Ullrich-Turner-Syndrom

Das Ullrich-Turner-Syndrom – auch Turner-Syndrom genannt – beschreibt eine bestimmte Konstellation der weiblichen Geschlechtschromosomen, also der X-Chromosomen. Das Syndrom in seiner vollen Ausprägung betrifft nur Mädchen. Die Leitsymptome sind eine Störung der Geschlechtsentwicklung, Unfruchtbarkeit und Minderwuchs bei normaler geistiger Entwicklung.

Auf 2.500 bis 2.700 Mädchengeburten kommt eine Geburt mit Ullrich-Turner-Syndrom. Die vorgeburtliche Sterblichkeit bei dieser genetischen Konstellation ist extrem hoch. So enden 95% der Schwangerschaften mit Embryonen, die den genetischen Befund des Turner-Syndroms aufweisen (45,X0), bereits in den ersten drei Schwangerschaftsmonaten.

Ursachen

Menschen besitzen in jedem Zellkern normalerweise 46 Chromosomen (Ausnahme Ei- und Spermienzelle -> hier nur 23 Chromosomen). Bei Frauen sind zwei dieser Chromosomen die X-Chromosomen (= die weiblichen Geschlechtschromosomen). Der sogenannte Genotyp wird mit 46,XX angegeben. Mädchen und Frauen mit Ullrich-Turner-Syndrom fehlt eines der X-Chromosomen (Genotyp: 45,X0) oder das X-Chromosom fehlt in einem Teil ihrer Körperzellen (Genotyp: 45,X0/46,XX). Manche Frauen haben auch beide X-Chromosomen, jedoch ist eines strukturell verändert.

Diese chromosomale Anomalie hat ihren Ursprung in einer Fehlverteilung der Chromosomen bei der Keimzellbildung oder bei den ersten Zellteilungen nach der Befruchtung. Warum es zu dieser Fehlverteilung kommt oder warum sich die Chromosomen verändern, ist nicht bekannt. Die Chromosomenanomalie kann auch nicht vererbt werden.

Symptome des Ullrich-Turner-Syndroms

Die Symptome sind in ihrer Ausprägung recht unterschiedlich. Mädchen mit der genetischen Mosaikvariante (45,X0/46,XX) bleiben oft lange unerkannt und können einen spontanen Pubertätsbeginn haben.

Eines der Leitsymptome des Turner-Syndroms ist Minderwuchs. Schon bei der Geburt haben die betroffenen Mädchen eine kleinere Körpergröße und sind leichter als Säuglinge mit normaler Chromosomenkonstellation. Ohne den Einsatz von Wachstumshormonen erreichen die Betroffenen nur eine Körpergröße von 144 Zentimetern.

Typische äußerlich sichtbare Merkmale können folgendermaßen in Erscheinung treten: Schwellungen an den Händen und Fußrücken der Säuglinge, ein flügelförmig verbreiterter Halsansatz (Pterygium colli, „Flügelhals“), herzabhängende Augenlieder, tiefliegender Haaransatz im Nacken, ein breiter Brustkorb mit weit auseinanderliegenden Brustwarzen, zahlreiche Geburtsmale sowie ein gedrungener Körperbau.

Treten Fehlbildungen an inneren Organen auf, so betreffen sie vor allem das Herz (bsp. Aortenisthmusstenose) und die Nieren. Sind die Eierstöcke vorhanden, so bilden sie sich häufig schon frühzeitig zurück. Meist finden sich jedoch von Anfang an nur bindegewebige Stränge, sogenannte „gonadal streaks“. Durch den Mangel an weiblichen Hormonen kommt es nicht zur Pubertät. Die normale Entwicklung der Brust und die Menstruation bleiben aus.

Später haben die Frauen ein deutlich höheres Risiko bestimmte Krankheiten zu entwickeln. Dazu zählen: Osteoporose, Schilddrüsenunterfunktion, Diabetes mellitus Typ II, Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems und des Magen-Darm-Traktes (Morbus Crohn und Colitis ulcerosa).

Diagnose

Bereits bei der Geburt kann der Verdacht auf Ullrich-Turner-Syndrom anhand der typischen körperlichen Merkmale bestehen. Letztendliche Sicherheit gibt die Chromosomenanalyse (Karyogramm).

Therapie des Ullrich-Turner-Syndroms

Bereits in der Kindheit beginnt die Therapie mit Wachstumshormonen. Die Körpergröße kann so von 145 Zentimetern auf circa. 152 Zentimeter gesteigert werden. Die betroffenen Mädchen reagieren sehr unterschiedlich auf diese Art der Hormontherapie. Gegebenenfalls erfolgt die optische Korrektur des Flügelhalses. Begleitend auftretende Erkrankungen, wie Herzfehler oder Nierenfehlbildungen, müssen eventuell operativ behandelt werden.

Ab dem 12. Lebensjahr wird die Pubertätsentwicklung mit weiblichen Hormonen eingeleitet. Die Behandlung sorgt für eine normale Entwicklung der sekundären Geschlechtsmerkmale und das Eintreten der Menstruation. Die Patientinnen bleiben jedoch unfruchtbar.

Die meisten betroffenen Frauen erhalten später eine Hormonersatztherapie. Die Substitution der Östrogene ist wegen des erhöhten Osteoporose- und Arteriosklerose-Risikos wünschenswert.

Eine langfristige Betreuung der betroffenen Frauen sollte regelmäßige Check-ups umfassen. Dabei sind folgende Untersuchungen empfehlenswert:

  • Körperliche Untersuchung mit Blutdruckkontrolle und BMI-Ermittlung (Gewichtskontrolle),
  • Überprüfung der Schilddrüsen-, Blutzucker- und Fettwerte,
  • Kontrolle der Leber- und Nierenfunktion,
  • Knochendichtemessung,
  • Ultraschall des Herzens,
  • Überprüfung des Hörvermögens.

med. Redaktion Dr. med. Werner Kellner
Aktualisierung 5.11.2007