Der Begriff der Pflegebedürftigkeit

Im Pflegeversicherungsgesetz selbst wird der Begriff der Pflegebedürftigkeit beschrieben (§ 14 Absatz 1 SGB (= Sozialgesetzbuch) XI (Elftes Buch):

Danach gilt: Pflegebedürftig im Sinne dieses Buches sind Personen, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung (1) für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens (2) auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate (3), in erheblichem oder höherem Maße (4) (§ 15) der Hilfe (5) bedürfen.

Was die einzelnen durch arabische Ziffern gekennzeichneten Abschnitte bedeuten, wird im Folgenden erläutert.

(1) Krankheit oder Behinderung im Sinne des Gesetzestextes sind:

  • Verluste, Lähmungen oder andere Funktionsstörungen am Stütz- und Bewegungsapparat,
  • Funktionsstörungen der inneren Organe oder der Sinnesorgane,
  • Störungen des Zentralnervensystems wie Antriebs-, Gedächtnis- oder Orientierungsstörungen sowie endogene Psychosen, Neurosen oder geistige Behinderungen.

(2) Die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens

Hierzu gibt das Gesetz eine konkrete Liste von Tätigkeiten vor, bei denen die Pflegebedürftigen Hilfe benötigen. Aus Sicht des Pflegeversicherungsgesetzes zählen nur die aufgeführten Tätigkeiten dazu.

Im Einzelnen:

  • Im Bereich der Körperpflege: Waschen, Duschen, Baden, die Zahnpflege, das Kämmen, Rasieren, die Darm- oder Blasenentleerung.
  • Im Bereich der Ernährung: das mundgerechte Zubereiten oder die Aufnahme der Nahrung.
  • Im Bereich der Mobilität: das selbstständige Aufstehen und Zubettgehen, An- und Auskleiden, Gehen, Stehen, Treppensteigen oder das Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung.
  • Im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung: das Einkaufen, Kochen, Reinigen der Wohnung, Spülen, Wechseln und Waschen der Wäsche und Kleidung oder das Beheizen (immer nur in Bezug auf den Lebensbereich des Betroffenen.

Die Bereiche Körperpflege, Ernährung und Mobilität werden zur „Grundpflege“ zusammengefasst.

Nicht in die Liste gehören beispielsweise Gespräche, gemeinsame Spaziergänge und gemeinsames Einkaufen, Spiele oder eine allgemeine Betreuung und Beaufsichtigung, damit der Pflegebedürftige die Wohnung nicht verlässt.

Gerade diese rigorose Sicht, was als wiederkehrende Tätigkeiten anzusehen ist, gilt als Kritikpunkt an der Pflegeversicherung. Wesentliche Aspekte, wie die Kommunikation und soziale Teilhabe, werden durch diese abschließende Tabelle ausgeblendet. Daher erfolgte eine Überprüfung des gegenwärtigen Pflegebedürftigkeitsbegriffs durch einen beim Bundesministerium für Gesundheit eingesetzten Beirat. Seine Zielsetzung ist es, konkrete, wissenschaftlich fundierte Vorschläge für einen neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff und ein neues Begutachtungsverfahren zu erarbeiten.

Ein erster Bericht wurde am 29.01.2009 dem Bundesministerium für Gesundheit vorgelegt. In einem ergänzenden Gutachten im Mai 2009 wurde Stellung zur Umsetzung genommen.

(3) Voraussichtlich für mindestens sechs Monate

Der sechsmonatige Zeitraum bezieht sich nicht darauf, dass die Pflegebedürftigkeit bereits so lange vorhanden sein muss. Vielmehr muss die auslösende Krankheit oder Behinderung dauerhaft anhalten. Die Diagnose muss also mindestens sechs Monate gültig sein.

(5) Hilfe

Die Hilfe bei einer „Verrichtung“ kann auf fünferlei Weise erfolgen:

  • als Unterstützung,
  • als teilweise oder
  • vollständige Übernahme der Verrichtung im Ablauf des täglichen Lebens,
  • als Beaufsichtigung oder
  • als Anleitung mit dem Ziel der eigenständigen Übernahme dieser Verrichtung.

„Hilfe“ bedeutet also nicht nur, dass die Pflegeperson an dem Pflegebedürftigen eine Handlung ausführt, wie beispielsweise das Gesicht des Pflegebedürftigen wäscht. Vielmehr zählt auch dazu, wenn die Pflegeperson den Pflegebedürftigen dazu ermuntert, sich selbst das Gesicht zu waschen und nur dabei ist.

(4) In erheblichem oder höherem Maße

In diesem Teil der Definition geht es darum, wie viel Zeit benötigt wird, um die nötigen Hilfestellungen leisten zu können. Kernpunkt ist, ab welchem Zeitaufwand, welche Pflegestufe anzusetzen ist (siehe dazu auch das Kapitel „Einstufung“).

Als Maßstab dafür anzusetzen ist, wie lange ein Familienmitglied oder eine andere nicht als Pflegekraft ausgebildete Pflegeperson für die Verrichtung der Tätigkeiten braucht. Maßgebend ist nicht die Zeit einer professionellen Pflegekraft.

Die erforderliche Zeitaufwand ist maßgeblich für die Einteilung in eine bestimmte Pflegestufe.

Quellen:

Bundesministerium für Gesundheit (Online-Auftritt)

Bundesministerium der Justiz (§ 14 Begriff der Bedürftigkeit, online)Die neue Pflegeversicherung, Andreas Heiber, Linde international

med. Redaktion Dr. med. Werner Kellner
Aktualisierung 09.05.2011