Lymphödem (engl. lymphendema) Bei einem Lymphödem handelt es sich um eine schmerzlose, tastbare Schwellung eines Körperteils, die auf einer Flüssigkeitsansammlung beruht. Im Krankheitsverlauf kann sich das betreffende Bindegewebe zunehmend verhärten. Vor allem an Armen und Beinen kommt diese Schwellung vor. Hervorgerufen wird das Lymphödem durch einen gestörten Lymphabfluss. Die Ursachen sind angeborene oder später erworbene Störungen. Es wird zwischen einem primären Lymphödem, bei dem die Lymphbahnen von Geburt an fehlerhaft angelegt sind, und einem sekundären Lymphödem unterschieden. Letzteres ist beispielsweise auf Operationen, Infektionen oder Tumorbestrahlungen zurückführbar. Genaue statistische Angaben zum Auftreten eines Lymphödems liegen nicht vor. Frauen erkranken im Vergleich zu Männern aber öfter.
Grundsätzliches zum Lymphsystem
Das Lymphsystem stellt einen Art Abwasserkanal des Körpers dar. Es besteht aus dünnwandigen Lymphbahnen, Lymphknoten und Sammelbahnen und transportiert aus allen Körperbereichen Stoffe ab, die sich im Gewebe sammeln. Die Lymphe, also die Flüssigkeit in den Lymphbahnen, entsteht durch Austritt von Blutplasma aus den Blutkapillaren in das Körpergewebe (ca. 0,1 Liter/Stunde). Im Blutplasma sind Nährstoffe gelöst und die Gewebezellen nehmen auf, was sie brauchen. Ein Teil der „Lösung“ bleibt jedoch im Raum zwischen den Zellen zurück und kann nicht wieder von den Blutkapillaren aufgenommen werden. Dies liegt auch daran, dass viele Stoffe einfach zu groß sind. Dabei muss man an langkettige Fette (Darm!), Eiweißmoleküle und auch Immunzellen denken, die über das Lymphsystem zwischen Blut und Lymphknoten zirkulieren. Ab einem gewissen Druck im Zellzwischenraum öffnen sich die winzigen Ästchen der Lymphgefäße und nehmen die Lymphe auf. Nach und nach vereinigen sich die kleinen Gefäße zu immer größeren Lymphbahnen. In ihnen wird die Lymphe aktiv mit Hilfe von aneinander gereihten „Lymphherzchen“ vorwärts gepumpt (nur wenige „Schläge“ pro Minute). Der Rückfluss der Lymphe wird durch Klappen – ähnlich den Venenklappen – verhindert. Auf ihrem weiteren Weg passiert die Lymphe die Lymphknoten, die wie biologische Filter fungieren und Bakterien, Viren und andere Fremdkörper unschädlich machen. Im Bereich des oberen Brustkorbs münden die großen Lymphgefäße dann in das Venensystem und damit in den Blutkreislauf.
Ursachen
Die Ursache für das Lymphödem ist stets eine Ansammlung von Lymphe im Gewebe; entweder passiert dies, weil zu viel Flüssigkeit in den Zellzwischenraum eindringt, so dass die Transportkapazität der Lymphgefäße überschritten ist; oder weil der Abtransport der Lymphe gestört ist und es zu einem Rückstau ins Gewebe kommt.
Formen des Lymphödems
Es werden primäre und sekundäre Formen unterschieden: Ein primäres Lymphödem beruht auf einem vererbbaren Defekt. Die Lymphbahnen sind von Geburt an nicht richtig ausgebildet. Die Ödeme treten häufig auf beiden Seiten an den Beinen oder Unterschenkeln auf. Beim sogenannten hereditären Lymphödem vom Typ I (Nonne-Milroy-Syndrom) können die Schwellungen bereits von Geburt an beobachtet werden. Beim hereditären Lymphödem vom Typ II (Meige-Syndrom) zeigt sich die fehlerhafte Veranlagung meist erst in der Pubertät. Die Ursachen für sekundäre Lymphödeme sind beispielsweise Tumoren (gut- oder bösartig), welche den Lymphabfluss behindern. Aber auch Verletzungen der Lymphbahnen, Infektionen oder Operationen können zu dieser Form des Lymphödems führen. Bekannt ist das Lymphödem im Arm- und Schulterbereich, das nach einer Brustkrebsoperation auftritt, bei der Lymphknoten aus der Achselhöhle entfernt werden mussten und Lymphbahnen zerschnitten wurden. Auch eine akute Entzündung der Lymphbahnen (Lymphangitis) oder eine Wundrose können ein sekundäres Lymphödem verursachen. Eine in kühleren Regionen selten anzutreffende Ursache sind Fadenwürmer, die sich im Lymphsystem einnisten, dort jahrelang leben und gigantische Schwellungen hervorrufen können. Man spricht dann von einer Elephantiasis.
Symptome
Die Lymphödeme zeigen sich als schmerzlose Schwellungen. Betroffen können ein Arm oder ein Bein, aber auch mehrere Gliedmaßen, die Genitalien, der Bauch und sogar das Gesicht sein. Allein aufgrund des Aussehens und der Entwicklung des Ödems kann in ein primäres und sekundäres unterschieden werden. Beim primären Lymphödem befindet sich die Schwellung am Ende der Gliedmaßen und zudem sind beide Gliedmaßen zugleich betroffen. Außerdem breitet es sich im Krankheitsverlauf von den Zehen oder Fußrücken in Richtung Oberschenkel aus. Das sekundäre Lymphödem befindet sich eher in Rumpfnähe und tritt fast immer einseitig auf. Zudem hat es die Ausbreitungstendenz von der Leiste oder der Achsel nach unten zu wandern. Fatal bei einem Lymphödem ist, dass sich nicht nur Wasser, sondern auch Eiweiß in der Ödemflüssigkeit befindet. Dieses kann einen chronischen Entzündungsprozess in Gang setzten. Dadurch vermehrt und verhärtet sich das Bindegewebe. Eine weitere Folge ist, dass bei einer Blockade der Lymphwege die Immunzellen nicht mehr richtig zwischen den Lymphknoten und dem Blut zirkulieren können. Die Filterfunktion der Lymphknoten ist blockiert und die lokale Immunabwehr funktioniert nicht mehr richtig. Dadurch kann es zu bakteriellen Entzündungen der Haut kommen, welche die Lymphbahnen noch stärker schädigen.
Diagnose
Aufgrund der Krankengeschichte und der körperlichen Untersuchung kann meist schon eine (vorläufige) Diagnose gestellt werden. Lässt sich die genaue Ursache eines sekundären Lymphödems nicht feststellen, so kommen weitere Untersuchungsmethoden zum Einsatz. Zu denken sind hier an Ultraschall, Blutuntersuchungen, Röntgen und eine Lymphabflussszintigrafie. Hierbei werden die Lymphbahnen durch eine radioaktive Flüssigkeit, die gespritzt wird, dargestellt. Man beurteilt so den Verlauf und das Aussehen der Lymphbahnen in einem bestimmten Körperabschnitt.
Behandlung
Das Therapiekonzept zur Behandlung eines Lymphödems besteht aus fünf Komponenten. Es wird als komplexe physikalische Entstauungstherapie bezeichnet. Teile dieses Programms sind jedoch für bestimmte sekundäre Lymphödeme (bösartige Krebstumoren) nicht geeignet. Bei den sekundären Lymphödemen steht zusätzlich noch die Behandlung der Grunderkrankung im Vordergrund. Die Punkte der komplexen physikalischen Entstauungstherapie lassen sich folgendermaßen zusammenfassen:
- sorgfältige Haut- und Fußpflege, um Einrisse und Verletzungen und nachfolgende Infektionen zu vermeiden;
- manuelle Lymphdrainage: Mit kreisenden Fingerbewegungen und speziellen Handgriffen wird die Gewebeflüssigkeit zu den Lymphknoten transportiert (nicht bei Tumoren anwenden!!);
- Hochlagern des betreffenden Körperteils in Ruhephasen;
- Kompressionstherapie mit Hilfe von speziellen Verbänden, Kompressionsstrümpfe oder pneumatische Kompression (= mechanisches „Auspressen“ der Gliedmaßen durch wechselnd aufpumpbare Manschetten);
- entstauende Bewegungstherapie mit Hilfe von gymnastischen Übungen.
Weitere Therapiemöglichkeiten können aber auch entwässernde Medikamente, sogenannte Diuretika sein, die aber nicht langfristig angewendet werden sollten. Treten immer wieder Hautentzündungen auf, so kann eine antibiotische Therapie helfen. Eine chirurgische Wiederherstellung von Lymphgefäßen wird in Einzelfällen erwogen.
Verlauf
Ohne adäquate Behandlung verschlechtern sich die Lymphödeme häufig. Bei einem ungünstigen Verlauf kommt es meist zu Hautirritationen. Die betroffenen Stellen sind gereizt und entzündet. Zudem sind Ekzeme möglich. Schlimmstenfalls entsteht ein Geschwür und die tiefer liegenden Hautschichten werden zerstört. Bei den primären Formen des Lymphödems ist meist keine vollständige Heilung möglich. Bei den sekundären Formen richtet sich die Prognose nach dem zugrunde liegenden Leiden. Kann dieses effektiv behandelt und beseitigt werden, so besteht die Möglichkeit, dass sich auch das Lymphödem zurückbildet.
med. Redaktion Dr. med. Werner KellnerAktualisierung 19.06.2008