Für die dauerhafte Versorgung von älteren Menschen sind Pflegepersonen – meist nahe Angehörige – unentbehrlich. Ohne ihre Mithilfe ist die pflegerische und hauswirtschaftliche Versorgung der Pflegebedürftigen in Deutschland nicht möglich. Sie sind sozusagen der größte und günstigste Pflegedienst in Deutschland und versorgen circa 1,3 Millionen Menschen in häuslicher Umgebung.
Dies hat auch die Politik erkannt. Daher bietet die Pflegeversicherung verschiedene Leistungen, soziale Absicherung und Hilfestellungen, um den pflegenden Angehörigen die Pflege zu Hause zu erleichtern.
Folgendes wird in diesem Sinne für die pflegenden Personen angeboten:
- Pflegekurse für Angehörige und ehrenamtliche Pflegepersonen (§ 45 SGB XI)
- Soziale Absicherung der Pflegeperson (§ 44 SGB XI): Gemeint sind hierbei Leistungen zur Renten- und Unfallversicherung. In der Arbeitslosenversicherung kann sich der Pflegende freiwillig weiterversichern. Außerdem bekommt er Hilfe bei der Wiedereingliederung in den Beruf nach der Pflegezeit.
- Pflegezeiten (Pflegezeitgesetz § 44a SGB XI): Kurzfristige Arbeitsverhinderung (10 Tage) und Pflegezeit von bis zu 6 Monaten.
- (Pflegegeld).
1. Pflegekurse für Angehörige und ehrenamtliche Pflegepersonen
Die Schulungen sind für Angehörige, die sich um einen Pflegebedürftigen kümmern oder sich um ihn kümmern wollen, sowie für sogenannte ehrenamtliche Pflegepersonen (siehe weiter unten) gedacht. Die Kurse werden von den Pflegekassen finanziert und sind für die Teilnehmer kostenlos. Verschiedene Grundschulungen werden meist direkt über ambulante Pflegedienste angeboten. Bei den Pflegekassen kann man sich über konkrete Angebote und Veranstalter informieren.
Inhaltlich vermitteln die Schulungen wesentliche Grundbegriffe, Handgriffe sowie einfache medizinische Hilfeleistungen. Zudem haben die Angehörigen die Möglichkeit, Kontakte mit anderen Pflegenden zu knüpfen und sich auszutauschen.
Aufbauend gibt es spezielle Kurse für einzelne Themenbereiche, bsp. über die Pflege von Demenzkranken.
Gut zu wissen ist, dass man als Pflegeperson neben diesen allgemeinen Schulungen auch eine konkrete Schulung in der Wohnung (Versorgungsbereich) seines Angehörigen in Anspruch nehmen kann. Es ist nämlich etwas grundsätzlich anderes, ob man an einer Puppe an einem freistehenden Pflegebett übt, oder seine bettlägerige Mutter in ihrem eigenen Bett versorgen muss. In diesen Vor-Ort-Schulungen kann besser auf die tatsächliche alltägliche Pflegesituation eingegangen werden.
Die Pflegenden bekommen auch Tipps, welche Pflegehilfsmittel und technische Hilfsmittel am besten eingesetzt werden. Empfehlenswert ist es, diese Schulung auf mehrere kurze Termine zu verteilen, um die einzelnen Pflegeschritte mehrfach üben zu können.
Über dieses Angebot informieren Sie sich am besten bei den Pflegediensten in ihrer Nähe oder bei der zuständigen Pflegekasse.
2. Soziale Absicherung der Pflegeperson
Vor der Einführung der Pflegeversicherung 1995 waren die Pflegepersonen nicht sozial abgesichert. Wenigstens teilweise wollte man diese Lücke schließen. Die Pflegeperson wird nun in die gesetzliche Unfallversicherung aufgenommen. Außerdem kann sie Rentenansprüche erwerben und sich freiwillig in der Arbeitslosenversicherung weiterversichern, muss aber diese Beiträge selbst entrichten. Nach der Pflegezeit kann der Pflegende – unabhängig von einer Weiterversicherung in der Arbeitslosenversicherung – Unterstützung für die berufliche Wiedereingliederung von der Arbeitsagentur erhalten.
Um die sozialen Absicherungen zu erhalten, müssen jedoch bestimmte Bedingungen erfüllt sein.
Der Pflegende muss die Pflege ehrenamtlich übernehmen: Dies ist der Fall, wenn nur ein Pflegebedürftiger von der Pflegeperson versorgt wird und die Entlohnung nur in Höhe des Pflegegeldes der jeweiligen Pflegestufe erfolgt. Ansonsten wird davon ausgegangen, dass die Pflege erwerbstätig erbracht wird.
2.1. Unfallversicherung
Die gesetzliche Unfallversicherung erstreckt sich auf alle Pflegetätigkeiten und alle Tätigkeiten und Wege, die mit der Pflege zusammenhängen. Voraussetzung ist, dass der Pflegebedürftige eine Pflegestufe hat.
Es kommt nicht auf die Dauer der Pflege an, selbst eine einmalige oder kurzfristige Pflegetätigkeit lösen den Unfallschutz aus. Voraussetzung ist aber die ehrenamtliche Pflege (siehe oben).
Wichtig ist es im Schadensfall, bsp. bei der Versorgung im Krankenhaus, anzugeben, dass man zum Unfallzeitpunkt als Pflegeperson tätig war.
Dazu ein Beispiel: Herr Widmann fährt einmal wöchentlich für seinen Nachbarn mit Pflegestufe I einkaufen. Dabei fällt er hin und bricht sich den Arm. Dies wird als „Arbeitsunfall“ eingestuft und wird von der gesetzlichen Unfallversicherung geregelt.
Gemeldet wird die Pflegeperson der Unfallversicherung von der Pflegekasse. Wichtig ist es daher, alle Pflegepersonen, auch solche, die mit der Zeit dazukommen und nur kurzfristig für den Pflegebedürftigen tätig sind, der Pflegeversicherung zu melden.
2.2.Rentenversicherung
Um Rentenansprüche zu erwerben, gelten andere Voraussetzungen. Die Pflegeperson muss den Pflegebedürftigen mindestens 14 Stunden in der Woche pflegen und/oder hauswirtschaftlich versorgen. Jedoch darf der Pflegende nicht mehr als 30 Stunden erwerbstätig arbeiten.
Der Gesetzgeber geht nämlich davon aus, dass Pflegepersonen, die anderweitig mehr als 30 Stunden in der Woche arbeiten, für ihr Alter ausreichend eigene Rentenversicherungsansprüche erwerben. Eine weitere soziale Absicherung ist für sie nicht nötig.
Pflegepersonen, die selbst schon eine Vollrente wegen Alters erhalten, haben keinen Anspruch mehr auf diese soziale Leistung.
Damit die Pflegekassen Beiträge an die gesetzliche Rentenversicherung leisten, müssen diese Leistungen beantragt werden. Die Höhe der Rentenversicherungsbeiträge richtet sich nach der Pflegestufe des versorgten Pflegebedürftigen und nach dem zeitlichen Umfang der Pflege. Die Pflegepersonen werden dabei so gestellt, als würden sie ein Arbeitsentgelt in der Höhe von 26 bis 80 Prozent der Bezugsgröße beziehen. Was das bedeutet, veranschaulicht folgendes Beispiel: Eine Pflegeperson, die einen Pflegebedürftigen der Pflegestufe III mindestens 28 Stunden pro Woche pflegt, ist auf der Basis von 80 Prozent des Durchschnittsentgeltes der gesetzlichen Rentenversicherung abgesichert.
Noch etwas anschaulicher zeigen sich die Rentenanspruche an folgenden Zahlen: Im Durchschnitt ergibt ein Jahr Pflegetätigkeit einen monatlichen Rentenanspruch zwischen 6,95 Euro (Pflegestufe I, 14 Stunden) und 20,85 Euro (Pflegestufe III, 28 Stunden) in den alten Bundesländern. In den neuen Bundesländern zwischen 6,23 Euro (Pflegestufe I, 14 Stunden) und 18,67 Euro (Pflegestufe III, 28 Stunden).
Weitere Informationen für Pflegepersonen erhält eine Broschüre der Deutschen Rentenversicherung mit dem Titel „Rente für Pflegepersonen: Ihr Einsatz lohnt sich“ unter der Adresse www.deutsche-rentenversicherung.de.
2.3. Arbeitslosenversicherung (§ 28a SGB III)
Wenn Sie sich um pflegebedürftige Angehörige kümmern, können Sie freiwillig Mitglied in der Arbeitslosenversicherung bleiben. Dazu müssen Sie einen Antrag bei der Bundesagentur für Arbeit stellen. Der Beitrag muss selbst entrichtet werden. An die freiwillige Weiterversicherung sind noch weitere Voraussetzungen geknüpft. So muss man in den 24 Monaten vor der Pflegetätigkeit bereits 12 Monate Beiträge zur Arbeitslosenversicherung gezahlt haben oder Arbeitslosengeld bezogen haben bzw. unmittelbar vor Aufnahme der Pflegetätigkeit in einem Versicherungsverhältnis gestanden haben.
2.4. Leistungen zur Arbeitsförderung nach SGB III (Sozialgesetzbuch III)
Pflegepersonen, die nach der Pflege eines Pflegebedürftigen, in den Beruf zurückkehren wollen, haben nach dem Sozialgesetzbuch III den Status eines Berufsrückkehrers (§ 20 SGB III). Sie sind damit Eltern gleichgestellt, die nach der Kinderbetreuung wieder in das Erwerbsleben einsteigen wollen. Für diese „Wiedereinsteiger“ bieten die Arbeitsagenturen Veranstaltungen, Informationsmaterial, evtl. Qualifizierungsmaßnahmen und Bewerbertrainings an. Genaue Auskünfte kann die für Sie zuständige Arbeitsagentur erteilen.
3. Pflegezeitgesetz (PlegeZG)
Das Pflegezeitgesetz wurde 2008 vom Deutschen Bundestag als Artikel 3 des „Gesetzes zur Strukturellen Weiterentwicklung der Pflegeversicherung“ verabschiedet und ist in Kraft getreten.
Dank diesem Gesetz kann sich ein Arbeitnehmer von der Arbeit freistellen lassen, um einen nahen Angehörigen zu pflegen. Er genießt in dieser Zeit Kündigungsschutz, hat aber keinen Anspruch auf Lohnfortzahlung. Es gibt zwei Varianten der Freistellung nach dem Pflegezeitgesetz, die sich durch die Zeitdauer voneinander unterscheiden; die kurzzeitige Arbeitsverhinderung (§ 2) und die Pflegezeit (§ 3).
3.1. Kurzzeitige Arbeitsverhinderung
Die pflegenden Angehörigen haben das Recht, bis zu 10 Arbeitstage kurzfristig von der Arbeit fernzubleiben, um einen nahen Angehörigen in einer akuten Pflegesituation selbst zu versorgen oder seine Versorgung zu organisieren.
Wenn der Arbeitgeber es verlangt, muss der Arbeitnehmer eine ärztliche Bescheinigung über die Pflegebedürftigkeit des nahen Angehörigen vorlegen.
Diese Freistellungsmöglichkeit ist für akute Krisen gedacht. Beispielsweise, wenn die normale Pflegeperson plötzlich ausfällt oder der Pflegebedürftige nach einem Krankenhausaufenthalt nach Hause entlassen wird und die Angehörigen (Arbeitnehmer) erst einmal einspringen und in den 10 Tagen eine Pflege organisieren müssen.
Eine Lohnfortzahlung findet in diesen Ausfalltagen in der Regel nicht statt, außer es ist tarifvertraglich etwas anderes vereinbart. Andere Sozialversicherungsleistungen laufen weiter.
3.2. Pflegezeit von bis zu 6 Monaten
Beschäftigte haben einen Anspruch von der Arbeit bis maximal 6 Monate freigestellt zu werden, wenn sie einen nahen Angehörigen in häuslicher Umgebung pflegen wollen. Folgende Bedingungen sind dafür nötig bzw. nicht nötig:
- Eine akute Pflegesituation muss nicht vorliegen.
- Der Anspruch gilt nur maximal sechs Monate für jeden pflegebedürftigen nahen Angehörigen.
- Der Anspruch besteht auch nur, wenn der Arbeitnehmer in einem Betrieb mit mehr als 15 Beschäftigten arbeitet. Entscheidend ist die Anzahl der Köpfe nicht der Stellen.
Der Pflegende muss, um diese Pflegezeit wahrnehmen zu können, die Pflegebedürftigkeit des nahen Angehörigen nachweisen. Eines der folgenden Dokumente muss dem Arbeitgeber dazu vorgelegt werden:
- der Bescheid der Pflegekasse über die Pflegestufe,
- die Feststellung des Medizinischen Dienstes der Krankenkasse (= MDK) über die Pflegestufe,
- die Feststellung des MDK – im Rahmen einer Kurzbegutachtung -, dass mindestens eine Pflegestufe erreicht wird.
Zudem muss der Arbeitnehmer 10 Tage vor Beginn der Pflegezeit in schriftlicher Form die Pflegezeit ankündigen. Man spricht von der sogenannten Ankündigungsfrist. Er muss angeben, wie lange er die Pflegezeit nimmt, bei einer Teilzeitbeschäftigung ist der Umfang der Freistellung anzuführen. Prinzipiell ist auch eine teilweise Freistellung möglich, es sei denn, besondere betriebliche Gründe sprechen dagegen.
Die Pflegezeit muss nicht in vollem Umfang genommen werden. Möglich ist beispielsweise zunächst die Beantragung für die Dauer von drei Monaten und dann eine Verlängerung auf die Höchstzeit von sechs Monaten. Allerdings ist diese Verlängerung vonseiten des Arbeitgebers zustimmungspflichtig, in besonderen Fällen muss er jedoch die Verlängerung akzeptieren (bsp. der Pflegebedürftige zunächst mit keiner anderen Versorgung klarkommt).
Die Pflegezeit kann vorzeitig enden, wenn der Pflegebedürftige stirbt oder in ein Pflegeheim umzieht (spätestens 4 Wochen nach Eintritt der „veränderten Umstände“). Ansonsten endet die Pflegezeit nur vorzeitig, wenn der Arbeitgeber dieser Entscheidung zustimmt.
Auf Antrag übernimmt die Pflegekasse die Pflichtbeiträge der Kranken- und Pflegeversicherung für die Pflegeperson, aber nur, wenn keine anderweitige Absicherung vorhanden ist.
So würde die Pflegekasse keine Beiträge zahlen, wenn die Pflegeperson in der Familienversicherung des Ehepartners abgesichert ist, oder wenn, die bisherige Krankenversicherung weiterhin besteht, weil der Pflegende nur seine Arbeitszeit vermindert hat.
Diese Regelung gilt auch für die private Kranken- und Pflegeversicherung. Allerdings werden nur die Pflichtbeiträge in der gesetzlichen Krankenkasse übernommen. Die Zuschüsse zur Kranken- und Pflegeversicherung für Pflegepersonen bei Pflegezeit betragen monatlich 130,20 Euro (Krankenversicherung), zur Pflegeversicherung 16,38 Euro.
Die Ansprüche für die Arbeitslosenversicherung bleiben auch erhalten, da die Pflegekasse auch hierfür die entsprechenden Pflichtbeiträge zahlt. Diese Beiträge belaufen sich monatlich auf 7,06 Euro bzw. 5,98 Euro je nach Beitrittsgebiet.
Wichtig ist es, den Antrag auf Übernahme der Pflichtbeiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung sofort zu stellen, da ab dem 1. Tag der Pflegezeit keine Ansprüche mehr über das bisherige Arbeitsverhältnis bestehen – außer wenn die Arbeitszeit nur verringert wurde.
Gesetzlich genau festgelegt ist auch, wer ein (naher) Angehöriger ist (siehe auch unter Pflegevertretung im Kapitel „Leistungen der Pflegeversicherung“) oder wer als Arbeitnehmer im Sinne des Pflegegesetzes gilt.
Arbeitnehmer sind:
- Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen,
- die zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten und
- Personen, die wegen ihrer wirtschaftlichen Unselbstständigkeit als arbeitnehmerähnliche Personen anzusehen sind; zu diesen gehören auch die in Heimarbeit Beschäftigten und ihnen gleichgestellten Personen.
Beamte fallen nicht unter diese Definition. Sie haben aber andere weitreichende Befreiungsmöglichkeiten.
Kündigungsschutz besteht sowohl bei der kurzfristigen Arbeitsverhinderung als auch der Pflegezeit von der Ankündigung bis zur Beendigung.
(4. Pflegegeld)
Der Bezieher des Pflegegeldes ist der Pflegebedürftige selbst. Sinn dieser Geldleistung ist es, dass der Pflegebedürftige damit selbst seine Pflege sicherstellt und für die hauswirtschaftliche Versorgung sorgt.
Der Pflegebedürftige kann es der Pflegeperson als Dankeschön geben, er ist dazu aber nicht verpflichtet. Die Pflegeperson hat auch keinen Rechtsanspruch auf das Pflegegeld. Allerdings muss man seinen Angehörigen aber auch nicht pflegen.
Quelle:
Die neue Pflegeversicherung, Andreas Heibner, Linde international
Bundesministerium für Gesundheit (Online-Auftritt)
med. Redaktion Dr. med. Werner Kellner
Aktualisierung 09.05.2011