Tourette Syndrom – Ursachen, Symptome und Therapie

Tourette Syndrom – Gilles-de-la-Tourette-Syndrom

Das Tourette-Syndrom ist eine neuropsychiatrische (= die Nerven und Seele betreffende) Erkrankung, deren hervorstechendes Merkmal Tics sind. Darunter versteht man unwillkürliche, rasche, mitunter sehr heftige Bewegungen oder bizarre Wortäußerungen, die einzeln in immer gleicher Weise oder serienartig auftreten können.

Ein großer Teil der Betroffenen leidet zusätzlich an weiteren psychischen Problemen, wie zwanghaften Verhaltensweisen, Perfektionismus, ritualistischem Verhalten oder Aufmerksamkeitsproblemen (hyperkinetisches Syndrom).

Die Erkrankung manifestiert sich meist im Kindes- oder Jugendalter. Der Beginn liegt oft zwischen dem 7. und 8. Lebensjahr, fast immer aber vor dem 21. Lebensjahr. Schätzungen zu Folge sind in Deutschland circa 40 000 Menschen betroffen, Jungen drei bis viermal häufiger als Mädchen.

Tourette Syndrom Ursachen

Die genauen Ursachen der Erkrankung sind nicht gänzlich geklärt. Man geht heutzutage davon aus, dass es sich um eine Störung des Zentralen Nervensystems (= Gehirn und Rückenmark) handelt. So weisen die Betroffenen Veränderungen in den Basalganglien (bestimmte Nervenzentren) im Gehirn auf. Zudem wird vermutet, dass die Regulation des Gehirnstoffwechsels (Dopamin, Serotonin) gestört ist.

Als Auslöser werden auch Streptokokken (= bestimmte Bakterien) verdächtigt. In zehn Prozent der Fälle tritt eine familiäre Häufung auf. Die Disposition zu erkranken wird bei diesem Personenkreis vererbt. Daneben existiert auch eine nicht erbliche Form.

Symptome des Tourette Syndroms

Das Ausmaß der motorischen und stimmlichen Tics ist von Patient zu Patient verschieden. Es können einfache motorische Tics, wie Zuckungen im Gesicht oder ein plötzliches Hochklappen des Unterarms auftreten. Auch komplexe, ritualisierte Abläufe, wie Körperverdrehungen oder das wiederholte Berühren von Gegenständen sind möglich.

Neben diesen motorischen Tics kann es auch möglich sein, dass die Patienten zusätzlich einfache vokale Lautäußerungen, wie ein Zungenschnalzen oder wiederholtes Räuspern, von sich geben. Manche Erkrankten stoßen wiederholt Flüche oder obszöne Ausdrücke aus. Mit diesen Äußerungen beleidigen sie oft ihre Mitmenschen. (Weitere Beispiele für „Tics“ finden sie im Lexikonartikel „Tic„.)

Für gewöhnlich treten die Tics mehrmals täglich auf, klingen jedoch nachts ab. Die Intensität und die Form der Symptome können variieren. Die Tics verstärken sich bei Stress, Angst oder in emotionellen Extremsituationen (Freude, Ärger). Bei einem Großteil der Erkrankten treten zusätzlich zu den Tics auch noch zwanghafte Handlungen, Lernschwierigkeiten und Hyperaktivität auf.

Zusammenfassend kann man sagen, dass für die Diagnose „Tourette-Syndrom“ mehrere Symptome zugleich zutreffen:

  • Sowohl multiple motorische Tics, als auch mehrere vokale Lautäußerungen müssen auftreten. Dabei ist es nicht zwingend notwendig, dass diese gleichzeitig vorkommen.
  • Die Tics treten mehrfach am Tag auf (meist in Serien), fast jeden Tag oder immer wieder über eine Zeitspanne von über einem Jahr.
  • Die Anzahl, die Art, die Häufigkeit und die Lokalisation der Tics variiert. Sie sind mal mehr oder weniger ausgeprägt. Die Symptome können aber auch eine Zeit lang verschwinden (Monate, Wochen) und kommen dann wieder.
  • Der Erkrankungsbeginn liegt meist zwischen dem siebten und achten Lebensjahr, fast immer aber vor dem 21.

Diagnose

Die Diagnose des Tourette-Syndroms stützt sich u. a. auf das Vorhandensein von Tics über einen Zeitraum von mehr als einem Jahr oder auf die Verstärkung der Ticausprägung. Spätestens nach diesem Zeitraum sollte ein Kinder- oder Jugendpsychiater aufgesucht werden.

Aus dem Arzt-Eltern-Patientengespräch und einer umfassenden körperlichen Untersuchung kann der behandelnde Mediziner feststellen, ob es sich um eine Tic-Störung handelt. Bisweilen kann es auch nötig sein, einen Kinderarzt oder Neurologen hinzuzuziehen, um andere Erkrankungen, wie beispielsweise eine Epilepsie, auszuschließen.

Therapie

Die Therapie stützt sich auf zwei Eckpfeiler – die medikamentöse Behandlung und die Psychotherapie.

Fast zwei Drittel der Patienten spricht positiv auf Neuroleptika an. Teilweise werden diese Substanzen mit sogenannten Serotoninwiederaufnahmehemmern kombiniert. In Einzelfällen konnte auch eine positive Beeinflussung der Erkrankung mit folgenden Medikamentenklassen oder Inhaltsstoffen erzielt werden: Dopaminagonisten, GABAerge Substanzen, Botulinumtoxin, Opiatantagonisten, Nikotin, Marihuana und Antibiotika.

Daneben kann individuell abgestimmt, eine Psychotherapie hilfreich sein. Im Rahmen einer Verhaltenstherapie kann die Kontrolle, das schnellere Bewusstwerden oder sogar die Umlenkung der Tics in weniger auffällige Verhaltensweisen trainiert werden. Entspannungstechniken – wie autogenes Training – helfen bisweilen, besser mit den Tics umzugehen.

Eine neuere experimentelle Therapie ist eine neurochirurgische Methode. Dem Betroffenen wird ein sogenannter „Hirnschrittmacher“ eingesetzt, der die Hirnregionen anregt, die einen dämpfenden Effekt auf das Tourette-Syndrom haben. Diese Operationen sind derzeit Ausnahmebehandlungen. Im Einzelfall kann über eine Besserung der Symptomatik nach tiefer Hirnstimulation berichtet werden. Hierbei werden Elektroden in das Gehirn gelegt, die über eine elektrische Stimulation zu einer Unterbrechung der Hirnfunktion in einem bestimmten Hirnareal führt.

med. Redaktion Dr. med. Werner Kellner
Aktualisierung 5.11.2007