismus zunutze. Man verwendete dazu elektrische Fische (best. Zitterrochenart).

Als Begründer der modernen Elektrotherapie wird der Naturwissenschaftler Christian Gottlieb Kratzenstein (1723–1795) angesehen, der bereits 1744 eine Dokumentation über die Anwendung der Elektrotherapie veröffentlichte.

Weitere Meilensteine in der Entwicklung der Elektrotherapie waren die Erforschung des Galvanismus durch den italienischen Arzt Luigi Galvani (1737 – 1798) und die Entdeckung des Induktionsstromes im magnetischen Feld durch den englischen Physiker und Chemiker Michael Faraday (1791 – 1867).

Guillaume-Benjamin Duchenne (1806 – 1875), ein französischer Physiologe, reizte bereits über Elektroden verschiedene Gesichtsmuskeln. Ziel seiner Forschungen war insbesondere die Behandlung von Lähmungen und Neuralgien. Der deutsche Mediziner Erwin Schliephake (1894 – 1995) entwickelte schließlich die Kurzwellentherapie.

Wirkungsweise

Die Elektrotherapie wirkt auf den menschlichen Organismus, da dieser Strom leiten kann. Gute Stromleiter im menschlichen Körper sind die Körperflüssigkeiten (Blut, Urin, Lymphe, Gehirnflüssigkeit), die Organe und die Muskulatur. Schlechte Leiter stellen Fettgewebe, Sehnen, Knochen und Nerven dar. Als Isolatoren gelten Hornschichten, Haare und Nägel.

Die elektrischen Ströme lösen nervale (= die Nerven betreffende) Reize aus und lindern dadurch Schmerzen. Außerdem verbessern sie die Durchblutung. Neben den Nervenzellen sind auch Muskelzellen gut durch Strom (Impulsstrom) beeinflussbar. Daher kann Strom bei Muskelschwäche, -lähmung und –verspannungen helfen.

Anwendungsbereiche

Die Anwendungsbereiche der Elektrotherapie haben je nach verwendeter Form unterschiedliche Wirkungsschwerpunkte und helfen bei ganz verschiedenen Beschwerden.

Die Galvanisation wird hauptsächlich in der Schmerztherapie eingesetzt und fördert zudem die Durchblutung der Muskulatur und Haut.

Das Vierzellenbad (Elektroteilbad) ist beispielsweise empfehlenswert bei Weichteilrheumatismus, entzündlichem Rheuma, Arthrosen und Durchblutungsstörungen.

Das Stangerbad findet Verwendung bei diffusen Schmerzen am Bewegungsapparat, die größere Körperteile betreffen.

Die Kurzwellentherapie wird neben den klassischen Anwendungsgebieten, wie Schmerzzuständen und Muskelverspannungen, auch bei Atemwegserkrankungen und Frauenleiden eingesetzt.

Die Anwendungsbereiche der Reizstromtherapie sind schwache Muskulatur sowie Gewebe- und Muskelschwund, aber auch Inkontinenz.

Behandlung

Eine Wirkung der einzelnen Methoden ist oft schon nach der ersten Behandlung spürbar. Jedoch wird für einen dauerhaften Erfolg oft eine Serie von zehn bis zwölf Behandlungen angesetzt.

Bei der Galvanisation behandelt man mit Gleichstrom. Der konstant fließende Strom wird mit Hilfe von Elektroden oder durch elektrische Bäder (Stangerbad, Vierzellenbad) auf den Körper übertragen. Der Behandelnde verspürt ein leichtes Kribbeln.
Beim Stangerbad, einer Sonderform der Galvanisation, liegt der Betreffende in einer Wanne mit 36 bis 38 Grad Celsius warmen Wasser, an deren Seiten sich unterschiedlich schaltbare Elektroden befinden. Über das Wasser wird der Gleichstrom großflächig in den Körper geleitet. Das Bad dauert circa 10 bis 30 Minuten. Je nach Polung hat das Stangerbad einen anregenden oder dämpfenden Effekt auf das zentrale Nervensystem.

Beim Vierzellenbad werden Arme und Beine getrennt jeweils in eine mit Wasser gefüllte Wanne eingetaucht, an die Strom angeschlossen ist. Auch hier haben die verschiedenen Stromdurchflutungsrichtungen einen jeweils anregenden oder dämpfenden Effekt.

In der Kurzwellentherapie setzt man Wellen im Hochfrequenzbereich ein. Diese kurzwellige elektromagnetische Energie führt zu Wärme im menschlichen Organismus. Eine gezielte Wärmewirkung an bestimmten Körperstellen ist möglich. Die Dauer der Anwendung umfasst sechs bis zwölf Behandlungen mit verschiedenen Stufen der Wärmedosierung.

Bei der Reizstromtherapie werden geschwächte Muskeln dazu angeregt, sich zusammenzuziehen. Es kommen sogenannte Schwell- und Exponentialströme zur Anwendung.

Dazu wird je eine Elektrode mit nasser Unterlage auf die schmerzende und eine weiter entfernte Körperstelle gelegt. Bei gesunden, aber geschwächten Muskeln werden sogenannte Schwellströme eingesetzt, bei gelähmten Muskeln setzt man Dreiecks- oder Exponentialstrom ein.

Mit Schwellstrom wird therapiert, um Muskelschwund nach Operationen vorzubeugen. Der Exponentialstrom wird zum Muskeltraining genutzt, bis sich ein in Mitleidenschaft gezogener Nerv wieder erholt hat und den Muskel steuern kann. Genaue Informationen zur TENS finden sich im Schmerzportal unter Physiotherapie/TENS.

Für wen ist die Methode nicht geeignet?

Prinzipiell sollten Menschen mit Metallteilen im Körper (Herzschrittmacher, Insulinpumpen, Nägel, Platten, Schrauben von einem operativ versorgten Knochenbruch) keine Elektrotherapie durchführen. Abstand von dieser Behandlungsform sollten auch Personen mit Angst vor Strom, mit offenen Hautwunden (bsp. Stangerbad) sowie Schwangere nehmen.

Wirksamkeit

Die Wirksamkeit der Elektrotherapie wurde mit klinisch kontrollierten Studien nachgewiesen. Anerkannt sind die Wirkungen der Reizstromtherapie, der Kurzwellentherapie und des Stangerbads. Eine Kostenerstattung durch die Krankenkassen ist möglich.

med. Redaktion Dr. med. Werner Kellner
Aktualisierung 19.05.2009