Hodenhochstand

Bei einem Hodenhochstand befinden sich ein oder beide Hoden nicht im Hodensack. Es handelt sich um eine angeborene Entwicklungsverzögerung. Man spricht bei einem Hodenhochstand auch von Kryptorchismus, was soviel wie verborgener Hoden bedeutet. Ein weiterer Fachausdruck ist Retentio testis. Er lautet übersetzt „Zurückbleiben des Hodens“. Der Hodenhochstand kommt bei circa 3% der männlichen Neugeborenen vor. Frühgeburten sind häufiger betroffen. Da jedoch in den ersten Lebensmonaten die Hoden noch spontan in den Hodensack wandern, besteht am Ende des 1. Lebensjahres nur noch bei 0,8% aller Jungen ein Hodenhochstand.

Normalerweise wandern die Hoden des männlichen Embryos bereits zu Beginn des dritten Schwangerschaftsmonats aus der Leistengegend nach unten. Die Hoden bewegen sich dabei entlang zweier fingerförmiger Ausstülpungen des Bauchfells. Im siebten Schwangerschaftsmonat durchwandern sie den Leistenkanal, bei der Geburt sollten sie dann im Hoden tastbar sein.

Die Ursache für den Hodenhochstand lässt sich in vielen Fällen nicht eindeutig bestimmen. Bei einigen Jungen sind anatomische Hindernisse die Ursache: Hier bleibt der Hoden auf seiner Wanderung aus der Bauchhöhle im Leistenkanal stecken. In einigen Fällen kann auch eine Störung des hormonellen Regelkreises vorliegen. Eine unzureichende Ausschüttung des Hormons Gonadotropin kann dann für den Hodenhochstand verantwortlich sein.

Das Krankheitsbild bei einem Hodenhochstand stellt sich folgendermaßen dar: Wie bereits erwähnt, befindet sich nur ein oder gar kein Hoden im Hodensack. Diese Entwicklungsstörung verursacht zunächst keine weiteren Beschwerden und ist nicht schmerzhaft. Man unterscheidet grob drei Formen des Hodenhochstandes:

  • Bauchhoden: Der Hoden liegt im Bauchraum und ist deshalb auch nicht tastbar.
  • Leistenhoden: Der Hoden liegt im Bereich des Leistenkanals und ist dort in der Regel tastbar.
  • Hodenektopie: Hierbei befindet sich der Hoden in einer atypischen (ektopen) Lage. Er ist außerhalb des Bereichs, in dem er normalerweise liegt oder wandert. Dies kann zum Beispiel im Unterhautfettgewebe des Oberschenkels oder des Damms sein.

Sonderformen sind so genannte Pendel- und Gleithoden: Die Hoden sind dabei im Bereich ihres Wanderweges zwischen dem Leistenkanal und dem Hodensack beweglich (Testis mobilis). Bei einem Pendelhoden handelt es sich um eine Normvariante. Der üblicherweise im Hodensack liegende Hoden steigt gelegentlich in den Leistenkanal auf, gleitet aber auch von selbst wieder zurück. Dies ist zum Beispiel bei einem Kältereiz der Fall. Der Hodensack zieht sich zusammen und die beiden Hoden werden kurzzeitig in den Leistenkanal gezogen.

Bei einem Gleithoden lässt sich der Hoden in den Hodensack herab schieben, er gleitet aber aufgrund eines zu kurzen Gefäßstranges nach dem Loslassen wieder in den Leistenkanal zurück. Diese Sonderform ist daher behandlungsbedürftig.

Die Diagnose „Hodenhochstand“ wird von einem Kinderarzt bereits bei der Neugeborenenuntersuchung (U1) unmittelbar nach der Geburt festgestellt. Ist der Hodensack leer, so tastet der Kinderarzt den Bauchraum und die Leistenregion des kleinen Patienten ab. Bei einem auffälligen Befund wird die Untersuchung bereits im dritten Lebensmonat wiederholt. Bis zu diesem Zeitpunkt wandern die Hoden oft noch von selbst in den Hodensack.

Die Suche nach einem atypisch gelegenen Hoden kann sich schwierig gestalten. Ist kein Hoden tastbar, so muss eine Ultraschalluntersuchung durchgeführt werden, eventuell eine Computertomografie. Sind mit diesen Untersuchungsmethoden die Hoden nicht auffindbar, so kann ein Hormontest klären, ob überhaupt Hoden entwickelt sind.

Die möglichen Folgen eines Hodenhochstands sind folgende:

  • Unfruchtbarkeit: Die richtige Lage des Hodens im Hodensack ist Voraussetzung für die normale Reifung der Keimzellen und damit für die spätere Spermienbildung. Die Spermienproduktion erfolgt optimal nur bei 35ºC. Die Temperatur liegt nur knapp unter der normalen Körpertemperatur. Bleibt der Hoden zu lange im Bauchraum, kommt es durch die dort herrschende höhere Temperatur zu einer Schädigung des Spermien bildenden Gewebes. Je länger die Hoden im Körperinneren verweilen, desto größer ist der Schaden. Bei einseitigem Hodenhochstand ist in 30% der Fälle mit Zeugungsunfähigkeit zu rechnen. Sind beide Hoden betroffen, führt dies sogar in 70% der Fälle zu Unfruchtbarkeit.
  • Erhöhtes Krebsrisiko: Wird der Hodenhochstand nicht behandelt, so haben die Patienten später ein um das Fünffache erhöhtes Risiko, an einem bösartigen Hodentumor zu erkranken. Dabei gilt grundsätzlich: Je höher die Hoden liegen, umso größer ist das Risiko.

Mit einer Behandlung des Hodenhochstands sollte bis zum Abschluss des ersten Lebensjahres begonnen werden, damit die Zeugungsfähigkeit des Jungen erhalten bleibt.

In der Regel wird ein Hodenhochstand mit Hormonen behandelt. Diese Therapieform beruht auf der Feststellung, dass Kinder mit Kryptorchismus oft auch erniedrigte Hormonspiegel (Gonadotropinspiegel) haben. Die Hormontherapie bewirkt in 40 bis 75% der Fälle ein Herunterwandern der Hoden. Es gibt zwei Arten der Therapie:

  • Das Hormon GnRH (Gonadotropin-Releasing-Hormon) wird in die Nase gesprüht und dort über die Schleimhaut aufgenommen. Der Therapiezeitraum beträgt ungefähr vier Wochen. GnRH bewirkt in der Hirnanhangdrüse die Freisetzung von LH (luteinisierendes Hormon), das seinerseits die Geschlechtsorgane beeinflusst.
  • Führt die Gabe von GnRH nicht zum gewünschten Erfolg, wird humanes Choriongonadotropin (HCG) über einen Zeitraum von vier Wochen verabreicht. Diese Substanz wirkt ebenfalls über LH (luteinisierendes Hormon) auf die Hoden.

Zeigt die Hormontherapie keinen Erfolg, so sollte eine chirurgische Behandlung erfolgen. Dabei wird der Hoden operativ in den Hodensack verlagert und dort fixiert. Die Behandlung des Hodenhochstands sollte möglichst bis zum vollendeten zweiten Lebensjahr abgeschlossen sein.

Jährliche Nachkontrollen sind, sowohl nach einer erfolgreichen hormonellen Therapie als auch nach einer chirurgischen Behandlung, bis zur Pubertät erforderlich.