1. Hypoglykämie und hypoglykämischer Schock
Eine Hypoglykämie wird auch als Unterzucker oder Unterzuckerung bezeichnet. Auch die Kurzform „Hypo“ ist umgangssprachlich gebräuchlich. Von einer Hypoglykämie spricht man, wenn die Blutzuckerwerte auf unter 50 mg/dl (2,78 mmol/l) fallen. Eine schwere Hypoglykämie liegt vor, wenn die Werte auf unter 30 mg/dl (
Die häufigsten Ursachen für den Unterzucker sind Behandlungsfehler mit Insulin (Überdosierung) oder oralen Antidiabetika (Sulfonylharnstoffe). Selbst wenn die Einstellung mit Insulin oder blutzuckersenkenden Medikamenten sehr gut ist, kann eine Unterzuckerung auftreten. Dies kann der Fall sein, wenn der Diabetiker:
- ungewöhnlichen körperlichen Belastungen ausgesetzt ist,
- eine Mahlzeit auslässt,
- unter Durchfall oder Erbrechen leidet,
- Alkohol konsumiert. Die Hypoglykämie kann sogar bereits bei dem Genuss von geringen Alkoholmengen auftreten, da der Alkohol in der Art und Weise auf die Leber einwirkt, dass sie keine Glukose aus dem Glykogenspeicher zur Verfügung stellen kann.
Eine Hypoglykämie zeichnet sich durch eine Vielzahl von Symptomen aus, die individuell verschieden sein können und sich nach der Schnelligkeit und der Schwere richten, mit der sich der Unterzucker entwickelt. Bei einem sich schnell auftretenden Unterzucker bzw. einer leichteren Hypoglykämie kann man bei dem Betroffenen folgende Symptome feststellen: Zittern, Schweißausbrüche, Blässe und Nervosität. Charakteristisch sind auch Herzrasen, ein erhöhter Blutdruck, Kribbeln in den Fingern und Lippen, Heißhunger sowie Druckgefühl in der Brust und Kopfschmerzen.
Bei einer sich langsam entwickelnden Hypoglykämie, die meist nach Fehldosierungen von oralen Antidiabetika auftritt, zeichnen sich die Symptome eher durch neurologische (= das Nervensystem betreffende) Störungen aus. Sie treten jedoch auch in zunehmendem Maße bei schweren Hypoglykämien auf. Die Krankheitszeichen sind: Sprach-, Seh- und Gedächtnisstörungen, Schwindel, Reizbarkeit, Koordinationsstörungen, Grimassenschneiden, Aggressivität und/oder Albernheit. Ein weiteres Absinken des Blutzuckerspiegels kann schließlich zu einem hypoglykämischen Schock (siehe unten) führen, der sich durch Bewusstlosigkeit und Krampfanfälle auszeichnet.
Bei bereits bestehenden Schädigungen des autonomen Nervensystems (siehe auch Nervenschädigungen) können viele dieser Warnanzeichen fehlen. Die betroffenen Patienten sind daher gefährdet, plötzlich in den hypoglykämischen Schockzustand zu geraten. Wiederholte Unterzuckerungen wiederum senken die Fähigkeit, die Warnsymptome zu erkennen. Man spricht in diesem Zusammenhang von einer Hypoglykämie-Wahrnehmungsstörung. Diese tritt vor allem bei Typ-1-Diabetikern nach längerer Krankheitsdauer auf. Häufiges Blutzuckermessen und ein spezielles Wahrnehmungstraining helfen in diesem Falle, die Hypoglykämie zu vermeiden. Die Diagnose „Hypoglykämie“ lässt sich durch eine Blutzuckermessung schnell bestimmen. Ist der Betroffene noch wach und ansprechbar, so hilft der Verzehr von schnell verfügbaren Kohlenhydraten (Traubenzuckerblättchen oder Würfelzucker!), die mit reichlich Flüssigkeit eingenommen werden sollten. Bei Bewusstlosigkeit des Patienten muss der Hilfeleistende das Hormon Glukagon unter die Haut (= subkutan) oder in den Muskel (= intramuskulär) spritzen. Der (Not)Arzt kann eine Glukoselösung direkt intravenös verabreichen.
Wie bereits ausgeführt, kann eine Hypoglykämie schnell in einen lebensbedrohlichen hypoglykämischer Schock übergehen. Seine charakteristischen Merkmale sind Bewusstlosigkeit, Krämpfe, Schwitzen und feucht-blasse Haut. Der Patient muss umgehend eine Glukoselösung in Form von Infusionen erhalten, um ein Atem- und Kreislaufversagen zu vermeiden. Zur weiteren Überwachung wird der Diabetiker in einer Klinik aufgenommen. Eine Neueinstellung des Blutzuckers kann dort erfolgen.
2. Hyperglykämie und diabetisches Koma
Mit Hyperglykämie oder Überzuckerung meint man einen Anstieg des Nüchternblutzuckerspiegels auf über 120 mg/dl (>6,7 mmol/l). Ein in dieser Weise dauerhaft erhöhter Blutzuckerspiegel ist das Kardinalsymptom des Diabetes mellitus. Wird die Hyperglykämie nicht ausreichend behandelt, so kommt es zu Schädigungen der Gefäße und Nerven (siehe auch Folgeerkrankungen).
Vorübergehende, sehr starke Erhöhungen des Blutzuckerspiegels nennt man passagere Hypoglykämie. Ihre Ursachen sind extreme Stresssituationen (akuter Herzinfarkt oder Schlaganfall, Vergiftungen, schwerere Verletzungen, wie Schädel- und Hirnverletzungen). Auch bestimmte Medikamente, wie Diuretika (Entwässerungstabletten) können diese Zuckerspitzen verursachen. Nach Abklingen der akuten Begleiterkrankung bildet sich die passagere Hypoglykämie wieder zurück.
Bei extrem hohen Blutzuckerkonzentrationen mit Werten kann es zum diabetischen Koma mit tiefer Bewusstlosigkeit kommen. Bei einem Viertel der Erkrankungsfälle äußert sich der Diabetes mellitus erstmalig durch ein diabetisches Koma. Dies trifft besonders auf Typ-1-Diabetiker zu.
Die Ursachen für ein diabetisches Koma sind beispielsweise:
- Infektionen, wie Lungenentzündungen oder Harnwegsinfekte,
- Behandlungsfehler (vergessene Insulininjektionen),
- Defekte der Insulinpumpe,
- Diätfehler,
- bestimmte Medikamente (Diuretika, Kortisonpräparate),
- Erkrankungen, wie eine Schilddrüsenüberfunktion oder ein akuter Herzinfarkt.
Es gibt zwei Formen des diabetischen Komas, die sich in ihrer Symptomatik unterscheiden. Jedoch treten auch Mischformen auf.
1. Das ketoazidotische Koma ist charakteristisch für Typ-1-Diabetes. Die Blutglukosekonzentration liegt meist bei unter 1000 mg/dl oder Fette. Dabei reichern sich Abbauprodukte, so genannte Ketonkörper (z.B. Azeton), im Blut an, die zu einer Übersäuerung des Körpers (Ketoazidose) führen. Sie führt zu einem typischen Azetongeruch, der an Nagellackentferner erinnert, in der Ausatemluft des Patienten. Des Weiteren leiden die Betroffenen an charakteristischen Atemstörungen (extrem tiefe Atemzüge) und Bauchbeschwerden. Nierenversagen und Herzkreislaufversagen können zum Tode führen.
2. Das hyperosmolare Koma können Blutzuckerwerte von über 1000 mg/dl oder > 55,5 mmol/dl gemessen werden. Es ist typisch für Typ-2-Diabetiker. Bei Ihnen reicht jedoch die verbleibende selbstproduzierte Insulinmenge aus, um den verstärkten Fettabbau zu hemmen. Die typischen ketoazidotischen Symptome treten daher nicht auf.
Bei dieser Komaform ist das Hauptproblem der große Flüssigkeitsverlust des Körpers. Der hohe Blutzuckerspiegel führt dazu, dass verstärkt Flüssigkeit aus den Zellen in das Blut gelangt und über die Nieren in erhöhtem Maße ausgeschieden wird. Ein großes Durstgefühl und häufiges Wasserlassen deuten das hyperosmolares Koma an. Zunehmendes Schwächegefühl und Kollapsneigung kommen hinzu.
Patienten mit einem diabetischen Koma müssen umgehend ärztlich behandelt und intensivmedizinisch betreut werden. Die Therapie besteht in der Gabe von Insulin und Natriumbicarbonat oder Tris-Puffer. Der Flüssigkeitsverlust wird durch Infusionen ausgeglichen, eventuell werden die Kaliumverluste substituiert. Wichtig ist es die ersten Anzeichen des diabetischen Komas zu erkennen und Maßnahmen einzuleiten, da die Sterblichkeitsrate beim diabetischen Koma zehn Prozent ausmacht.