Impfung gegen Polio (Kinderlähmung)

Wodurch wird die Kinderlähmung ausgelöst? Wie kann man sich infizieren?

Bei den Erregern der Kinderlähmung handelt es sich um drei verschiedene Poliomyelitisviren (Typ I, II und III). Erkrankt man an einem Typ, ist man nicht automatisch immun gegen die anderen. Folglich kann man als Nichtgeimpfter dreimal an der Kinderlähmung erkranken. Der Impfstoff hingegen schützt vor allen drei Serotypen.

Der Erreger wird über den Stuhl ausgeschieden. Eine Übertragung erfolgt über Schmierinfektionen, verunreinigtes Wasser oder Lebensmittel. Selten können die Viren auch über eine Tröpfcheninfektion verbreitet werden.

Wie kann das Krankheitsbild aussehen? Welche Komplikationen treten auf?

Es können vier verschiedene Krankheitsbilder unterschieden werden, zwischen denen fließende Übergänge bestehen:

  • die abortive Poliomyelitis,
  • die aseptische Meningitis,
  • paralytische Poliomyelitis;
  • Postpolio-Syndrom.

Die günstigste Prognose hat die abortive Poliomyelitis. Die gefürchteten Lähmungserscheinungen (Arme, Beine, Zwischenrippenmuskulatur) treten nicht auf. Der Erkrankte leidet für einige Tage unter Fieber, Kopfschmerz, Übelkeit, Verstopfung und einem allgemeinen Krankheitsgefühl.

Bei der aseptischen Meningitis treten Fieber, ein deutlich schlechter Allgemeinzustand, Kopfschmerzen, Magen-Darm-Probleme und alle Anzeichen einer Hirnhautentzündung (Meningitis auf). Dazu zählen Lichtempfindlichkeit, Nackensteife und Kopfschmerzen. Zudem tritt eine – meist reversible – Muskelschwäche auf.

Nur in wenigen Fällen mündet diese Variante der Kinderlähmung in der paralytischen Poliomyelitis. Kennzeichnend für diese dritte Variante der Erkrankung sind ein plötzlicher Fieberanstieg sowie Lähmungen in den Armen und/oder Beinen. Die Lähmungserscheinungen können auch die Zwischenrippenmuskulatur erreichen. Die Konsequenz ist eine Zwerchfelllähmung. Schließlich kann auch das Atemzentrum befallen sein, wodurch der Tod durch Atemlähmung eintritt.

Das Post-Poliosyndrom tritt Jahre bis Jahrzehnte nach einer akuten Polio-Infektion auf. Symptome sind Schmerzen, Muskelschwäche und Lähmungen.

Zusammenfassend kann zu den Komplikationen der Erkrankung gesagt werden, dass circa 10 Prozent der Erkrankten durch Ausfall der Atmung sterben. Ansonsten können Fehlstellungen von Muskeln und Gelenken auftreten, die zu einer lebenslangen Behinderung führen.

Wie wird behandelt?

Eine effektive Behandlungsmöglichkeit besteht nicht. Man kann einen Versuch mit der Injektion von Immunglobulinen starten. Bei einer Atemschwäche wird die sogenannte Eiserne Lunge eingesetzt. Lähmungserscheinungen und Muskelschwund werden mit konsequenter Krankengymnastik begegnet.

Das Augenmerk liegt auf der Vermeidung der Infektion durch die Impfung.

Wie lange dauert die Ansteckungsfähigkeit?

Ein Infizierter kann bis zu mehrere Monate das Virus ausscheiden. Dies geschieht auch bei klinisch völlig gesund erscheinenden Personen. Denn nicht jeder, der sich infiziert, erkrankt auch an typischen Poliosymptomen. Bei 90 bis 95 Prozent der Infizierten verläuft die Polio inapparent, das heißt, sie bemerken die Infektion gar nicht.

Wie verbreitet ist Polio noch? Was sind die Konsequenzen?

Der amerikanische Kontinent, Australien und Europa gelten als frei von Polio. Nach wie vor verbreitet ist die Erkrankung in Afrika (Nigeria, Niger, Somalia, Ägypten) sowie in Asien (Indien, Pakistan, Indonesien).

Da Europa als poliofrei gilt, glauben viele, dass eine Impfung gegen Polio nicht mehr notwendig ist. Diese Impfmüdigkeit kann schnell wieder zu einem epidemieartigen Auftreten der Erkrankung führen, da die Kinderlähmung durch Reisende oder Einwanderer aus den betroffenen Gebieten eingeschleppt werden kann. Auch völlig gesund erscheinende Menschen können Übertrager für einen langen Zeitraum sein.

Alles „rund“ um die Polio-Impfung

Impfempfehlung: Die STIKO (Ständige Impfkommision) empfiehlt die Impfung gegen Kinderlähmung ab dem 3. Lebensmonat. Eine Auffrischung sollte bei Heranwachsenden und Erwachsenen mit einem bestimmten Infektionsrisiko erfolgen. Ein besonderes Risiko haben Personen im Gesundheitsdienst und Reisende in Risikogebiete (Afrika und Südasien); bei einem bestehenden Infektionsrisiko ist eine Auffrischung nach weiteren zehn Jahren nötig.

Impfstoff: Heutzutage wird ein Totimpfstoff verabreicht, der in den Oberarm- oder Oberschenkelmuskel oder seitlich in den Po gespritzt wird.
Der früher übliche Schluckimpfstoff wird nicht mehr verwendet. Dabei handelte es sich um einen Lebendimpfstoff, der bei einer von fünf Millionen Impfungen die Kinderlähmung (Impfpolio) auslöste. Die STIKO empfiehlt daher seit 1998 den Totimpfstoff, der injiziert werden muss.

Impfhäufigkeit: Bereits ab dem 3. Lebensmonat erfolgt eine Grundimmunisierung. Dabei wird ein Kombinationsimpfstoff verwendet. Die Impfung erfolgt zwischen dem dritten und vierzehnten Lebensmonat viermal. Eine einmalige Auffrischdosis wird im Jugendalter gegeben. Erwachsene mit beruflichem oder touristischem Risiko erhalten eine weitere Auffrischimpfung (10-Jahres-Abstand).

Wurde als Kind die Impfung versäumt, so kann eine Grundimmunisierung mit zwei Injektionen nachgeholt werden. Ist nicht klar, ob man eine Impfung erhalten hat, so wird ebenso eine Grundimmunisierung empfohlen.

Abstand zu anderen Impfungen: Da es sich um einen Totimpfstoff handelt, müssen keine Abstände zu anderen Impfungen eingehalten werden.

Impfreaktionen: Selten treten bei der Impfung nach ein bis drei Tagen an der Impfstelle Rötungen, Schmerzen oder Schwellungen auf. Sehr selten werden Allgemeinsymptome, wie leichte Temperaturerhöhung, grippeähnliche Symptome, Kreislaufbeschwerden oder Magen-Darm-Symptome beobachtet. Wenn sie auftreten, dann meist nach der ersten Impfung bei Kindern.

Kontraindikationen: Nicht geimpft werden sollte bei einer akuten Erkrankung.

Ausrottung der Polio? Erklärtes Ziel der WHO (Weltgesundheitsorganisation) ist es, seit der ersten Impfstoffanwendung die Polio eines Tages völlig zu eleminieren. Möglich erscheint dies, da infizierte oder erkrankte Menschen das einzige Reservoir der Viren sind. Meilensteine im Kampf gegen die Erkrankung war die Ausrottung der Polio auf dem amerikanischen Kontinent (1994).

Kriege (bsp. Irakkrieg) führten wieder zu einem Anstieg der Erkrankungszahlen vor allem in Afrika und Asien.

med. Redaktion Dr. med. Werner Kellner
Aktualisierung 30.10.2009