Blinddarmentzündung (Appendizitis) bei Kindern
Bei einer Blinddarmentzündung ist nicht der Blinddarm (Coecum) selbst entzündet, sondern der etwa acht Zentimeter lange Wurmfortsatz (Appendix vermiformis). Er ist ein kleines Anhangsgebilde des Blinddarms. Der Blinddarm befindet sich am Übergang vom Dünn- zum Dickdarm. Der Appendix hat nur einen Eingang aber keinen Ausgang und enthält viele Lymphknoten. Diese anatomischen Verhältnisse erklären unter anderem seine Entzündungsneigung.
Eine Blinddarmentzündung (Appendizitis) kann in jedem Alter vorkommen, jedoch erkranken 70 Prozent der Betroffenen zwischen dem 5. und 30. Lebensjahr, mit einem Häufigkeitsmaximum zwischen 10. und 15. Lebensjahr. Bei Kindern unter zwei Jahren tritt die „Wurmfortsatzentzündung“ eher selten auf. Jungen und Männer leiden häufiger an der Entzündung als Mädchen und Frauen.
Die Ursache der Entzündung kann oft nicht eindeutig geklärt werden. Die Infektion wird begünstigt durch Stauung des Wurmfortsatzinhalts. Dies geschieht zum Beispiel bei einer Abknickung des Appendix. Weitere häufige Entzündungsursachen sind die Verstopfung des Wurmfortsatzes mit Kotsteinen oder Darminfekte. Da er quasi eine Sackgasse darstellt, können sich leicht Speisereste dort ansammeln. Sie können auch zu einer Entzündung führen. Weitere – eher seltene Gründe – für die Erkrankung sind Wurmbefall (beispielsweise Madenwürmer), Fremdkörper (etwa Kirschkerne) oder Tumore.
Das Krankheitsbild stellt sich folgendermaßen dar. Zunächst treten starke Bauchschmerzen auf. Die krampfartigen Bauchschmerzen beginnen häufig im Bereich des Nabels und/oder des Oberbauchs und manifestieren sich dann im rechten Unterbauch. Charakteristisch ist eine Schmerzsteigerung beim Hüpfen auf dem rechten Bein. Außerdem nehmen die Schmerzen beim Niesen oder Husten zu. Zu Beginn der Erkrankung ist der ganze Bauchraum druckempfindlich und die Bauchdecke ist angespannt. Stunden später kommt es zum so genannten „Loslass-Schmerz“ im rechten Unterbauch. Es handelt sich um vermehrte Schmerzen beim Eindrücken und Loslassen der Bauchdecke. Ist der Schmerz nach einigen Stunden plötzlich nicht mehr vorhanden und der Bauch wieder weich, besteht der Verdacht auf eine akute Perforation des Wurmfortsatzes (siehe unter Komplikationen). Bald verstärken sich die Schmerzen jedoch wieder.
Weitere Symptome einer Blinddarmentzündung können Appetitlosigkeit, Übelkeit, grünliches Erbrechen sowie Verstopfung oder Durchfall sein. Diese Symptome täuschen einen Magen-Darm-Katarrh vor. Ein weiteres Krankheitszeichen ist mäßiges Fieber bis 38,5º C. Charakteristisch ist der Unterschied von über 1º C zwischen der gemessenen Temperatur unter den Achseln und im Enddarm. Die Erkrankten sind oft sehr blass und haben ein schweißbedecktes Gesicht, die Zunge ist belegt.
Sie sollten Ihren Arzt bei allen akuten oder unklaren Bauchschmerzen zu Rate ziehen, die länger als zwei Stunden andauern. Gehen Sie sofort zu Ihrem behandelnden Arzt oder in die nächste Klinik, wenn ihr Kind ganz plötzlich kolikartige Bauchschmerzen hat und sich spontan mit angezogenen Beinen auf die rechte Seite legt.
Der behandelnde Mediziner wird folgendermaßen vorgehen:
- Anhand der Schmerzempfindlichkeit bei der Tastuntersuchung von verschiedenen Stellen (McBurney-Punkt, Lanz-Punkt, Blumberg-Zeichen -> Loslass-Schmerz usw.) des Bauches wird er die Diagnose sichern.
- Die Körpertemperatur wird gemessen (rektal und axillar -> Differenz größer 1º C).
- Das Blut wird untersucht. Erhöhte Leukozytenwerte (weiße Blutkörperchen) und weitere Entzündungsparameter lassen auf eine mögliche Blinddarmentzündung schließen.
- Ein vorsichtiges Abtasten des Enddarms (digito-rektale Untersuchung) ist obligat.
- Ein Ultraschall des Bauchraums kann bei der Diagnoseerhärtung hilfreich sein.
Steht die Diagnose akute Blinddarmentzündung fest, wird ihr Arzt ihr Kind schnellstmöglich in ein Krankenhaus überweisen. Die Behandlung besteht darin, den Wurmfortsatz – meist noch am selben Tag – operativ zu entfernen (Appendektomie). Das schnelle Handeln erklärt sich aufgrund der gefürchteten Komplikation eines Blinddarmdurchbruchs (Perforation) mit lebensgefährlicher Bauchfellentzündung. Die Operation (OP) erfolgt unter Vollnarkose, wird heutzutage als Routineeingriff angesehen und dauert nur wenige Minuten. Der Chirurg setzt einen ungefähr sechs Zentimeter langen, horizontalen Schnitt auf der rechten Seite unterhalb des Nabels. Neben dieser herkömmlichen OP sind auch Mikroeingriffe mit dem Endoskop unter Vollnarkose möglich. Stellt sich während des endoskopischen Eingriffs heraus, dass eine weit reichende Entzündung vorliegt, kann auf die klassische Operationsmethode ausgewichen werden.
Ist die häusliche Pflege ihres Kindes sichergestellt, so werden Kinder bereits einen Tag nach der Operation entlassen. Ihr Kind sollte dann noch ein bis zwei Wochen zu Hause bleiben. Es muss jedoch nicht das Bett hüten. Lassen Sie Ihr Kind dann für etwa vier Wochen nichts Schweres heben. Mehrere Wochen sollte es keinen anstrengenden Sport machen.
Die gefürchtete Komplikation bei einer Blinddarmentzündung ist die Perforation oder der Durchbruch des Blinddarms. Kot und Eiter kann in die Bauchhöhle austreten und eine lebensgefährliche Bauchfellentzündung (Peritonitis) verursachen. Bei Mädchen und Frauen kann eine solche Infektion auch zu Verwachsungen mit daraus resultierender Unfruchtbarkeit führen. Die Gefahr von Abszessen (Eiteransammlungen) im Bauchraum (beispielsweise an der Leber) besteht bei einer eitrigen Blinddarmentzündung.
Aufgrund der Narbenbildung verkleben bei einem geringen Anteil (2 bis 4%) der Patienten die Darmschlingen nach der Operation. Eine erneute Operation kann dann nötig werden.
Die Prognose bei einer rechtzeitig behandelten Appendizitis ist sehr gut. Die Sterblichkeit liegt bei unter 1%, bei einer Perforation und eitriger Bauchfellentzündung bei circa 10%. Aufgrund dieser Daten muss noch einmal betont werden, dass, je eher Sie Ihren Arzt bei oben genannten Beschwerden aufsuchen, desto schneller kann er diagnostizieren und behandeln.
Eine weitere Verlaufsform der Blinddarmentzündung ist die so genannte chronische (rezidivierende) Appendizitis. Sie tritt in der Regel als Folge einer abgeklungenen akuten Blinddarmentzündung auf. Kennzeichnend sind immer wieder auftretende, uncharakteristische Beschwerden im rechten Unterbauch. Der behandelnde Mediziner wird eine Blutuntersuchung zur Ermittlung der Entzündungsparameter veranlassen und eine Röntgenuntersuchung mit Kontrastmittel (-> dieses ist im Appendix bei einer chronischen Entzündung nicht sichtbar) veranlassen. Anhand der Ergebnisse trifft der Arzt die Entscheidung, zunächst konservativ mit Bettruhe zu behandeln oder umgehend eine Appendektomie vorzunehmen.