Spina bifida – „offener Rücken“ (Spaltwirbel oder Wirbelspalt)

Spina bifida – „offener Rücken“ (Spaltwirbel oder Wirbelspalt) Bei der Spina bifida, die umgangssprachlich auch „offener Rücken“ genannt wird, umschließt die Wirbelsäule das Rückenmark nicht vollständig. Das Rückenmark oder die Rückenmarkshäute können durch einen Wirbelspalt nach außen treten. Es handelt sich um eine angeborene Fehlbildung, die hauptsächlich im Bereich der Lendenwirbelsäule und des Kreuzbeins in verschiedenen Ausprägungen auftritt. Die Erkrankung zählt zu den sogenannten Neuralrohrdefekten. Das Neuralrohr ist in der Embryonalentwicklung der Ausgangspunkt für die Bildung des zentralen Nervensystems, also des Gehirns und Rückenmarks. Diese Defekte zählen zu den häufigsten angeborenen Fehlbildungen. In Mitteleuropa sind ein bis zwei von 1 000 Schwangerschaften betroffen. Mädchen erkranken etwas häufiger. Das Risiko eines Neuralrohrdefekts kann durch die Einnahme von Folsäurepräparaten vor einer geplanten Schwangerschaft und in der Frühschwangerschaft gesenkt werden.

Ursachen

Die Neuralrohrdefekte bilden sich in der dritten bis vierten Schwangerschaftswoche. Die genauen Entstehungsursachen sind nicht gänzlich geklärt, jedoch sind begünstigende Faktoren bekannt. Es werden sowohl genetische als auch umweltbedingte Faktoren angenommen. Für die genetische Komponente scheint zu sprechen, dass sich das Risiko für das Auftreten eines Neuralrohrdefekts erhöht, wenn bereits in der Familie eine solche Fehlbildung aufgetreten ist. Zudem werden mechanische, infektiöse oder toxische (= Gift bedingte) Einflüsse auf das Ungeborene als Krankheitsursache angenommen.

Wichtig ist, dass das Risiko für das Auftreten eines Neuralrohdefekts durch die rechtzeitige Einnahme von Folsäure reduziert werden kann.

Entwicklung der Spina bifida

Das zentrale Nervensystem, also Gehirn und Rückenmark, entwickelt sich aus der Neuralrinne. Diese legt sich zum Neuralrohr zusammen. Aus dieser Struktur differenzieren sich das Gehirn und das Rückenmark mit den umgebenden Knochen und Häuten (Hirn- und Rückenmarkshäuten). Aus dem oberen Bereich des Neuralrohrs entwickelt sich das Gehirn und Schädeldach, aus dem unteren Teil das Rückenmark und die Wirbelsäule. Kommt es während der frühen Embryonalentwicklung im oberen Bereich des Neuralrohrs zu einer Verschlussstörung, so entsteht eine Anenzephalie. Dabei fehlt ein großer Teil des Gehirns und des Schädels. Tritt diese Störung im unteren Teil auf, so resultiert daraus die Spina bifida.

Ausprägungen der Spina bifida

Das Rückenmark ist von Rückenmarksflüssigkeit und den Rückenmarkhäuten umgeben. Normalerweise werden diese Strukturen von der Wirbelsäule vollständig umschlossen. Bei einer Spina bifida kommt es zu einer Fehlbildung von einem oder mehreren Wirbelkörpern. Im leichtesten Ausprägungsfall ist nur der knöcherne Wirbelkanal nicht vollständig geschlossen (zweigespaltener Wirbelbogen), Rückenmark und Rückenmarkshäute sind jedoch nicht betroffen. Dieser relativ häufige Defekt verursacht meist keine Beschwerden und ist häufig ein Zufallsbefund beim Röntgen der Wirbelsäule. Man spricht von einer Spina bifida occulta (= „versteckter offener Rücken“). Die Spaltung der Neuralbögen der Wirbel ist äußerlich nicht sichtbar. Eine abnorme Behaarung, Pigmentierung oder Grübchenbildung im betroffenen Bereich ist jedoch möglich.

Treten im Gegensatz dazu, die Rückenmarkhäute – aufgrund der nicht vollständig geschlossenen Wirbelsäule – nach außen, so bildet sich unter der Haut ein mit Flüssigkeit (= Rückenmarkdflüssigkeit) gefüllter Sack (= Zele). Man spricht von einer Meningozele (= Vorwölbung der Meningen = Rückenmarkshäute).

Bei der schwersten Ausprägungsform treten sowohl die Rückenmarkhäute, als auch das Rückenmark (= Meningomyelozele) sackartig hervor. Der betroffene Bereich sieht oft roh und rot aus.

Symptome

Die Symptomatik bei der Spina bifida ist sehr variabel. Sie umfasst kaum wahrnehmbare Schäden bis hin zu schwersten Behinderungen. Das Ausmaß der Schädigungen ist abhängig von der Lokalisation des Wirbelsäulenschadens (Brust- oder Lendenwirbelsäulenbereich) und davon, welche Strukturen sich in der „Aussackung“ an der Wirbelsäule befinden (Meningozele oder Meningomyelozele).

Es können folgende Symptome auftreten:

  • Lähmungen im Bereich des Magens und des Darms sowie der Muskel im Versorgungsbereich der betroffenen Rückenmarksnerven,
  • Entleerungsstörungen der Blase,
  • Verlust des Schmerzempfindens und Sensibilitätsstörungen,
  • Fußdeformitäten (Klumpfuß),
  • Wasserkopf,
  • Epilepsie.

Diagnostik

Häufig wird der Neuralrohrdefekt bereits bei den Vorsorgeuntersuchungen in der Schwangerschaft entdeckt. Die Bestimmung des Alphafetoproteins (Triple-Test) zwischen der 15. und 20. Schwangerschaftswoche kann erste Hinweise geben. Die Ultraschalluntersuchung lässt den Defekt oder die typischen Fehlbildungen ebenfalls erkennen. Durch diese Untersuchungen kann aber nicht eindeutig bestimmt werden, wie hoch das Ausmaß der Schädigungen sein wird.

Nach der Geburt ist die Spina bifida allein durch Augenschein sichtbar. Eine umfassende Diagnostik hilft, das Ausmaß der Schäden festzustellen. Dazu werden allgemeine, neurologische und orthopädische Untersuchungen durchgeführt. Im Rahmen der Diagnostik werden auch bildgebende Verfahren, wie Ultraschall, Röntgen, MRT oder CT eingesetzt.

Therapie

Die Art der Behandlung richtet sich nach dem Ausmaß der Spina bifida. Bereits kurze Zeit nach der Geburt wird die Fehlbildung operativ korrigiert. Neurologische Ausfallerscheinungen sind aber trotzdem möglich.

Blasenentleerungsstörungen können je nach Art der Störung (Urin kann nicht gehalten werden oder nicht entleert werden) mit Medikamenten, einem Katheter oder operativ behandelt werden.

Ist ein Wasserkopf vorhanden, so wird die Gehirnflüssigkeit mit einem Schlauch-Ventil-System (Shunt) abgeleitet. Der Druck auf das Gehirn normalisiert sich.

Fußdeformitäten (bsp. Klumpfuß) können mit orthopädischen Hilfsmitteln und Krankengymnastik behandelt werden. Eventuell ist eine Operation nötig.

Komplikationen

Komplikationen der Spina bifida sind Entzündungen der Rückenmarkshäute, des Rückenmarks und der Nieren. Besteht ein Hydrozephalus (Wasserkopf), so ist seine Behandlung dringend erforderlich, da der zunehmende Druck der Gehirn-Rückenmark-Flüssigkeit auf das Gehirn zu schwerwiegenden Schädigungen führen kann.

 

med. Redaktion Dr. med. Werner Kellner
Aktualisierung 26.03.2008