Ermittlung der Pflegestufe, Pflegetagebuch

In ein Pflegetagebuch werden die Pflegezeiten und die Häufigkeit der einzelnen Verrichtungen, bei denen Zeitkorridore (siehe Kapitel „Zeitkorridore“) vorliegen, eingetragen. Auch die benötigte Zeit für die hauswirtschaftliche Unterstützung wird vermerkt. Die betrachtete Zeitspanne ist meist eine Woche. Die Eintragungen erfolgen täglich mit Uhrzeit und Dauer der einzelnen Verrichtungen. Auch nur einmal wöchentlich stattfindende Hilfestellungen, beispielsweise die Begleitung des Pflegebedürftigen zu einem wichtigen Arzttermin, müssen vermerkt werden, ebenso wie „kleine“ Hilfestellungen, wie das wiederholte Auffordern des Pflegebedürftigen zum Essen, das Geben von Zahnpasta auf die Zahnbürste, das Zurechtschneiden des Frühstücksbrotes durch die Pflegeperson für den Pflegebedürftigen usw.

Durch Zusammenzählen der Pflegezeiten kann man selbst einen Überblick darüber gewinnen, ob überhaupt eine Pflegestufe vorliegt oder ob eine Beantragung der Höherstufung (bsp. von Pflegestufe I auf II) sinnvoll ist.

Das Pflegetagebuch ist das wichtigste Hilfsmittel, mit dem ein Hausbesuch des MDK-Gutachters zur Einstufung der Pflegestufe vorbereitet werden kann.

Woher bekommt man ein Pflegetagebuch?

So gut wie alle Pflegekassen stellen ihren Versicherten kostenlos ein Pflegetagebuch zur Verfügung. Auch im Internet kann man sich verschiedene Varianten herunterladen. Eine weitere Quelle sind Pflegedienste, die solche Bücher bereitstellen oder besorgen können.

Wer kann von einem Pflegetagebuch profitieren?

  • Der Pflegebedürftige und seine Angehörigen: Wie oben erwähnt, geben Ihnen die Pflegezeiten Anhaltspunkte, ob sich ein Antrag oder ein Antrag auf Höherstufung überhaupt rentiert.
  • Der Gutachter des Medizinischen Dienstes: Er hat konkrete Unterlagen zur Verfügung, die ihm bei der richtigen Einstufung helfen können. Eine Mitnahme des Pflegetagebuchs in Kopie durch den Gutachter ist sinnvoll.
  • Die Pflegekassen: Die Mitarbeiter der Pflegekassen haben dann eine Dokument, auf Grund dessen sie ohne weitere Begutachtung beispielsweise eine Höherstufung bewilligen können. Außerdem können sie die vom MDK-Gutachter ermittelten Zeiten und die Zeiten des Pflegetagebuchs vergleichen und die Einschätzung des Gutachters überprüfen.

Wie kann ein Pflegetagebuch aufgebaut sein?

Die Pflegetagebücher enthalten meist Formulare für eine Woche, also sieben Tage. Dieser Dokumentationszeitraum reicht für gewöhnlich aus, um die Pflegezeiten zu erfassen. Eine Woche ist aber mindestens nötig, da dann auch bestimmte Verrichtungen, die nur ein- oder zweimal in der Woche anfallen, dokumentiert werden können. Dies sind beispielsweise Arztbesuche oder das Baden des Pflegebedürftigen.

Pflegetagebücher sind häufig in vier Zeitabschnitte (morgens, vormittags, abends und nachts) aufgeteilt. In ihnen wird die benötige Versorgungszeit pro Teilverrichtung eingetragen.

Manchmal soll auch die Art der Hilfestellung, also eine vollständige oder teilweise Übernahme, Unterstützung, Beaufsichtigung oder Anleitung, mitdokumentiert werden. Damit lassen sich auch längere Pflegezeiten begründen, da eine aktivierende Pflege wesentlich länger dauern kann.

Zu bevorzugen sind auch solche Formulare, in denen die Häufigkeit der einzelnen Verrichtungen mit Uhrzeit eingetragen werden können und nicht nur die Gesamtdauer pro Zeitabschnitt. Denn auch die Angabe der Häufigkeit benötigt der MDK-Gutachter für die konkrete Ermittlung des Pflegebedarfs. Außerdem muss man sich bei dieser Aufzeichnungsmethode die einzelnen Zeit nicht merken, sondern schreibt sie gleich nieder und vergisst sie auch nicht.

Die einzelnen Schritte erfassen und dokumentieren

Wichtig ist es, bei der Dokumentation alle Teilschritte genau aufzulisten und so zu korrekten Zeitangaben zu kommen:

Dies mag ein Beispiel verdeutlichen: Frau Meier benötigt Hilfe beim Aufstehen, beim Gehen und beim Toilettengang. Folgende Teilschritte, für die Zeitkorridore vorhanden sind, müssen dabei berücksichtigt werden: Hilfe beim Aufstehen und Gehen, Wasserlassen, Wechseln der kleinen Vorlage, Richten der Bekleidung, Teilwäsche Hände und Hilfe beim Gehen und wieder Hinsetzen. Diese einzelnen Hilfeleistungen benötigt Frau Meier bis zu sechsmal täglich, da sie unter einer Harninkontinenz leidet.

Die „unbewussten“ Leistungen der Pflegepersonen

Gerade wenn man einen nahen Angehörigen pflegt und schon lange mit ihm zusammenwohnt, sind einem die täglichen vielen kleinen Handgriffe nicht bewusst, die man für ihn übernommen hat. Häufig aber gehen auch diese Handgriffe in die Zeitberechnung für die Einteilung in die Pflegestufen ein.

In diesem Fall muss man sich immer fragen, was wäre, wenn man nicht da wäre. Unter diesen Voraussetzungen muss man sich den ganzen Tagesablauf einmal verdeutlichen.

Hier einige Beispiele für Verrichtungen, die „so nebenbei“ übernommen werden:

  • das Helfen beim Aufstehen aus dem Bett,
  • das selbstverständliche Abräumen des Tisches,
  • das kurze Helfen beim Aufstehen oder Hinsetzen,
  • das Heraussuchen der Kleidung,
  • das Öffnen und Zuschrauben von Gläsern (Marmelade) für das Frühstück,
  • das Zurechtschneiden des Frühstücksbrotes,
  • das Geben der Zahnpasta auf die Zahnbürste,
  • das Öffnen von Knöpfen oder Reisverschlüssen oder Binden der Schuhe,
  • das Helfen beim Rückenwaschen usw.

Man muss auch daran denken, was alles passiert, allein dadurch, dass die Pflegeperson anwesend ist.

Beispiel: Frau Müller kümmert sich um ihren pflegebedürftigen Mann. Mehrmals täglich ermuntert sie ihn, etwas zu trinken. Wäre sie nicht anwesend, würde er nichts trinken. Außerdem isst er nur etwas, wenn sie mit ihm speist.

Weitere Tipps für das Führen eines Pflegetagebuchs

Stehen in einem Pflegetagebuch immer ganz exakt über eine Woche dieselben Zeiten, dieselbe Zeitdauer und die gleiche Häufigkeit, beispielsweise 7:00 – 7.05 Uhr, 10.00 – 10.05 Uhr, 14:00 – 14.05 Uhr Toilettengang, so entsteht leicht der Eindruck, es wurde nur ein Tag dokumentiert und dann für die anderen Tage übernommen.

Wenn man sich die Mühe macht, ein Pflegetagebuch zu führen, sollten die angegebenen Zeiten auch die tatsächlichen Verhältnisse widerspiegeln.

med. Redaktion Dr. med. Werner Kellner
Aktualisierung 09.05.2011