Wodurch wird eine Meningokokken-Erkrankung ausgelöst? Wie kann man sich anstecken?
Meningokokken (hier: Neisseria meningitidis) sind gramnegative Bakterien, die immer zu zweien gruppiert auftreten (Diplokokken) und von einer Polysaccharidkapsel (= Kapsel aus einem Zucker mit hoher Dichte) umgeben sind. Die Keime können verschiedene Krankheitsbilder auslösen. Zu denken ist an eine Meningokokken-Sepsis (= Blutvergiftung mit den Bakterien) oder an eine Meningokokken-Meningitis (=Hirnhautentzündung durch die Meningokokken). Beide Krankheitsausprägungen führen zu schweren Krankheitsbildern mit hohen Komplikations- und Todesraten.
Für die Impfstoffherstellung stellt diese Bakterienart eine besondere Herausforderung dar, denn aufgrund ihrer Kapselsubstanz lassen sich mindestens 13 verschiedene Serogruppen unterscheiden. Antikörper gegen eine Gruppe wirken nicht gegen die anderen Gruppen. Wollte man sich gegen alle Gruppen schützen, so müssten 13 verschiedene Impfstoffe entwickelt werden.
Die Bezeichnung der Meningokokken ist ziemlich willkürlich gewählt und folgt nicht streng dem Alphabet. Unterschieden werden die Serogruppen A, B, C, D, E 29, H, I, K, L, W 135, X, Y, Z. Die Mehrzahl der Erkrankungen werden durch die Serogruppen A, B, C und in geringerem Umfang durch die Serogruppen W 135 und Y hervorgerufen. Bis jetzt ist eine Impfung gegen die Serogruppen A, C, W135 und Y möglich.
Heimtückisch ist, dass 10 bis 20 Prozent der Bevölkerung gesunde Träger von Meningokokken sind. Die Keime besiedeln bei diesen Personen den Nasen-Rachen-Raum, ohne Krankheitszeichen hervorzurufen. Über eine Tröpfcheninfektion können diese Personen die Bakterien an ihre Mitmenschen weitergeben. Allerdings ist dazu ein sehr enger Kontakt mit den Sekreten aus dem Nasen-Rachen-Raum des Überträgers notwendig, da die Meningokokken außerhalb des menschlichen Körpers rasch absterben.
Außerdem besteht die Gefahr, dass die zunächst beschwerdelosen Träger der Krankheitskeime selbst erkranken. Dies ist der Fall, wenn die Erreger die Schleimhautbarriere durchbrechen und über das Blut in den Organismus geschwemmt werden. Zu einer Schädigung der Schleimhäute kommt es leicht in der kalten Jahreszeit, wenn die Schleimhäute austrocknen.
Wie kann das Krankheitsbild aussehen? Welche Komplikationen treten auf?
Nach einer Inkubationszeit von durchschnittlich vier Tagen (Extremwerte: ein bis zehn Tage) beginnt eine Meningokokken-Infektion ohne Vorzeichen aus vollständiger Gesundheit heraus.
Folgende Krankheitszeichen sind typisch für eine Meningokokken-Meningitis (= Gehirnhautentzündung):
- plötzlich einsetzendes, hohes Fieber,
- Nackensteifigkeit (das Kinn kann nicht zur Brust bewegt werden),
- Übelkeit und Erbrechen,
- Kopfschmerzen,
- rötliche Hauteinblutungen,
- neurologische Symptome (Reizbarkeit, Schläfrigkeit, Bewusstseinseintrübung, Koma, Krampfanfälle).
Bei Säuglingen kann die Nackensteifigkeit fehlen; zunächst treten vielleicht auch nur Fieber und Erbrechen auf. Die Fontanelle kann hervorstehen oder hart sein.
Bei 10 bis 20 Prozent der Kinder entwickelt sich daraus eine Meningokokken-Sepsis, eine Überschwemmung des Organismus mit den Krankheitskeimen. Setzen sich dabei die Erreger in den Nebennieren fest, spricht man vom Waterhouse-Friedrich-Syndrom, einer schnell und sehr heftig verlaufenden Blutvergiftung. Typisch sind dafür die Hauteinblutungen, Kollapszeichen (Blässe, Erbrechen, Durchfall) und eine gestörte Gerinnung, welche die Einblutungen in die Gewebe (Haut und Nebennieren) bedingt. Durch den Blutverlust kann es schnell zu einer Schocksituation kommen.
Daneben kann die Nackensteifigkeit bestehen bleiben.
Trotz der Behandlungsmöglichkeit mit Antibiotika ist die Komplikationsrate bei einer Meningokokken-Infektion sehr hoch.
Bekannt sind folgende Komplikationen:
- Gelenkentzündung (Arthritis),
- Lungenentzündung (Pneumonie),
- Herzmuskelentzündung (Myokarditis),
- Herzaußenhautentzündung (Perikarditis),
- Blutvergiftung (Sepsis),
- bei 20 Prozent der Betroffenen sind lebenslange Einschränkungen der Lernfähigkeit zu erwarten, sowie Schwerhörigkeit, Krampfanfälle und Störungen des Skelettwachstums mit Knochenschäden und Wasserkopf.
Bei acht Prozent der Betroffenen nimmt die Erkrankung einen tödlichen Ausgang, bei Säuglingen sind es sogar 16 Prozent. Tritt eine Sepsis ein, so sterben die Hälfte der Patienten.
Wie wird behandelt?
Bereits bei Verdacht auf eine Meningokokken-Infektion wird das Antibiotikum Penicillin G gegeben. Je früher die Medikamention einsetzt, umso besser. Bei Allergienen können auch andere verwandte Antibiotika gegeben werden (Cephalosporine).
Auch Kontaktpersonen sollten innerhalb von 24 Stunden mit Rifampicin (Antibiotikum) behandelt werden (viermal im Abstand von 12 Stunden).
Der Betroffene erhält bsp. Rifampicin oder Cefriaxon auch noch, wenn er aus dem Krankenhaus entlassen wird, um alle Keime aus dem Nasen-Rachen-Raum abzutöten. Penicillin selbst unterdrückt die Infektion, „radiert“ die Keime aus dem Nasen-Rachen-Raum aber wahrscheinlich nicht gänzlich aus.
Bei Komplikationen können eine Reihe weiterer therapeutischer Maßnahmen nötig sein. Dazu zählen eine Schocktherapie mit Volumen- und Elektrolytersatz und die Behandlung der Gerinnungsstörungen oder eines Hirnödems.
Wie lange besteht eine Ansteckungsfähigkeit?
Der Patient ist 24 Stunden nach dem Beginn einer erfolgreichen Antibiotikatherapie nicht mehr ansteckend.
Wie verbreitet sind Meningokokken?
Meningokokken sind weltweit verbreitet. Südlich der Sahara – im sogenannten Meningitisgürtel von Afrika (Burkina Faso -> Nigeria ->Tschad ->Äthiopien) – treten Meningokokken-Erkrankungen zwischen März und April epidemieartig auf.
In Ländern mit einem gemäßigten Klima liegt der Krankheitsgipfel in der kalten Jahreszeit. In Deutschland erkranken pro Jahr etwa 1 000 Menschen an Meningokokken, von denen jeder 12. stirbt.
Am häufigsten betroffen sind vor allem Säuglinge und Kleinkinder sowie Jugendliche um das 15. Lebensjahr herum.
Alles „rund“ um die Meningokokken-Impfung
Welche Arten von Impfstoffen gibt es? Bei den Impfstoffen muss man zwischen sogenannten Polysaccharid-Impfstoffen und konjugierten Impfstoffen unterscheiden. Bei Ersteren richten sich die gebildeten Antikörper gegen Polysaccheride (große Zuckermoleküle) in der Zellwand der Bakterien. Nachteil dieser Impfstoffe ist, dass sie nur einen geringen zeitlich begrenzten Schutz aufbauen.
Daher beschritt man gegen Ende des 20. Jahrhunderts einen weiteren Weg der Impfstoffherstellung und versuchte die Antikörperantwort durch Zusatz eines gezielt ausgesuchten Eiweißes zu steigern. Dies gelang als Erstes im Fall der Meningokokken vom Serotyp C. Ein so erzeugter Impfstoff wird als Konjugatimpfstoff bezeichnet.
Welche Impfstoffe sind verfügbar?: In Deutschland existiert ein Polysaccharid-Impfstoff gegen die Meningokokken der Serogruppen A und C bzw. A, C, W135 und Y. In den USA zusätzlich ein konjugierter Impfstoff gegen die Serogruppen A, C, W 135 und Y, der für alle Jugendlichen zwischen 11 und 18 Jahren und bestimmte Risikogruppen empfohlen wird. In Europa steht zudem ein konjugierter Impfstoff für die Serogruppe C zur Verfügung.
Impfempfehlung, Impfhäufigkeit: Seit Juli 2006 empfiehlt die STIKO (Ständige Impfkommission) eine einmalige Impfung mit dem konjugierten Meningokokken-C-Impfstoff für alle Kinder ab Beginn des zweiten Lebensjahres. Alle älteren Impflinge werden mit dem Polysaccharid-Impfstoff (wird langfristig wahrscheinlich durch den entsprechenden Konjugatimpstoff ersetzt) geimpft.
Impfungen sollten vor allem bei folgenden Personengruppen durchgeführt werden:
- bei gesundheitlich gefährdetet Personen: Dazu zählen Menschen mit einem angeborenen oder erworbenen Immundefekt oder bei fehlender Milz (Asplenie).
- bei Laborpersonal, das möglicherweise entsprechenden Bakterien-Aerosolen ausgesetzt sein kann.
- bei Reisenden mit entsprechenden Zielen (Afrika, Vorderasien, Lateinamerika), wenn es zu engen Kontakten mit der einheimischen Bevölkerung kommt, bsp. bei Entwicklungshelfern.
- bei Schülern und Studenten mit Langzeitaufenthalten in Ländern, in denen die Impfung allgemein empfohlen wird,
- bei Epidemien. Hier können auch erst Antibiotika (bsp. Rifampicin) zum Einsatz gelangen, da der Impfstoff nicht sofort wirkt.
Impfreaktionen: Es treten Rötung, Schmerzen und Schwellung an der Impfstelle auf; selten lassen sich Temperaturerhöhung, Mattigkeit sowie Kopf- und Gliederschmerzen feststellen. Beim Konjugat-C-Impfstoff wurde auf 500 000 Impfstoffdosen eine schwere allergische Reaktion bekannt.
Kontraindikationen: Nicht geimpft werden sollte bei akuten Erkrankungen.
med. Redaktion Dr. med. Werner Kellner
Aktualisierung 30.10.2009