Hirntumore – Intracranielle Neubildung (engl. brain tumors)

         

Hirntumore – Intracranielle Neubildung (engl. brain tumors) Die Bezeichnung „Hirntumore“ (Gehirntumor) umfasst alle Gewebswucherungen im Schädel. Die sogenannten „primären Hirntumoren“ entstehen aus unterschiedlichen Zelltypen im Schädel selbst. Absiedlungen (Metastasen) anderer Tumorarten oder Geschwülste, die von den das Gehirn umgebenden Knochen ausgehen, werden als „sekundäre Hirntumoren“ bezeichnet. Die Einstufung gut- oder bösartig bezieht sich auf die Wachstumseigenschaften des Tumors. Zudem unterscheidet man viele verschiedene Tumorarten, je nachdem aus welchen Zelltypen sich die Zellwucherungen bilden. Auch die Aggressivität eines Tumors hängt davon ab, aus welchem Typ entarteter Zellen er hervorgegangen ist. Die Symptomatik bei Hirntumoren ist äußerst vielfältig und hängt vom betroffenen Hirnareal ab. Häufige Symptome sind Kopfschmerzen, Wesensveränderungen und epileptische Anfälle.

Hirntumoren machen nur ungefähr zwei Prozent aller Krebserkrankungen aus. Schätzungen gehen davon aus, dass ungefähr 8 000 Menschen in Deutschland jedes Jahr neu an einem Gehirntumor erkranken. Männer sind insgesamt etwas öfter betroffen als Frauen. Am häufigsten erkranken Personen zwischen dem 50. und 70. Lebensjahr. Ein weiterer Häufigkeitsgipfel befindet sich im Kindesalter. Hirntumoren stellen bei Kindern mit 20 Prozent – nach dem Blutkrebs – die häufigste Tumorform dar.

Ursachen

Die Entstehungsursachen von primären Tumoren sind größtenteils unbekannt. Bei den meisten Betroffenen treten sie auf, ohne dass sich ursächliche Faktoren ausmachen lassen. Man spricht in diesem Zusammenhang von sporadischen Tumoren. Selten liegen der Erkrankung erblich bedingte Leiden zugrunde. Zu denken ist hier an die Neurofibromatose oder das Hippel-Lindau-Syndrom.

Viele Faktoren, die andere Krebserkrankungen beeinflussen, spielen bei Hirntumoren keine Rolle (Ernährungsgewohnheiten, Stress, seelische Belastungen). Auch lassen sich keine gesicherten Beweise für einen Zusammenhang zwischen Hirnverletzungen und dem Auftreten von Hirntumoren finden.

Das Risiko zu erkranken, wird jedoch durch direkte radioaktive Bestrahlung, die bisweilen bei akuten Leukämien eingesetzt wird, erhöht.

Einteilung

Es gibt mehrere Möglichkeiten, Hirntumoren einzuteilen. Eine Möglichkeit bezieht sich auf das Gewebe, aus dem der Tumor entsteht:

  • Neben den eigentlichen Nervenzellen gibt es verschiedene Arten von Stützzellen oder Gliazellen. Die wichtigsten sind die Astrozyten. Die korrelierenden Tumoren werden Gliome oder Glioblastome, im speziellen Fall der Astrozyten Astrozytome genannt.
  • Die Markscheiden der Nervenzellfortsätze werden aus den sogenannten Oligodendrozyten (= auch gliale Zellen) gebildet. Tumoren aus diesen Zellen nennt man Oligodendrogliome.
  • Ependymzellen (= auch gliale Zellen) kleiden die inneren Hirnkammern aus und bilden den Zentralkanal des Rückenmarks. Ependymome sind die entsprechenden Tumoren.
  • Wucherungen, die aus den Hirnhäuten (Meningen) hervorgehen, werden als Meningiome bezeichnet.
  • Neurinome bilden sich aus den Schwannzellen, die eine Art Isolierschicht von Nerven darstellen.

Neben diesen Tumoren können auch noch Geschwülste aus Hypophysengewebe (Hypophysenadenome), Lymphozyten (Lymphome) sowie Keimzellen (Germinom, Teratom) entstehen. Auch Mischformen sind möglich.

Am häufigsten mit 60 Prozent aller primären Tumoren treten Gliome auf. Da es eine Reihe vom glialen Zelltypen im zentralen Nervensystem gibt, lassen sich mehrere Untergruppen unterscheiden. Dazu zählen die Astrozytome, Glioblastome, Oligodendrogliome, Mischgliome und Ependymome. Die zweithäufigste Gruppe von Hirntumoren sind die Meningiome, die von den Hirnhäuten ausgehen.

Eine weitere Einteilung erfolgt in gutartige und bösartige Hirntumoren. Die Unterscheidung wird anhand der feingeweblichen Untersuchung des veränderten Gewebes getroffen. Der Begriff „gutartig“ ist keinesfalls mit „harmlos“ gleichzusetzen. Gutartige Geschwülste wachsen – wenn auch meist langsam und nicht infiltrativ – in einem eng umgrenzten Raum – dem Schädel. Sie können gesundes Gewebe verdrängen und zu einer Steigerung des Hirndrucks führen. Der erhöhte Druck führt zum Abklemmen lebenswichtiger Zentren und Nervenbahnen im Gehirn. Unbehandelt führt dies zum Tod. Ein bösartiger Hirntumor zeichnet sich durch ein rasches Wachstum aus. Umgebende Strukturen werden – oft durch diffuses Einwachsen – zerstört. Der Hirndruck insgesamt steigt an. Manchmal bedeutet Bösartigkeit auch, dass sich der Tumor in der Nähe von lebenswichtigen Hirnzentren befindet und nicht operiert werden darf. Beispiele für gutartige Hirntumoren sind Meningiome, Hypophysenadenome, Neurinome (bsp. Akustikusneurinom) und niedriggradige Astrozytome (fibrillär, pilozytisch). Als bösartig werden unter anderm Glioblastome, Oligodendrogliome und Medulloblastome eingestuft.

Eine weitere Unterscheidung wird nach WHO-Graden durchgeführt. Anhand dieser Einteilung lassen sich nicht nur Aussagen über die Prognose eines Hirntumors treffen, sondern sie bildet auch die Grundlage für die Behandlungsstrategien.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) nimmt folgendes Einteilungsschema vor:

WHO-Grad I gutartig, langsam wachsend, mit günstiger Prognose

WHO-Grad II noch gutartig, erhöhte Neigung zu Rezidiven, kann bösartig werden

WHO-Grad III bereits bösartig, nach der Operation sind Strahlen- und/oder Chemotherapie nötig

WHO-Grad IV bösartig, schnell wachsend, nach der Operation sind Strahlen- und /oder Chemotherapie nötig; schlechte Prognose

Symptome

Die Symptome entstehen unabhängig davon, ob es sich um einen gut- oder bösartigen Tumor handelt. Ein Hirntumor kann ganz verschiedene Symptome hervorrufen, die plötzlich auftreten, aber sich auch erst allmählich entwickeln können. Aufgrund der Art der Symptome und der Reihenfolge ihres Auftretens kann bisweilen schon auf den Sitz und die Größe des Tumors geschlossen werden. Jedoch können Tumoren in manchen Hirnbereichen zu beachtenswerter Größe heranwachsen, bevor sie zu Beschwerden führen, in anderen Bereich genügt ein kleiner Tumor, um sich massiv auszuwirken.

Folgende Krankheitszeichen sind charakteristisch:

  • Kopfschmerzen: Diese können jedoch eine Reihe von Ursachen haben. Sie kehren im Falle eines Hirntumors immer wieder oder bestehen ununterbrochen. Vor allem nachts und in den frühen Morgenstunden treten sie auf und sind mit Schmerzmitteln kaum beherrschbar.
  • Persönlichkeitsveränderungen: Der Betroffene kann in sich gekehrt sein oder erscheint launisch, seine berufliche Leistung lässt meist nach, er wirkt schläfrig und verwirrt und hat Probleme zu denken. Diese Veränderungen fallen den Familienmitgliedern und Arbeitskollegen oft früher auf als dem Betroffenen selbst.
  • Depressionen und Angstgefühle: Dies können Frühsymptome sein, vor allem wenn sie sich plötzlich entwickeln.
  • Gleichgewichts- und Koordinationsstörungen, Benommenheit und Doppeltsehen sind weitere Frühsymptome.
  • Übelkeit und plötzliches Erbrechen, Schläfrigkeit, Fieberschübe und sogar Koma treten auf, wenn sich der Druck im Gehirn erhöht.
  • Lähmungserscheinungen: Je nachdem, wo die Lähmung auftritt, kann bereits auf den Gehirnbereich geschlossen werden.
  • Sensibilitätsstörungen: Die Fähigkeit, Hitze, Kälte, Druck, leichte Berührungen oder scharfe Gegenstände zu spüren, kann verloren gehen.
  • Sprach-, Sprech- und Sehstörungen (Doppeltsehen, Blindheit) lassen auf eine bestimmte Lokalisation des Tumors schließen.
  • Krampfanfälle treten bei jedem vierten Patienten auf.

Weitere spezifische Krankheitszeichen sind bsp. die Stauungspapille, eine Schwellung am Augenhintergrund, die der Augenarzt diagnostizieren kann, oder bei Kindern ein sichtbarer Wasserkopf. Die Fähigkeit, die Augen nach oben zu richten, kann dadurch erschwert sein.

Diagnose

Der Verdacht auf einen Hirntumor erfolgt neben einer umfassenden Befragung (Anamnese) zur Krankengeschichte eine gründliche körperliche und neurologische Untersuchung.

Die Diagnose „Hirntumor“ stützt sich vorwiegend auf bildgebende Verfahren, wie die Magnetresonanztomografie (MRT) und die Computertomografie (CT).

Die Untersuchungen können durch weitere diagnostische Checks ergänzt werden:

  • Lumbalpunktion mit Untersuchung der Gehirn-Rückenmark-Flüssigkeit;
  • Elektroenzephalogramm (EEG);
  • Ophthalmoskopie: Untersuchung des Augenhintergrundes.

Behandlung und Prognose

Die Therapie eines Hirntumors richtet sich nach der Art des Tumors und seiner Lage. Wenn möglich, versucht man ihn operativ zu entfernen. Auch wenn die Operation keine Heilung bedingt, kann sie nötig sein, um den Tumor zu verkleinern. Zudem kann der chirurgische Eingriff dazu dienen, die Symptome zu verringern und die Art der Wucherung genauer zu bestimmen. Auf diesen Grundlagen kann der behandelnde Mediziner beurteilen, ob eine Strahlen- oder eine Chemotherapie durchgeführt werden sollte.

Die operative Entfernung gutartiger Tumoren führt oft zur vollständigen Genesung und es bleiben keine oder nur geringe Schäden zurück. Sehr kleine Tumoren oder Wucherungen bei älteren Menschen, die keine Beschwerden hervorrufen und deren Wachstum stagniert, werden unter Umständen nur engmaschig kontrolliert und nicht operiert. Manchmal schließt sich an das operative Vorgehen eine Strahlentherapie an, um verbliebene tumoröse Zellen zu zerstören.

Die meisten Hirntumoren, besonders die bösartigen, werden mit einer Kombination aus Operation, Strahlentherapie und Chemotherapie behandelt. Nachdem soviel Tumorgewebe wie möglich entfernt wurde, schließt sich eine Strahlentherapie an, die mehrere Wochen andauern kann. Auch wenn keine Heilung eintritt, kann der Tumor verkleinert und der Zustand evtl. stabil gehalten werden. Manche Tumorformen sprechen zudem gut auf eine Chemotherapie an (bsp. anaplastische Oligodendrogliome).

Auch nach einer kompletten operativen Entfernung eines Hirntumors muss damit gerechnet werden, dass es zu einem Rückfall (Rezidiv) kommt. Manche Tumorarten neigen zur Rezidivbildung noch nach Jahren der Beschwerdefreiheit. Wichtig ist es daher diese erneuten Wucherungen möglichst frühzeitig zu erkennen und adäquat zu behandeln. Regelmäßige Nachuntersuchungen sind daher nach Abschluss der Therapie nötig.

med. Redaktion Dr. med. Werner Kellner
Aktualisierung 20.06.2008