Infektionskrankheiten

Unser ganzes Leben – manchmal schon im Mutterleib – sind wir Infektionskrankheiten ausgesetzt. Es gibt wohl keinen Menschen, der nicht schon einmal eine solche Erkrankung durchgemacht hat, sei es als harmlose Durchfallerkrankung oder in Form einer Erkältung. Von einer Infektion spricht man, wenn Mikroorganismen in einen Wirtsorganismus eindringen, sich dort festsetzen und sich vermehren. Je nach Pathogenität, das heißt der Fähigkeit des Keims krank zu machen, und der Infektanfälligkeit des Makroorganismus (Mensch, Tier, Pflanze) kann es zu einer Infektionskrankheit kommen.

Zu den Krankheitserregern gehören Viren, Bakterien, Pilze, tierische Einzeller und Parasiten. Die meisten Erkrankungen im Kindesalter werden von Viren und Bakterien hervorgerufen. Sie sind gänzlich verschiedene „Lebewesen“, deren Erkrankungen auf unterschiedliche Weise therapiert werden müssen.

Viren sind 200 bis 300 nm große Partikel (kleiner als eine Zelle), die aus einem Nukleinsäurekern und einer Lipoproteinmembran bestehen. Sie verfügen über keinen eigenen Stoffwechsel, sondern „zwingen“ nach der Injektion ihres Erbmaterials (DNA, RNA) in eine Wirtszelle die Zelle dazu, viele identische Kopien ihrer selbst (des Virus) herzustellen und diese dann unter Zerstörung der Wirtszelle freizusetzen. Die neuen Viren befallen dann wieder neue Zellen.

Dieser Vermehrungszyklus macht Viren für Antibiotika unempfindlich, da sie sich in der Vermehrungsphase in den menschlichen Zellen befinden und dabei keine Angriffspunkte bieten. Virusinfektionen führen aber zur Bildung spezifischer Antikörper. Durch Impfung mit abgeschwächten Viren oder Virenteilen, die für die Immunantwort wichtig sind, werden Antikörper gegen das geimpfte Virus gebildet. Eine Infektion mit dem Keim führt zu einem sehr abgeschwächten Krankheitsbild oder die Erkrankung bleibt aus.

Wir sind immun. Nur zur Therapie ausgewählter Viruserkrankungen werden virostatisch wirkende Substanzen und Inteferone eingesetzt. Bakterien sind Prokaryonten und circa 200 bis 2000 nm groß (bis zur Größe einer Zelle). Sie sind einzellige Lebewesen und verfügen über einen eigenen Stoffwechsel. Während ihrer Vermehrungsphase (sehr schnelle Zellteilung) können Antibiotika auf vielfältigste Weise ihre Zellteilung stören. Da sie über Zellbestandteile verfügen, die bei Menschen in anderer Ausprägung vorhanden sind (zum Beispiel Ribosomen), stören die Antibiotika die Vermehrung der Bakterien spezifisch und bringen sie zum erliegen.

Es gibt sogar Parasiten, die sowohl eine viral bedingte, wie auch eine bakteriell verursachte Infektion übertragen. Ein Beispiel dafür sind die Zecken. Sie infizieren sowohl mit FSME-Viren, den Erregern der Frühsommer-Meningo-enzephalitis, und dem Bakterium Borrelia burgdorferi, dem Verursacher der Borreliose (mehr Informationen dazu auch im Kapitel parasitäre Erkrankungen bei Kindern).

Pilze und tierische Einzeller (Protozoen) sind Eukaryonten (>2000nm). Pilze sind vielzellig organisierte Organismen und stellen neben den Tieren und Pflanzen ein eigenes Reich dar. Die der Fortpflanzung dienenden Formen und Mechanismen sind außerordentlich mannigfaltig und Grundlage zur Klassifikation der Pilze. Für den menschlichen Organismus sind Pilze meist nur bei örtlicher oder allgemeiner Vorschädigung bzw. Abwehrschwäche pathogen (Nosoparasiten).

Sie verursachen so genannte Mykosen. Im Kindesalter ist die Infektion mit dem Hefepilz Candida albicans von Bedeutung. Er ist der Erreger des Mund-, Darm- und Windelsoors. Die Behandlung erfolgt mit Antimycotika (lokal Nystatin, systemisch Imidazolderivate oder Amphotericin B).

Die Protozoen (tierische Einzeller) zeichnen sich durch ihre Größe, und durch eine höher entwickelte Zellorganisation aus. Die Fortpflanzung geschieht ungeschlechtlich oder geschlechtlich. Manchmal machen sie einen komplizierten Entwicklungszyklus mit Wirtwechsel durch. Sie sind vor allem in den Tropen und Subtropen gefährliche Krankheitserreger (Plasmodien -> Malariaerreger). Weltweit verbreitet ist Toxoplasma gondii, der Erreger der Toxoplasmose.

Für das Ungeborene stellt eine erstmalige (primäre) Infektion der Mutter mit diesem Erreger in der Schwangerschaft eine Gefahr dar. Der Erreger kann auf das Kind übertragen werden und es schwer schädigen (mehr Informationen dazu auch im Schwangerschaftsportal Infektionen und Schwangerschaft). Zur Behandlung von Protozoonosen gibt es Protozoenmittel (beispielsweise Chloroquin, Metronidazol, Pyrimethamin).

Dank zweier wissenschaftlicher Errungenschaften – den Antibiotika (Alexander Flemming 1928 -> Penicillin) und den Impfungen (Edward Jenner 1796 -> Pocken) – kann vielen, früher tödlich verlaufenden Infektionskrankheiten der Schrecken genommen werden. Scharlach, eine bakterielle Infektionskrankheit, war früher, vor Entdeckung des Penicillins, eine der häufigsten Todesursachen im Kindesalter. Auch die Kinderlähmung (Polio) oder Masern waren früher schwere Erkrankungen mit Todesfolge oder schweren bleibenden Schäden. Ihnen kann heute durch Impfungen prophylaktisch begegnet werden.

Natürlich heilen viele Infektionskrankheiten auch ohne therapeutische Maßnahmen nach einer bestimmten Zeit ohne Folgen aus. Es gibt aber immer noch Infektionskrankheiten, die auch heute noch nicht heilbar sind oder die zum Ausheilen Medikamente sowie systemischer Unterstützung, wie Bettruhe, reichlich Flüssigkeitszufuhr und Vitamine, bedürfen. Einige Infektionskrankheiten brauchen oft auch eine lebenslange, intensive Begleittherapie.

Als eine Sonderform der Infektionskrankheiten können die so genannten Kinderkrankheiten gesehen werden. Natürlich sind alle Erkrankungen im Kindesalter Kinderkrankheiten. Enger definiert, sind damit jedoch typische Erkrankungen dieser Lebensphase gemeint, die mit einem Hautausschlag (Exanthem) einhergehen. Darunter fallen Masern, Röteln, Windpocken, Scharlach und das Drei-Tage-Fieber. Ihren Altersgipfel in diesem Lebensabschnitt haben auch Mumps und die Kinderlähmung.

Im Zusammenhang mit Infektionskrankheiten fallen viele spezifische Begriffe, die hier kurz erläutert werden.

Eine Infektionskrankheit ist durch verschiedene Merkmale charakterisiert. Es wird unterschieden nach:

  • Verlauf: Die Einteilung erfolgt nach Auftreten der Krankheitszeichen in eine stumme, abortive oder manifeste Infektion, dass heißt die Infektion tritt auf ohne, mit leichten oder mit ausgeprägten Symptomen.
  • Eintrittspforte des Erregers: Der Mikroorganismus tritt parenteral oder perkutan (über die Haut), permukös (über die Schleimhäute) ->Inhaltionsinfektionen, enteral (über den Darm) oder über eine Wunde ein.
  • Übertragbarkeit des Erregers: Die Keime werden direkt von Mensch zu Mensch, zum Beispiel als Tröpfcheninfektion (Scharlach, Masern, Windpocken, Keuchhusten), Kontaktinfektion als fäkal-orale Schmierinfektion (Polio) oder diaplazentar (auf dem Weg über den Mutterkuchen) (Röteln, Toxoplasmose) übertragen. Es gibt auch Infektionswege über Zwischenwirte oder Zwischenträger.
  • Zeitlichem Ablauf der Krankheitserscheinungen: Hier wird unterschieden in foudroyant (schneller Beginn, schwerster Verlauf, oft tödlich), akut (plötzlicher Beginn, fieberhafter Verlauf über Tage), chronisch (allmählicher Beginn, leicht fieberhafter Verlauf über Wochen, Monate und Jahre), rezidivierend (wiederholt auftretend), latent (symptomlose Phasen über Monate bis Jahre).