Hypercholesterinämie (familiär) – erhöhter Cholesterinspiegel (familiär bedingt)

         

Hypercholesterinämie (familiär) – erhöhter Cholesterinspiegel (familiär bedingt) Bei einer familiären Hypercholesterinämie steigt der Cholesterinspiegel genetisch bedingt stark an. Das Risiko dieser Personengruppe eine Arteriosklerose (= „Arterienverkalkung“) zu entwickeln ist erhöht und Folgeerkrankungen der Verkalkung, wie ein Herzinfarkt oder Schlaganfall treten früher auf. Auch Fetteinlagerungen an der Haut, sogenannte Xanthome, zeigen sich bisweilen schon frühzeitig.

Je nach Ort der Veränderungen im Erbgut, die zu einem stark erhöhten Cholesterinspiegel führen, unterscheidet man in eine familiäre monogene (= nur ein Gen ist verantwortlich) Hypercholesterinämie und in familiäre ApoB-100 Defekte. Anhand der Symptome sind diese beiden Krankheitsausprägungen jedoch nicht zu unterscheiden. Die beiden familiär gehäuft auftretenden Fettstoffwechselstörungen gehören zu den sogenannten primären Hypercholesterinämien. Sie machen circa 30 Prozent aller krankhaft erhöhten Cholesterinspiegel aus.

Davon unterschieden werden die sogenannten sekundären Cholesterinämien (70 Prozent aller Erkrankungen). Bei diesem Erkrankungstyp beeinflussen nicht vorwiegend die Vererbung, sondern die Lebensumstände und Begleiterkrankungen den Cholesterinspiegel. Auslösende Faktoren sind beispielsweise Übergewicht, Bewegungsmangel, übermäßiger Alkoholkonsum sowie eine Schilddrüsenunterfunktion, die Zuckerkrankheit (Diabetes mellitus) oder eine chronische Niereninsuffizienz. Insgesamt haben in den westlichen Industrienationen mehr als zwei Drittel aller Erwachsenen Cholesterinwerte, die über dem Normwert von 200 mg / dl liegen.

Wissenswertes über Cholesterin

Cholesterin wird zu den Blutfetten gezählt und hat sehr wichtige Funktionen im Körper zu erfüllen. So ist es ein essenzieller Bestandteil der Zellmembranen, die jede menschliche Zelle des Körpers umgeben. In der Leber werden aus Cholesterin auch die Gallensäuren hergestellt. Diese werden über die Gallenblase in den Darm entleert und sind dort wichtig, um die aufgenommenen Fette zu verdauen. Zudem ist Cholesterin auch noch ein Baustein für bestimmte Hormone.

Der menschliche Körper hat daher einige Strategien entwickelt, um an dieses für ihn wichtige Fettmolekül zu gelangen und sparsam mit ihm umzugehen. Zum einen kann er Cholesterin aus der Nahrung verwerten, aber er kann es auch selbst herstellen. Hauptproduktionsorte sind die Leber und die Darmschleimhaut. Schließlich nimmt der menschliche Körper auch bereits ausgeschiedenes Cholesterin aus dem Darm wieder auf und transportiert die Gallensäuren und das Cholesterin zur Leber (enterohepatischer Kreislauf).

Der Cholesterinspiegel wird beim gesunden Menschen von zwei Größen beeinflusst: der Cholesterinzufuhr aus der Nahrung (circa ein Drittel) und der Produktion von körpereigenem Cholesterin in der Leber. Im Blut ist das Cholesterin an bestimmte Eiweißstoffe gebunden. Diese Träger ermöglichen den Transport des wasserunlöslichen Fetts im Blut. Die Eiweiß-Fett-Moleküle nennt man Lipoproteine. Entsprechend ihrer Zusammensetzung von Fett und Eiweiß spricht man von LDL- und HDL-Cholesterin. Während das LDL-Cholesterin maßgeblich für die Entstehung der Gefäßverkalkung verantwortlich gemacht wird, ist HDL-Cholesterin förderlich für die Gesundheit.

Ursachen der familiären Hypercholesterinämie

Die Körperzellen nahezu aller Gewebe nehmen das LDL-Cholesterin aus dem Blut über sogenannte LDL-Rezeptoren auf. Bei der familiären monogenen Hypercholesterinämie fehlen den Betroffenen Personen etwa 50 Prozent aller LDL-Rezeptoren. Das LDL-Cholesterin wird daher in vermindertem Maße aus dem Blut gefischt und lagert sich an den Blutgefäßen ab, eine Arteriosklerose entsteht. Diese Rezeptorenverhältnisse herrschen, wenn die Betroffenen nur von einem Elternteil die defekte Anlage vererbt bekommen haben. Man spricht in diesem Zusammenhang von heterozygoten Erbanlagen oder der mischerbigen Form.

Bei Menschen mit dieser Genkonstellation ist der Cholesterinwert (LDL) ungefähr doppelt so hoch wie normal (370 mg / dl). Die heterozygote Form kommt bei circa einer von 500 Personen vor und ist für circa 5 Prozent der Herzinfarkte bei unter 60-jährigen verantwortlich. Bei homozygoten Formen erbt der Betroffene von beiden Elternteilen die defekten Erbanlagen (reinerbige Form). Die Anzahl der funktionsfähigen LDL-Rezeptoren tendiert gegen Null. Der Anstieg der LDL-Cholesterinkonzentration im Blut steigt auf Werte von 500 – 1000 mg / dl. Ohne ausreichende Behandlung kommt es zu einem frühzeitigen Herzinfarkt. Die Erkrankungshäufigkeit beträgt 1 : 1 000 000.

ApolipoproteinB-100 ist ein sogenanntes Strukturprotein des LDL. Veränderungen in diesem Protein bedingen letztendlich auch eine verminderte Aufnahme von LDL durch den LDL-Rezeptor. Auch diese Defekte sind genetisch bedingt und kommen recht häufig vor (1 : 500). An den Symptomen sind die ApoB100-Defekte nicht von der familiären Cholesterinämie zu unterscheiden.

Symptome

Jüngere Menschen, die unter einer familiären Hypercholesterinämie leiden, haben in jüngeren Jahren oft keine Beschwerden. Jedoch beginnt bei ihnen der Prozess der Arterienverkalkung schon im Kindesalter und dementsprechend treten die Folgeerkrankungen – koronare Herzkrankheit (KHK), Herzinfarkt, Schlaganfall oder die periphere arterielle Verschlusskrankheit (Beindurchblutungsstörungen) – schon früher auf. Als grobe Regel gilt: Jede Erhöhung des LDL-Cholesterins um 10 mg / dl erhöht das Risiko für eine koronare Herzkrankheit um 10 Prozent.

Selten zeigen sich Cholesterin-Ablagerungen in der Haut, bevorzugt an den Augenlidern (Xanthelasmen) und zwischen den Fingern (kutane Xanthome). Diese Hautveränderungen äußern sich in Form von gelblichen, unregelmäßigen Knötchen. Auch in den Sehnen finden sich Xanthome, bevorzugt an den Achilles- und Fingerstrecksehnen.

Weitere Cholesterineinlagerungen treten in den Augen auf. Dann sieht man eine schmale, bogenförmige, grauweiße Trübung des Hornhautrandes. Dieser Arcus lipoides corneae kommt selten vor und sieht aus, wie ein weißlicher Ring, der sich am äußeren Ende der Regenbogenhaut (= „Farbiges“ des Auges) befindet. Alle Cholesterineinlagerungen sind relativ unspezifische Symptome, da sie sich auch bei Menschen mit normalen Blutfettwerten finden.

Diagnose

Das wichtigste Mittel zur Bestimmung der Hypercholesterinämie ist die Bestimmung der Blutfettwerte. Ermittelt wird das Gesamtcholesterin, LDL, HDL und die Triglyceride. Da diese Werte zum Teil nahrungsabhängig sind, sollte der Patient vor der Blutentnahme mindestens 14 Stunden lang nüchtern sein. Auf einen anlagebedingt erhöhten Cholesterinspiegel deutet ein LDL-Cholesterin-Wert von über 230 mg / dl hin, wobei der Wert der Triglyceride gleichzeitig unter 75 mg / dl liegt. Die Werte beziehen sich auf einen normalgewichtigen Erwachsenen, der keine weiteren Grunderkrankungen hat. Ein weiterer Hinweis auf die Erkrankung sind die oben beschriebenen Haut-, Sehnen- und Hautveränderungen, die durch das eingelagerte Cholesterin entstehen. Auch das vermehrte Auftreten der koronaren Herzkrankheit in der Familie und ähnlich hohe LDL-Cholesterinspiegel bei einem Elternteil oder bei Geschwistern gehören zu den Krankheitsmerkmalen. Bei begründetem Verdacht können auch die defekten LDL-Rezeptoren in Speziallabors nachgewiesen werden.

Um sich ein Bild von einer bereits bestehenden Arterienverkalkung zu machen, wird ein EKG unter Belastung durchgeführt. Der behandelnde Arzt kann auch durch Abhören der großen Arterien sowie durch eine Untersuchung der Bein- und Armpulse grob beurteilen, ob eine Arterienverkalkung vorliegt. Sollte ein ungewöhnlich hoher Cholesterinspiegel festgestellt worden sein, so ist dringend anzuraten, dass sich auch nahe Verwandte untersuchen lassen.

Natürlich fließt in die Diagnose „familiäre Hypercholesterinämie“ auch ein, dass andere Faktoren, die zu einer Erhöhung des Cholesterinspiegels führen, ausgeschlossen werden müssen. Dazu zählen:

  • Nierenkrankheiten (nephrotisches Syndrom, chronische Niereninsuffizienz),
  • Diabetes mellitus,
  • Schilddrüsenunterfunktion,
  • Alkoholismus, Fettsucht, Bewegungsmangel,
  • Cholestase (Rückstau von Galle ins Blut),
  • bestimmte Medikamente (Thiazid-Diuretika).

Therapie

Zunächst wird versucht, die Cholesterinwerte durch körperliche Bewegung, Ernährungsumstellung und Gewichtsreduzierung in den Griff zu bekommen. Jedoch wirken diese Maßnahmen bei einer familiären Hypercholesterinämie meist nicht völlig aus. Zusätzlich müssen daher Medikamente genommen werden.

Folgende Diätempfehlungen sind dennoch nützlich:

  • Fette sollten unter 30 Prozent aller aufgenommenen Kalorien ausmachen.
  • Die gesättigten Fette (tierische Fette) müssen möglichst durch ungesättigte Fettsäuren ersetzt werden.
  • Eine Erhöhung des Gemüse- und Obstanteils (Ballaststoffe) in der Nahrung wirkt sich günstig aus, da der Speisebrei schneller den Darm passiert und weniger Cholesterin aufgenommen wird.
  • Maximal dürfen 300 Milligramm Cholesterin pro Tag aufgenommen werden.
  • Insgesamt sollten nicht zu viele Kalorien konsumiert werden.

Außerdem wird Ausdauersport empfohlen (Nordic-Walking, Radfahren, Joggen -> 3mal 30 Minuten pro Woche), um das Gewicht zu regulieren und den HDL-Cholesterinwert anzuheben.

Medikamente, die verordnet werden, sind:

  • Statine (HMG-CoA-Reduktase-Hemmer): Diese Wirkstoffgruppe hemmt die körpereigene Cholesterinsynthese und fördert die Aufnahme von LDL-Cholesterin in die Körperzellen. Der Cholesterinspiegel im Blut fällt dadurch. Die Wirkstoffe dieser Gruppe heißen bsp. Lovastatin, Simvastatin. Die Medikamente dürfen bei Schwangeren, in der Stillzeit und bei Lebererkrankungen und Myopathien (= Muskelerkrankungen) nicht eingesetzt werden.
  • Ionenaustauscher: Die Präparate dieser Gruppe binden das Cholesterin und die Gallensäuren im Darm und stoppen so die Wiederaufnahme und die Neuaufnahme des Lipids. Sie werden als ideale Ergänzung zu den Statinen gesehen. Erprobte Wirkstoffe sind Colestyramin und Colestipol.
  • Fibrinsäure- und Nikotinsäurederivate: Beide Substanzklassen führen zu einer Senkung der Lipide – also auch der Triglyceride. Fibrinsäurederivate (Benzofibrat, Phenofibrat und Gemfibrozil) werden nicht isoliert gegen einen zu hohen Cholesterinspiegel eingesetzt, sondern mit den anderen Substanzklassen kombiniert. Ebenso ist dies der Fall bei Nikotinsäurederivaten (Nicotinsäure, Acipimox und Pyridylmethanol), wodurch die teilweise beträchtlichen Nebenwirkungen gesenkt werden können.

Eine weitere wichtige Empfehlung, um das Risiko der koronaren Herzkrankheit zu reduzieren, ist der Rauchverzicht. Die Kombination hoher Cholesterinwert und Rauchen steigert das Risiko eines Herzinfarktes um ein Vielfaches.

Prognose

Menschen, die unter einer familiär bedingten Hypercholesterinämie leiden, haben unbehandelt ein höheres Risiko, an einem Herzinfarkt zu sterben, als Personen ohne diese genetische Disposition. Die Gefäßerkrankungen machen sich vor allem bei Männern ab dem 50. Lebensjahr und teilweise noch deutlich früher bemerkbar. Bei der Behandlung mit den entsprechenden Medikamenten und einer vernünftigen Lebensführung (Sport und Ernährung) lässt sich das vorzeitige Erkrankungsrisiko jedoch deutlich senken. Regelmäßige ärztliche Kontrollen sind anzuraten.

med. Redaktion Dr. med. Werner Kellner
Aktualisierung 19.06.2008