Urethrakrebs (Harnröhrenkrebs) (engl. urethral carcinoma)

Der Urethra- oder Harnröhrenkrebs ist ein sehr seltener bösartiger Tumor der Harnröhre. Er kann bei Männern und Frauen auftreten, wobei Frauen doppelt so häufig erkranken. Insgesamt macht das Karzinom etwa 0,3% aller bösartigen Krebserkrankungen aus. Die meisten Patienten sind über 50 Jahre alt.

Ursachen, Risikofaktoren

Die Entstehungsursachen sind weitestgehend unbekannt. Angenommen wird, dass häufig auftretende oder chronische Harnwegsinfektionen, Geschlechtskrankheiten oder bestimmte Sexualpraktiken die Tumorentstehung begünstigen. Einen weiteren Risikofaktor stellen auch sogenannte Harnröhrendivertikel dar. Dabei handelt es ich um Ausstülpungen der Harnröhre, die angeboren oder erworben sein können. In ihnen sammelt sich der Harn. Das in ihnen befindliche Harnröhrensekret wird nicht unbedingt beim normalen Wasserlassen nach außen abgeleitet. Der Urethrakrebs entwickelt sich oft in diesen Blindsäcken der Harnröhre.

Anatomie und Funktion der Harnröhre

Die Urethra (= Harnröhre) ist ein röhrenförmiges Hohlorgan. Sie geht von der Harnblase aus und leitet den Harn nach außen ab. Bei Männern dient sie zusätzlich als Ausführgang für das Sperma beim Samenerguss.

Sie weist geschlechtsspezifische Unterschiede auf: Bei Frauen ist sie nur 2,5 – 5 Zentimeter lang. Ihr Ausgang befindet sich oberhalb des Scheideneingangs zwischen den inneren Schamlippen. Die männliche Harnröhre ist mit 20-25 Zentimeter deutlich länger; sie passiert die Prostata (= Vorsteherdrüse), wo auch die Samenleiter in die Harnröhre eintreten, führt durch den Penis und mündet schließlich in der Eichel.

Aufgrund der kürzeren Harnröhre ergibt sich für Frauen der Nachteil, dass sie wesentlich öfter als Männer an aufsteigenden Harnwegsinfekten leiden, aber im Gegenzug können bei ihnen Karzinome der Harnröhre eventuell leichter erkannt werden.

Symptome

Das erste wahrnehmbare Krankheitszeichen ist Blut im Urin. Dabei kann der Urin deutlich rot gefärbt sein sich oder es befinden sich nur unsichtbare Spuren in der flüssigen Ausscheidung. Jedoch kann dieses Symptom auch bei anderen Erkrankungen auftreten und stellt kein sehr spezifisches Krankheitsmerkmal dar. Eine genaue Diagnostik ist daher erforderlich.

Wenn der Tumor die Harnröhre bereits verengt, kann dies zu einem Rückstau des Harns in der Blase führen. Die Folge sind ein erhöhtes Infektionsrisiko und vermehrter Harndrang. Die Einengung der Urethra kann zudem zu Schmerzen beim Wasserlassen, einem abgeschwächten Harnstrahl oder Harnträufeln führen. Charakteristisch sind auch Schmerzen nach dem Beischlaf.

Ist die Erkrankung bereits weiter fortgeschritten, treten auch Gewichtsabnahme und Nachtschweiß auf. Befällt der Tumor die Lymphknoten im Becken und in der Leiste, so führt dies zu Lymphstauungen. Dies äußerst sich in einem sogenannten Lymphödem, dass äußerlich durch geschwollene Beine sichtbar wird.

Diagnose

Hinweise auf den Urethrakrebs geben die geschilderten Symptome des Patienten und die Untersuchung durch den behandelnden Arzt (meist Urologe, Gynäkologe). Dabei werden Bauch-, Becken-, Nieren- und Genitalbereich untersucht. Befinden sich die Karzinome im unteren Bereich der Harnröhre (= Harnröhrenmündung), so kann eine Vorwölbung aus der Harnröhrenmündung beobachtet werden. Bösartige Tumore(n), die sich in der Nähe der Blase befinden, sind beim Mann nur schwer äußerlich zu erkennen; bei Frauen kann es zu einer Vorwölbung in die Scheide kommen.

Zudem wird der Harn auf Blut untersucht. Aus dem Harnröhrensekret lassen sich oft schon Tumorzellen nachweisen. Für eine gesicherte Diagnose wird eine Harnröhrenspiegelung durchgeführt. Finden sich dabei tumoröse Veränderungen, so wird Gewebe entnommen und anschließend im Labor mikroskopisch untersucht. Der Tumor kann dadurch genauer charakterisiert werden (Art, Stadium, Eindringtiefe). Histologisch (= auf das Gewebe bezogen) handelt es sich meist um ein sogenanntes Plattenepithelkarzinom.

Mithilfe bildgebender Verfahren (Ultraschall, CT, MRT) untersucht man die Ausbreitung des Tumors in das umliegende Gewebe, die Lymphknoten oder weiter entfernt liegende Organe (Leber, Lunge, Gehirn oder Knochen).

Behandlung

Das Karzinom wird operativ oder mit einer Strahlenbehandlung therapiert. Bisweilen dienen auch eine Strahlen- oder Chemotherapie dazu, den Tumor vor einer Operation zu verkleinern. Kleinere Tumore, die sich noch nicht ausgebreitet haben, können häufig durch eine vollständige oder partielle Entfernung der Harnröhre beseitigt werden. Bei Männern kann dies eine Teilamputation des Penis bedeuten, der aber durch eine plastische Operation wieder hergestellt wird. Der Harn wird mit verschieden Methoden anderweitig abgeleitet.

Bei ausgedehnten Tumoren muss auch die Blase entfernt werden. Sie wird aus Darmteilen nachgebildet. Im Anschluss an die Operation kann sich eine Strahlen- oder Chemotherapie anschließen, um verbliebene Krebszellen abzutöten.

Prognose

Die Heilungschancen der Tumorart sind von folgenden Faktoren abhängig: dem Stadium des Tumors, seiner Ausbreitung und seiner Lokalisation. Tendenziell haben Tumoren, die sich im Bereich des Harnröhrenausgangs befinden, eine bessere Prognose, als Geschwulste in Blasennähe. Tückisch an der Tumorerkrankung ist, dass es häufig zu Rezidiven, also einem erneuten Auftreten des Karzinoms kommt.

med. Redaktion Dr. med. Werner Kellner
Aktualisierung 5.11.2007