Vaskulitis – Angiitis (engl. vasculitis)

         

Vaskulitis – Angiitis (engl. vasculitis) Vaskulitis – Mehrzahl: Vaskulitiden – ist ein Überbegriff für eine ganze Reihe von seltenen Erkrankungen, die eine Entzündung der Blutgefäße verursachen. Von der Aorta (= Hauptschlagader) bis zu den Kapillaren (= kleinste Haargefäße) können alle Gefäße betroffen sein und somit auch alle Organe. Dementsprechend sind die Krankheitsbilder sehr variabel. Je nach Krankheitsursache werden zwei Formen der Vaskulitis unterschieden. Bei den primären Vaskulitiden handelt es sich um entzündlich-rheumatische Erkrankungen, die nicht mit anderen Krankheiten assoziiert sind. Es kommt zu Schädigungen oder Verengungen der betroffenen Gefäße oder einer Sauerstoffunterversorgung des umgebenden Gewebes. Der Grund sind autoimmun bedingte Prozesse, das heißt, das eigene Immunsystem greift körpereigene Strukturen, wie die Gefäßwand, an.

Die sekundären Vaskulitiden werden durch andere Krankheiten, wie beispielsweise chronisch-entzündliche Darmkrankheiten, Infektionskrankheiten (Virushepatitis, Zytomegalie-Infektion), oder Medikamente (Antibiotika, Gold, Penicillamin) ausgelöst. Auch bei dieser Vaskulitisform wird die Schädigung der Gefäße immunologisch vermittelt (Auto-Antikörper, Immunkomplexe usw.). Die häufigste Vaskulitis ist die Arteriitis temporalis (auch Horton-Syndrom oder Riesenzellarteriitis genannt), eine Entzündung der Schläfenarterie, bei der es zu 17 Neuerkrankungen jährlich auf 100.000 Einwohner kommt. Frauen sind doppelt so häufig betroffen wie Männer. Genaue Zahlen über die Häufigkeit von sekundären Vaskulitiden liegen nicht vor. Die anderen primären Gefäßentzündungen stellen eher selten auftretende Erkrankungen dar (weniger als 1000 Neuerkrankungen pro Jahr).

Ursachen

Die genauen Ursachen für das Auftreten einer Vaskulitis sind nicht gänzlich aufgeklärt. Bei den meisten Vaskulitiden handelt es sich um Autoimmunerkrankungen. Es kommt zur Bildung von sogenannten Autoantikörpern, also vom eigenen Immunsystem gebildeten Antikörpern, die körpereigene Strukturen angreifen und somit die Gefäßentzündungen auslösen. Ein Paradebeispiel dafür ist die Wegenersche Granulomatose bei der spezifische Antikörper (cANCA) nachweisbar sind.

Andere Vaskulitiden werden durch sogenannte Immunkomplexe hervorgerufen. Immunkomplexe bestehen aus Medikamenten oder Krankheitserregern, die durch Antikörper gebunden wurden. Dieses ganze Gebilde lagert sich dann an den Gefäßwänden ab. Typisch sind Immunkomplexe für sekundäre Vaskulitiden.

Die Gefäßschädigungen können je nach Gefäßgröße und Form der Vaskulitis verschieden ausgeprägt sein. Es kann zum Gefäßverschluss, einer Gefäßaussackung (Aneurysma) oder zu knotigen Veränderungen, sogenannten Granulomen kommen. Zudem sind Gewebsschädigungen mit Geschwüren möglich.

Symptome

Die Krankheitsausprägung kann je nach betroffenem Gefäßabschnitt unterschiedlich sein. Das Frühstadium der Vaskulitis ist von ähnlichen Symptomen wie bei einer Infektionskrankheit geprägt. Es kommt zu Fieber, Gewichtsverlust, Gelenkschmerzen, Nachtschweiß und einer allgemeinen Kraft- und Antriebslosigkeit.

Erst später treten die durch die Gefäßschädigungen selbst ausgelösten Symptome in den Vordergrund. Da alle Organsysteme betroffen sein können, sind die Krankheitszeichen recht unterschiedlich. Die Symptomausprägung kann je nach Organsystem für bestimmte Vaskulitiden typisch sein, zum Beispiel Asthma beim Churg-Strauss-Syndrom. Ebenso werden je nach Vaskulitisform unterschiedliche Gefäßabschnitte befallen, wie beispielsweise die großen Arterien bei der Arteriitis temporalis. Im Verlauf der Erkrankung kann sich das klinische Bild auch wandeln. Organsysteme, die vorher nicht betroffen waren, werden in den Entzündungsprozess nun einbezogen.

Die Vaskulitis kann sich an den einzelnen Organsystemen mit folgenden Krankheitszeichen zeigen:

  • Nieren: Blut und Eiweiß im Urin, Bluthochdruck, Verlust der Nierenfunktion; typisch für mikroskopische Polyangiitis, Wegenerschere Granulomatose und der Panarteriitis nodosa;
  • Gelenke: Gelenkentzündungen und Gelenkschmerzen; charakteristisch für mikroskopische Polyangiitis, Panarteriitis nodosa, Churg-Strauss-Syndrom, Wegenersche Granulomatose;
  • Haut: Hautrötungen, geschwürige offene Stellen; typisch für Panarteriitis nodosa, Churg-Strauss-Syndrom, Wegenersche Granulomatose, mikroskopische Polyangiitis;
  • Lunge: eingeschränkte Lungenfunktion, Asthma, beispielsweise bei Churg-Strauss-Syndrom;
  • HNO-Trakt: Nasenbluten durch Entzündungen der Nasen- und Nasennebenhöhlen, Schleimhautdefekte, Drehschwindel, beispielsweise bei Wegenerscher Granulomatose;
  • Magen-Darm-Trakt: Bauchschmerzen, Bauchfellentzündung, Lebererkrankungen bei Churg-Strauss-Syndrom, Wegenersche Granulomatose, Panarteriitis nodosa.
  • Augen: Entzündungen der Leder- und Netzhaut bei Wegenerscher Granulomatose, mikroskopischer Polyarthritis;
  • Nerven: Entzündungen der Körpernerven, Schmerzen und Lähmungen; bsp. bei Polyarteriitis nodosa.

Diagnose

Aufgrund der sehr variablen Krankheitsausprägungen der einzelnen Vaskulitiden ist die Diagnosestellung oft sehr schwierig. Weitere Schwierigkeiten bereiten häufige Überlappungen der Krankheitsbilder und ihr schubweiser Verlauf. Aufgrund des Gesamtbildes aus Anamnese, Beschwerden und speziellen Untersuchungen wird die Diagnose erst gestellt.

Wichtige Untersuchungen sind:

  • Blutuntersuchungen: Ein Hinweis ist der Anstieg von Entzündungszeichen. Charakteristische Marker sind ANAC, bestimmte Autoantikörper. Die cANCA sind typisch für die Wegenersche Granulomatose; pANCA treten bei mikroskopischer Polyangiitis auf. Typische Hinweise auf eine Vaskulitis gibt auch ein Abfall der Komplementwerte („geben Auskunft über die Körperabwehr“) oder ein Anstieg der Eosinophilen (= bestimmte weiße Blutkörperchen).
  • Biopsie und anschließende feingewebliche Untersuchung: Hierzu wird aus den erkrankten Organen eine Gewebeprobe entnommen und anschließend feingeweblich untersucht. Diese Methode bestätigt die Diagnose „Vaskulitis“, jedoch gibt sie nicht immer genau darüber Auskunft, um welche Form es sich handelt.
  • Angiographie: Die großen und mittleren Gefäße können röntgenologisch mit Hilfe von Kontrastmitteln dargestellt werden. Typische Gefäßveränderungen geben weitere Hinweise auf die exakte Diagnose.

Behandlung

Die Behandlung einer Vaskulitis hängt von den betroffenen Organen und der Aktivität der Krankheit ab. Es wechseln sich aktive Phasen mit Remissionen (= Zeiten nachlassender Symptomatik) ab. Um die Schübe der Erkrankung zu erkennen und die Therapie gegebenenfalls anzupassen, müssen die Patienten engmaschig kontrolliert werden (bsp. Entzündungsparameter, ANAC-Titer, Nierenwerte).

Angepasst an die Aktivität der Erkrankung wird mit unterschiedlich hohen Dosen von Immunsuppressiva (Cyclophosphamid), Kortisonpräparaten oder Methotrexat (Antirheumamittel) therapiert.

Beschreibung einzelner Vaskulitiden

Arteriitis temporalis (Synonym: Riesenzellarthritis und Arteriitis Bing-Horton)

Die Arteriitis temporalis ist eine schwere, fortschreitende Erkrankung, die sich in einer Schwellung der Kopfarterien, insbesondere der Schläfenarterie (Arteria temporalis) äußert. Die Leitsymptome der Arteriitis temporalis sind Kopfschmerzen. Charakteristisch ist die verdickte, druckschmerzhafte, pulslose Schläfenarterie. Bei Verschluss der Gefäße können ein plötzlicher Sehverlust (auf einem Auge) und ein Schlaganfall auftreten. Typisch für die Erkrankung ist auch eine Temperaturerhöhung. Selten sind auch die Äste des Aortenbogens betroffen. Eine Blutdruckdifferenz an den Armen resultiert daraus. Es kommt zu einer Entzündung der Herzkranzarterien und Angina pectoris. Die Erkrankung tritt häufig zusammen mit einer Polymyalgia rheumatica (= entzündliche Muskelerkrankung) auf. Stammnahe Muskelschmerzen und Morgensteifigkeit sind dann zusätzliche Beschwerden. Die erkrankten Personen sind meist älter als 50 Jahre, Frauen sind öfter betroffen. Die Diagnose wird durch Gewebeuntersuchungen gesichert. Dabei können sogenannte Riesenzellen in der entzündeten Gefäßwand beobachtet werden. Hochdosiertes Kortison führt zu einer rapiden Verbesserung der Beschwerden.

Wegenersche Granulomatose

Vorwiegend sind bei dieser Vaskulitis die kleinen und mittleren Arterien und Venen entzündlich verändert. Es kommt zu Granulomen (= knotige Wucherungen) und Nekrosen (Gewebeschäden). Zu Beginn der Erkrankung manifestiert sich die Vaskulitis vor allem im Hals-Nasen-Ohren-Bereich und im Atmungstrakt (Luftröhre, Lunge). Es kommt zu chronischem Schnupfen mit Borkenbildung in der Nase oder einer Nasennebenhöhlenentzündung und Atemnot. Durch eine Zerstörung des Nasenknorpels kann auch eine sogenannte Sattelnase entstehen (= Knick in der Mitte). Im Generalisationsstadium kommen Allgemeinbeschwerden, wie Fieber, Gewichtsverlust und Abgeschlagenheit, hinzu. Bedrohlich ist die Beteiligung der Nieren (Entzündung der Nierenkörperchen). Die Diagnose ergibt sich aus den Beschwerden, Gewebsuntersuchungen des Respirationstraktes und dem Nachweis von speziellen Antikörpern (cANCA). Unbehandelt verläuft die Erkrankung tödlich. In der Initialphase wird mit Cotrimoxazol (= Kombinationspräparat aus zwei Antibiotika) behandelt. Im Generalisationsstadium werden Glucokortikoide („Kortison“) und Methotrexat eingesetzt, bei Nierenbeteiligung auch Cyclophosphamid.

Panarteriitis nodosa (Synonyme: PAN, Polyarteriitis nodosa)

Die PAN betrifft die kleinen und mittelgroßen Arterien und hier alle Wandschichten der Gefäße (gr. pan = ganz). An den betroffenen Gefäßen bilden sich perlschnurartige Knoten und Aneurysmen (Gefäßaussackungen). Die Patienten leiden unter einem starken Krankheitsgefühl mit Fieber, Schwäche, Gewichtsverlust und Kopfschmerzen. Die Krankheit führt zu zahlreichen Organmanifestationen und den damit verbundenen Symptomen. Betroffen sind vor allem das Nervensystem, der Bewegungsapparat (Gelenkentzündung, Gelenkschmerzen, Entzündungen der Skelettmuskeln), die Nieren (Blut und Protein im Urin, Nierenversagen, Bluthochdruck), die Haut (tastbare Knötchen, landkartenartige Gefäßzeichnung) und der Magen-Darm-Trakt (Koliken, Erbrechen). Selten betroffen sind Herz, Hoden und die Eierstöcke. Bei der Entstehung der Erkrankung scheint eine Hepatitis-B-Infektion eine begünstigende Wirkung zu haben. Spezifische Laborwerte geben Hinweise auf die Autoimmunerkrankung (zerkulierende Immunkomplexe, verminderte Komplementfaktoren usw.). Eine feingewebliche Untersuchung sichert die Diagnose. Die Aneurysmen können durch ein Angiographie dargestellt werden (bsp. in den Nieren). Unbehandelt ist die Prognose für diese Erkrankung sehr schlecht (5-Jahres-Überlebensrate von nur 10 %). Die Behandlung mit hoch dosierten Glukokortikoiden und Cyclophosphamid bessert die Prognose erheblich. Sind nur kleine Arteriolen betroffen, so spricht man von einer mikroskopischen Polyangiitis. Sie wird wie die klassische PAN mit Glukokortikoiden und Cyclophosphamid therapiert.

Churg-Strauss-Syndrom

Eine typische Dreierkombination von Symptomen (= Trias) ist charakteristisch für diese Vaskulitis: Die kleinen bis mittelgroßen Gefäße weisen grobknotige (= granulomatöse) Entzündungen auf, bestimmte weiße Blutkörperchen (= eosinophile Granulozyten) sind gehäuft im entzündeten Gewebe und im Blut zu finden. Die Betroffenen leiden immer unter Bronchialasthma. Bestimmte Antikörper (pANCA) können in 30 – 60 % der Fälle nachgewiesen werden. Das Churg-Strauss-Syndrom wird mit Kortisonpräparaten behandelt. Gegebenenfalls werden auch Immundepressiva eingesetzt (Cyclophosphamid), zum Teil kommen auch Azathioprin, Ciclosporin und hochdosierte Immunglobuline zum Einsatz.

med. Redaktion Dr. med. Werner Kellner
Aktualisierung 11.04.2008