Blutgruppen

Blutgruppen sind erblich bedingte Eigenschaften von Blutbestandteilen. Sie werden mithilfe von spezifischen Antikörpern (Eiweißmolekülen) nachgewiesen.

Spricht man landläufig von Blutgruppen, so bezieht man sich auf das AB0 Blutgruppensystem und das Rhesus-Blutgruppensystem. Beiden Systemen liegen spezifische Oberflächenmerkmale oder Antigene auf den roten Blutkörperchen zugrunde. Beim AB0 Blutgruppensystem handelt es sich dabei um Antigene, die von Zuckermolekülen geprägt sind, beim Rhesus-System um Eiweißstrukturen (Polypeptide). Die Angabe der Blutgruppe setzt sich aus Merkmalen beider Blutgruppensysteme zusammen (beispielsweise „Blutgruppe 0, rhesusnegativ“).

Neben diesen beiden Blutgruppensystemen existieren noch weitere, denen spezifische Antigene auf den roten Blutkörperchen zugrunde liegen. Dazu zählen unter anderem das Kell-, Lewis-, Duffy-, Kidd-, MNS-, Diego-, Colton-, P- und Lutheran-System.

Schließlich finden sich auch auf anderen Blutbestandteilen, wie den Blutplättchen, den weißen Blutkörperchen (HLA-System), auf Plasmafaktoren oder anderen Köperzellen, spezifische Oberflächenmerkmale.

Welche medizinische Bedeutung haben Blutgruppen?

Klinische Bedeutung haben die Blutgruppen vor allem in der Transfusions- und Transplantationsmedizin („Organverpflanzung“) sowie in der Geburtshilfe (serologische Schwangerenvorsorge -> siehe auch Rhesus-Blutgruppensystem).

Vor Kenntnis der Blutgruppensysteme (noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts) starben viele Menschen bei Bluttransfusionen. Die Ursache dafür war eine Verklumpung und Zerstörung der roten Blutkörperchen, die zur Verstopfung der Blutgefäße und im ungünstigsten Fall zum Tod führte.

Der Grund für die Unverträglichkeitsreaktion sind bestimmte Substanzen (Zuckermoleküle, Proteine) des fremden Blutes – die sogenannten Antigene auf den roten Blutkörperchen. Sie führen zu einer Aktivierung körpereigener Antikörper (Eiweißstoffe) im Blut. Im Falle einer Unverträglichkeit binden die Antikörper an die Antigene auf den roten Blutkörperchen des Spenderblutes. Es kommt zur Ausbildung des Antikörper-Antigen-Komplexes und Verklumpung (Agglutination) der roten Blutkörperchen.

(Siehe dazu auch ausführlich im Artikel AB0 Blutgruppensystem).

Bei einer Organtransplantation finden sich viele Antigene auf den Körperzellen des transplantierten Organs. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von „Gewebetyp“. Je ähnlicher sich der Gewebetyp von Spender und Empfänger sind, desto unwahrscheinlicher ist eine Abstoßung des Spenderorgans.

Welche biologische Bedeutung haben Blutgruppen?

Die verschiedenen Blutgruppenantigene haben verschiedene Funktionen. Als Bestandteil von Zellmembranen wirken sie mit am Transport von Elektrolyten (Diego-System; Chlorid-Bicarbonat-Transport), von Wasser (Colton-System), von Harnstoff (AB0-System) oder Ammonium (Rh-Proteine). Außerdem spielen sie eine Rolle bei der Aktivierung und Regulation des Komplementsystems, das einen Teil des Immunsystems darstellt und bsp. der Abwehr von Bakterien dient.

Welcher Zusammenhang besteht zwischen Blutgruppen und Krankheiten?

Zwischen Blutgruppen und Krankheiten bestehen eine Reihe von Beziehungen, deren Ursachen aber nicht ausreichend geklärt sind.

Ein Zusammenhang zeigt sich unter anderem in einer besonderen Empfindlichkeit oder Resistenz gegenüber Krankheiten.

Personen mit der Blutgruppe 0 sind empfindlicher für eine Infektion mit dem Pesterreger, Menschen mit Blutgruppe A erkranken leichter an Windpocken und Träger der Blutgruppe B sind empfänglicher gegenüber Salmonellen und Shigellen (Erreger von Darminfektionen).

Demgegenüber haben Menschen mit einer abnormen Ausprägung von Merkmalen des MNS-Systems (Glykophorin A/B) eine mehr oder minder ausgeprägte Resistenz gegen den Malariaerreger Plasmodium falciparum. Eine Resistenz gegenüber den Malariaerregern Plasmodium vivax und knowlesi besteht bei Fehlen von zwei Antigenen des Duffy-Systems (Fya und Fyb).

Menschen mit der P1- und P2-Antigenen (P-System) erkranken leichter an Harnwegsinfekten, da sie gegenüber dem vornehmlich auslösenden Erreger – E.coli – empfänglicher sind.

Quelle: Thomas, Labor und Diagnose
med. Redaktion Dr. med. Werner Kellner
Aktualisierung 21.02.2009