Jeder chirurgische Eingriff und der damit meist verbundene Krankenhausaufenthalt, dem sich ein Diabetiker unterzieht, erfordert eine besondere Vorbereitung. Diabetiker haben ein erhöhtes Operationsrisiko (siehe unten). Besondere Vorsichtsmaßnahmen und eine individuelle Betreuung vor, während und nach der Operation helfen, dieses Risiko zu mindern und Komplikationen zu vermeiden.
Warum haben Diabetiker ein erhöhtes Operationsrisiko?
Ein Grund für das erhöhte Operationsrisiko ist die Freisetzung von Stresshormonen während der Operation, die den Zuckerspiegel nach oben schnellen lassen können. Die Ursachen von Unterzuckerungen sind zu hohe Insulindosen, die lange Wirkdauer von einigen oralen Antidiabetika (manche – bsp. Metformin – müssen bereits zwei Tage vor der OP abgesetzt werden) und eine nicht ausreichende Zufuhr von Kohlenhydraten.
Eine Umstellung der Insulindosis muss auch erfolgen, wenn der Patient nüchtern operiert werden muss, also 12 Stunden vor dem Eingriff nichts mehr zu sich nehmen darf. Ständig hohe Blutzuckerwerte schwächen das Immunsystem und führen schließlich zu einer erhöhten Infektionsgefahr und einer schlechteren Wundheilung. Komplikationen, wie Thrombosen und Embolien, kommen bei chronisch erhöhten Blutzuckerwerten ebenso häufig vor, da die Blutgerinnung aktiviert ist. Erschwerend wirken sich auch diabetische Folgeerkrankungen aus.
Was sind häufige Gründe, die zu einer Operation bei Diabetikern führen?
Vor allem Gefäßerkrankungen, wie Verengungen und Verschlüsse in den Beinarterien (periphere arterielle Verschlusskrankheit), den Herzkranzgefäßen oder in den Arterien, die das Gehirn versorgen, machen operative Eingriffe nötig. Weitere häufigere Ursachen für Diabetiker sich einem chirurgischen Eingriff unterziehen zu müssen, sind diabetische Folgeerkrankungen, welche die Augen (diabetische Retinopathie), die Füße (siehe diabetischer Fuß) oder die Nieren betreffen.
Wie kann das Operationsrisiko gesenkt werden?
Neben den obligaten Routineuntersuchungen vor einer Operation, müssen bei Diabetikern der aktuelle Blutzucker und der Blutdruck gemessen werden. Auch bereits aufgetretene Folgeerkrankung und ihr Ausmaß sind abzuklären. Besonders geachtet werden muss dabei auf: Durchblutungsstörungen am Herzen, dem Gehirn oder den Beinen, Nierenfunktionsstörungen, Auffälligkeiten bei der Blutgerinnung und diabetische Nervenschäden. All diese Parameter dienen dazu, dass Operationsrisiko abzuschätzen. Ist es unverhältnismäßig hoch, so kann es sogar sinnvoll sein, eine Operation zu verschieben.
Welche Maßnahmen werden bei Diabetikern vor, während und nach Operationen ergriffen?
Um das Operationsrisiko möglichst gering zu halten, muss der Blutzuckerspiegel bereits zwei bis vier Wochen vor der Operation optimal eingestellt werden. Dabei sollten die nüchtern und vor dem Essen gemessenen Werte zwischen 5 und 7 mmol/l (optimal 4,5 – 6,1 mmol/l) liegen. Zwei Stunden nach dem Essen dürfen sie 10 mmol/l nicht überschreiten. Begleitend muss auch auf eine gute Einstellung des Blutdrucks geachtet werden. Um Unterzuckerungen zu vermeiden, müssen Patienten, die mit Sulfonylharnstoffen therapiert werden, wegen der langen Wirkungsdauer der Medikamente, die Tabletten vorübergehend absetzen.
Sie werden dann mit Insulin therapiert. Das orale Antidiabetikum Metformin muss ebenfalls zwei Tage vor der Operation oder vor einer Kontrastmitteluntersuchung abgesetzt werden. Es kann unter Operationsbedingungen eine so genannte Laktatazidose (= lebensbedrohliche Übersäuerung des Blutes) auslösen. Meist wird auch bei einem insulinpflichtigen Diabetiker eine Umstellung der Insulintherapie zum Operationszeitpunkt nötig.
Während der Operation bekommen Typ-1-Diabetiker getrennte Infusionen mit 5 Prozent Glukose und Mineralstoffen sowie Insulin über eine Infusionspumpe. Die Insulindosis pro Stunde ist abhängig von der täglichen Dosis vor der Operation und dem aktuellen Blutzuckerwert. Während und kurz nach der Operation wird eine stündliche Blutzuckerkontrolle durchgeführt. Je nach dem ermittelten Wert wird die Insulinmenge oder die Glukosekonzentration vermehrt oder vermindert infundiert (= als Infusion zugeführt). Bei Diabetikern, die eine Insulinpumpe tragen, kann das Insulin über die Pumpe abgerufen werden.
Typ-2-Diabetiker bekommen bei kleineren oder mittleren Eingriffen eine Infusion mit 5 Prozent Glukose, der Blutzuckerspiegel wird stündlich kontrolliert. Überschreitet er einen Wert von über 200 mg/dl, so wird Insulin zusätzlich über eine Infusionspumpe verabreicht. Nach der Operation erfolgt weiterhin eine engmaschige Blutzuckerkontrolle. Bei großen Operationen folgt man derselben Therapie wie bei Typ-1-Diabetikern. Die Typ-2-Diabetiker bekommen auch bedarfsgerecht eine Infusion mit Insulin und eine mit 5prozentiger Glukose, die – je nach stündlich gemessenem Blutzuckerwert – eingestellt werden.
Häufig ist zu beobachten, dass nach der Operation der Insulinbedarf erhöht ist. Dafür verantwortlich sind die reduzierte körperliche Aktivität und die vermehrte Ausschüttung von Stresshormonen, die die Wirkung des Insulins hemmen. Durch eine Steigerung der Insulinmenge wird diesem Umstand entgegengewirkt. Nach einer gewissen Genesungsphase kann mühelos zur ursprünglichen Therapie zurückgekehrt werden.
Wie können Sie sich selbst auf den Krankenhausaufenthalt vorbereiten?
Stellen Sie zu Hause sorgfältig ihre Diabetesutensilien zusammen. Dazu gehören:
- Diabetes-Gesundheits-Pass;
- Diabetikertagebuch (Aufzeichnungen über die Blutzuckerschwankungen der letzten Wochen);
- aktueller Medikamentenplan;
- ev. Liste aller Vorerkrankungen und aktuelle Untersuchungsergebnisse;
- aktueller Essensplan mit der Verteilung der Kohlenhydrate;
- Notizen über die Dauer, den Verlauf und den bisherigen Umgang mit der Erkrankung;
- Name, Adresse und Telefonnummer Ihres behandelnden Arztes (Hausarzt oder Diabetologe);
- Pens, Spritzen, Tabletten, Blutzuckermessgerät und Teststreifen, sowie einige Einheiten Ihres Insulins oder Ihre gewohnten oralen Antidiabetika. Sie sind so unabhängig von der Versorgung im Krankenhaus. Es kann unter Umständen etwas dauern bis die Krankenhausapotheke ihr spezifisches Insulin besorgt hat, wenn es nicht vorrätig ist.
Besprechen Sie mit Ihrem behandelnden Arzt und dem Pflegepersonal, wann und wie Sie Ihren Diabetes selbst behandeln und wann der Anästhesist, Internist oder Diabetologe die diabetische Therapie übernimmt.