Der so genannte „Schwangerschaftsdiabetes“ ist oft eine unerwartete Schwangerschaftskomplikation. Auch wenn die Patientin noch nie etwas mit Diabetes zu tun hatte, kann bei der Vorsorge diese Form des Diabetes diagnostiziert werden. Betroffen von dieser Diabetesform sind circa 3 bis 5 Prozent aller Schwangeren. Jedoch wird der Schwangerschaftsdiabetes nur bei schätzungsweise einem halben Prozent entdeckt. Zumeist tritt der Gestationsdiabetes erst in der 2. Hälfte der Schwangerschaft auf. Grund dafür ist eine nachlassende Insulinwirkung (Insulinresistenz) verursacht durch Schwangerschaftshormone, die in der Plazenta (= Mutterkuchen) gebildet werden. Um dieser hormonell bedingten Insulinresistenz entgegenzuwirken, müssen die Inselzellen der Bauchspeicheldrüse vermehrt Insulin produzieren. Sind die B-Zellen der Bauchspeicheldrüse dazu nicht in der Lage, kommt es zu einer gestörten Glukosetoleranz und dann zum Diabetes mellitus.
Diagnose des Gestationsdiabetes
Für die Diagnose eines Schwangerschaftsdiabetes reicht es häufig nicht aus, nur den Urin regelmäßig zu untersuchen. Die Nierenschwelle, also diejenige Blutzuckerkonzentration ab der Glukose über die Nieren ausgeschieden wird, kann in der Schwangerschaft verändert sein. Der normale Wert liegt bei 180 mg/dl. Aber nicht erst Blutzuckerwerte von 180 mg/dl sind in der Schwangerschaft kritisch, sondern bereits bei Werten von 120 mg/dl sollte man hellhörig werden. Besser zur Diagnose ist daher der orale Glukosetoleranztest, der im Schwangerenvorsorgeprogramm zwischen der 24 und 28. Schwangerschaftswoche enthalten sein sollte. Er wird jedoch von vielen Frauenärzten nicht automatisch angeboten, sondern die Schwangere muss gezielt danach fragen. Die Krankenkassen übernehmen die Kosten für diese Untersuchung nur in bestimmten Fällen.
Mit diesem Test kann auch ausgeschlossen werden, dass eine Erhöhung des Blutzuckerspiegels nicht auf andere Faktoren, wie eine Entzündung, wehenhemmende oder kortisonhaltige Medikamente oder eine Schilddrüsenüberfunktion, zurückzuführen ist. Eine frühzeitige Durchführung (im ersten Drittel der Schwangerschaft) des oralen Glukosetoleranztests sollte vor allem bei bestehenden Risikofaktoren erfolgen. Treffen ein oder mehrere der folgenden Punkte zu, sollte der orale Glukosetoleranztest vorgezogen werden:
- Übergewicht, dass bereits vor der Schwangerschaft bestand,
- Gestationsdiabetes während einer vorangehenden Schwangerschaft,
- Diabetes mellitus bei nahen Blutsverwandten (Eltern, Großeltern, insbesondere mütterlicherseits),
- frühere Geburt eines Kindes mit einem Gewicht über 4.000 Gramm,
- vorangegangene Totgeburt.
Therapie des Gestationsdiabetes
Gilt die Diagnose „Schwangerschaftsdiabetes“ als gesichert, so wird der behandelnde Gynäkologe die Patientin an einen Diabetologen überweisen. Zunächst versucht man, den veränderten Stoffwechsel durch eine Diät und vermehrte körperliche Aktivität zu verbessern. Genügen diese Maßnahmen nicht aus, so muss der Diabetes, wie bei einer Typ-1-Diabetikerin, durch Insulin behandelt werden. Orale Antidiabetika (blutzuckersenkende Tabletten) sind in der Schwangerschaft strikt verboten, da sie der Gesundheit des Babys massiv schaden können. Auch bestimmte Insulinarten (Analoginsuline) dürfen nicht gespritzt werden. Die betroffenen Frauen müssen nach der Diagnose hinsichtlich der Ernährung und dem Umgang mit Insulin geschult und betreut werden. Auch eine „nur“ gestörte Glukosetoleranz bedarf einer intensiven Beratung. Meist erfolgt die Behandlung nach dem Therapieschema der intensivierten Insulintherapie (ICT oder Insulinpumpentherapie). Dabei sind die Zielwerte für den Blutzuckerspiegel während der Schwangerschaft sehr niedrig angesetzt. Der Nüchternblutzuckerwert sollte zwischen 60 und 90 mg/dl (3,3 bis 5 mmol/l) liegen. Eine Stunde nach dem Essen darf der Wert nicht über 140 mg/dl (7,8 mmol/l) liegen und zwei Stunden nach dem Essen nicht mehr als 120 mg/dl (6,7 mmol/l) betragen.
Bei den meisten Frauen verschwindet die gestörte Glukosetoleranz bzw. der Diabetes mellitus nach der Schwangerschaft wieder. Jedoch besteht ein Risiko von 50 Prozent bei einer erneuten Schwangerschaft wieder einen Gestationsdiabetes zu entwickeln. Außerdem haben die betroffenen Frauen ein Risiko von 45 Prozent, innerhalb der nächsten Jahre an Diabetes mellitus zu erkranken. Gewicht regulierende Maßnahmen und regelmäßige sportliche Aktivitäten können den Ausbruch des Diabetes mellitus deutlich hinauszögern oder sogar ganz verhindern.