Sturzprophylaxe (Vorbeugung vor Stürzen)

Bei älteren Menschen haben Stürze oft fatale Folgen. Jedes Jahr enden mehr als 200.000 Stürze, welche (nur) durch Stolpern verursacht werden, mit einer Fraktur (= Bruch) der Hüfte oder des gelenknahen Oberschenkels und müssen stationär behandelt werden.

Gerade für ältere Menschen haben diese hüftgelenksnahen Brüche ernsthafte Folgen für ihre weitere Zukunft. Etwa 30 Prozent werden nach dem Oberschenkelhalsbruch ein Pflegefall oder tragen starke Einschränkungen in der Beweglichkeit davon. Diese verringerte Beweglichkeit kann zu einer Einweisung in ein Alten- oder Pflegeheim führen, die Pflegebedürftigkeit erhöhen oder einen Verlust der Lebensqualität bedingen.

Etwa ein Drittel der Betroffenen kann nach der operativen Versorgung der Fraktur langfristig nicht wieder in ihr gewohntes häusliches Umfeld zurückkehren.

Folgende Tendenzen lassen sich in Bezug auf Stürze im Alter ausmachen:

  • Je älter die Menschen sind, desto häufiger stürzen sie.
  • Frauen stürzen häufiger als Männer.
  • Die Gefahr, nach einem Sturzereignis innerhalb des nächsten Jahres erneut zu stürzen, ist sehr hoch (60 – 70 Prozent).
  • Bewohner von Alten- und Pflegewohnheimen sind von hüftgelenksnahen Frakturen in erhöhtem Maße betroffen. Diesem Umstand wird mit verstärkten Schulungen des Personals zu dieser Thematik und gezielten Vorbeugemaßnahmen begegnet.

Risikofaktoren für Stürze sind zudem: deutliches Untergewicht, niedriger Blutdruck und deutliche Sehminderung (siehe auch unten Ursachen für Stürze).

Jedoch haben die Stürze nicht nur körperliche Folgen. Bis zu 70 Prozent der betroffenen Senioren haben Angst vor weiteren Stürzen. Gerade für ältere Menschen hat dies fatale Folgen. Das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten schwindet, mit der Folge, dass die Alltagsaktivitäten eingeschränkt werden. Ein Teufelskreis ist in Gang gebracht. Es folgt ein weiterer Abbau von eigentlich vorhandenen Fähigkeiten und sozialen Kontakten.

Was sind die Ursachen von Stürzen bei älteren Menschen?

Die Stürze lassen sich oft nicht auf eine einzelne Krankheit zurückführen, sondern sind meist das Ergebnis von mehreren Faktoren. So können die nachlassende Sehkraft in Kombination mit schlechter Beleuchtung und Gangunsicherheit bereits eine Falte im Teppich zum Sturzauslöser werden lassen. Leidet der Betroffene zusätzlich noch an Osteoporose (Knochenschwund) so führt der Sturz bei ihm mit einer höheren Wahrscheinlichkeit zu einem Bruch, als bei einem Gesunden, der auf die gleiche Weise stürzt.

Häufige Gründe für Stürze bei älteren Menschen:

Verschiedene Erkrankungen

  • Krankheiten des Bewegungsapparates

Altersbedingt kommt es zu Veränderungen am Bewegungsapparat, die einen häufig nicht mehr elastischen und aufrechten Gang bedingen. Ältere Menschen gehen meist nach vorne gebeugt mit leicht gebeugten Knien. Der Gang ist schleppend bis schlürfend. Hindernissen – sei es auch nur eine Falte im Teppich – kann so nicht mehr so leicht ausgewichen werden. Man stolpert über die kleinsten Unebenheiten. Besteht dazu eine Gangunsicherheit, verlieren die Betroffenen leicht die Balance und stürzen. Auch degenerative Veränderungen der Gelenke erhöhen die Sturzgefahr.

  • Erkrankungen des Nervensystems

Erkrankungen wie Parkinson, Schlaganfall, Demenz, Krampfanfälle oder Verwirrtheit können zu verschiedenen und unterschiedlich stark ausgeprägten Störungen führen. Bestimmte Bewegungen können oft nicht mehr ausgeführt werden oder Situationen und das eigene Können werden falsch eingeschätzt. Stürze sind so fast vorprogrammiert.

  • Erkrankungen des Herz- und Kreislaufsystems

Koronare Herzkrankheiten, niedriger Blutdruck, Herzrhythmusstörungen können einen Menschen derart beeinträchtigen, dass er leichter stürzt. Ursächlich für den Sturz ist nicht selten ein kurzer Bewusstseinsverlust, eine sogenannte Synkope, deren Ursache genau abgeklärt werden muss.

  • weitere Erkrankungen

Weitere Erkrankungen, die Stürze begünstigen können, sind:

  • die Spätfolgen eines Diabetes mellitus, sogenannte Polyneuropathien (Nervenschädigungen), die sich meist auf die Sinneswahrnehmungen der Füße auswirken, sodass die Betroffenen den Untergrund nicht mehr richtig spüren können
  • Depressionen
  • Störungen des Gleichgewichtssinnes
  • Allgemeine Schwäche, bsp. nach kurzer Bettlägrigkeit
  • Anämie (Blutarmut)
  • Alkoholmissbrauch.

Medikamente

Medikamente sind in der Lage, den Kreislauf, die Wahrnehmung und die Orientierung zu beeinträchtigen. Beispielhaft seien hier einige Medikamentengruppen aufgeführt, die das Sturzrisiko erhöhen können:

  • Schlaf – und Beruhigungsmittel: Sie können bei älteren Menschen stärker und länger wirken als bei jüngeren. Die Wahrnehmung ist bisweilen bei Einnahme der Mittel stark beeinträchtigt. Das Risiko zu stürzen, kann sich drastisch erhöhen, wenn der Betroffene nachts erwacht und aufsteht. In diesem Fall treffen evtl. Dunkelheit (schlechte Sichtverhältnisse), Schläfrigkeit und Benommenheit durch das Medikament aufeinander. Befindet sich der Patient dann auch noch in einer fremden Umgebung (bsp. Krankenhaus, Umzug ins Seniorenheim) steigt das Sturzrisiko zusätzlich.
  • Herzmedikamente: Einige können als unerwünschte Nebenwirkungen zu Herzrhythmusstörungen führen oder den Blutdruck senken. Die Folgen können Schwindel oder Gangunsicherheiten sein.
  • Diabetesmedikamente: Ist ein Diabetiker mit der Dosierung seiner Medikamente nicht vertraut und erkennt auch nicht die Anzeichen einer Unter- bzw. Überzuckerung, ist es möglich, dass die Blutzuckermedikamente zu Stoffwechselentgleisungen führen. Sowohl ein hoher als auch ein niedriger Blutzuckerspiegel führen zu Schwindel, Zittern und schlimmstenfalls auch Bewusstlosigkeit.

Nachlassende Seh- und Hörkraft

Die nachlassende Seh- und Hörkraft im Alter erschweren die Orientierung und erhöhen daher zusätzlich die Sturzgefahr.

Im Alter lässt das Nahsehen nach, die Blendempfindlichkeit nimmt zu und die Hell-Dunkel-Adaptation (= Anpassung) lässt nach. Bei sehgeschwächten Personen kann es leicht passieren, dass sie bei schlechter Beleuchtung einen Schatten als Hindernis wahrnehmen, der gar nicht existent ist oder real existierende Gegenstände nicht erkennen. Dies kann zu Fehltritten und Stolpern und damit Stürzen führen.

Deshalb legt man im Bereich der Vorbeugung besonderen Wert auf eine gute Beleuchtung.

Wohnung und Wohnumfeld

Das erhöhte Sturzrisiko bei älteren Menschen ist nicht nur abhängig von den vorgenannten Risikofaktoren, sondern auch von einem oft nicht auf die Bedürfnisse der Senioren abgestimmten (Wohn-)umfeld. Bekannte Stolperfallen sind:

  • Fernseh- und Lampenkabel,
  • glatte Fliesenböden, lose Teppiche (mit hochstehenden Teppichkanten), Türschwellen,
  • herumliegende Gegenstände,
  • hohe Treppenstufen mit einem schmalem Tritt,
  • fehlende Treppengeländer,
  • schlecht ausgeleuchtete Räume.

Das Sturzrisiko erhöhen auch:

  • Wege, die durch Herbstlaub, Eisglätte oder Regen rutschig sind
  • Umräumen in einer Wohnung oder Umzug: Stellt man Möbel um oder zieht der ältere Mensch in eine neue Umgebung, kommt es leichter zu Stürzen. Im Kopf hat man den Bauplan seiner gewohnten Umgebung. Stellt man etwas um oder verändert die Umgebung vollständig, stimmt er nicht mehr und man stolpert über die Kommode, die früher ganz woanders stand. Dies ist vor allem im dunklen oder schwachen Licht der Fall.
  • nicht angepasste Hilfsmittel: zu lange Gehstöcke oder nicht richtig eingestellte Sehhilfen
  • falsches Schuhwerk: Schuhe, die schlecht sitzen, eine glatte Sohle bzw. hohe Absätze haben. Ein gutes Schuhwerk sollte gut passen (nicht die ausgelatschten Hausschuhe), hinten geschlossen sein, eine härtere und dünne Sohle haben. Außerdem müssen die Schuhe leicht anzuziehen sein.

Maßnahmen, um Stürzen vorzubeugen

  • Ausschalten der Stolperfallen in der Umgebung:
  • lose Teppiche festkleben oder ganz auf sie verzichten
  • lose Kabel sicher befestigen (Verlegung unter den Möbelstücken, Zimmerrand usw.)
  • schnurlose Telefone benutzen
  • häufig benutzte Gegenstände leicht erreichbar unterbringen
  • Sessel, Sofa, Toilette und Stühle in der richtigen Höhe kaufen oder anpassen, damit ein einfaches Hinsetzen oder Aufstehen gewährleistet ist
  • Badewanne und Dusche mit rutschfesten Matten anpassen, Haltegriffe und evtl. Badewannensitze anbringen
  • blendfreie Lichtquellen anbringen; Gänge bzw. Treppenhäuser mit Handläufen, die um die Ecke gehen, sichern
  • „Trainingsmaßnahmen“

Viele Bewegungsabläufe, bei denen Stürze leicht auftreten, können gezielt trainiert werden. Auch ein allgemeines Bewegungstraining, das Balance, Kraft und Standfestigkeit trainiert, ist sehr sinnvoll. Folgendes sollte geübt werden (bezieht sich vorwiegend auf stationäre Einrichtungen):

  • Die Toilettenbenutzung (Hinsetzen und Aufstehen, Vornüberbeugen zur Reinigung) sowie die Benutzung der Dusche- oder Badewanne
  • Das Ein- und Aussteigen aus einem Pflegebett; die Höhe und Breite dieser Betten sind für ältere Menschen zunächst äußerst ungewohnt. Wichtig beim Aufstehen – auch aus Stühlen – ist der Bodenkontakt der Füße. Er liefert die nötige Information, um sich zu erheben und fest stehen zu können. Die Kraft der Beine kann getestet werden
  • Der Umgang mit Gehhilfen; sie sollten auch regelmäßig angepasst werden und für verschiedene Bereiche benutzt werden können
  • Sturzangst

Die Angst vor einem Sturz ist oft eine Reaktion auf vorangegangene Stürze (Post-Fall-Syndrom). Manche (ältere) Menschen entwickeln eine regelrechte Sturzphobie und verlassen aus Angst zu stürzen, tagelang das Bett nicht.

Um dieser Angst vorzubeugen, sollte mit den Betroffenen nach einem Sturz das selbstständige Aufstehen gefördert und evtl. sogar eingeübt werden. Diese Maßnahmen helfen, die Angst zu mindern und erweitert ihre Alltagskompetenzen.

Hilfsmittel, um Stürze zu vermeiden

Es gibt eine Reihe von praktischen Hilfsmitteln, die dazu beitragen, ein Ausrutschen zu vermeiden. Dazu gehören: Gehilfen (bsp. Rollatoren und Stöcke), Schuh-Spikes für Schnee und Eis, Eiskrallen für Gehstöcke, Stoppersocken, Anziehhilfen sowie Toilettensitzerhöhungen, Einstiegshilfen in die Badewanne, Duschsitze und Anti-Rutsch-Matten.

Um einen Sturz weich abzufedern, haben sich Hüftprotektoren als hilfreich erwiesen. Es handelt sich dabei um anatomisch geformte Plastikschalen, die im Bereich der Hüfte (Trochanter major) in eine Spezialhose eingelassen sind. Beim Sturz auf die Hüfte wird die Sturzenergie des Aufpralls vom Knochen weg geleitet. Der Oberschenkelhals wird nicht in einem Punkt getroffen und die Wahrscheinlichkeit für eine Fraktur wird deutlich gesenkt. Allerdings lehnen viele Menschen diese Spezialunterhosen ab, da sie nicht immer als bequem empfunden werden und die Figur unvorteilhaft verändern.

med. Redaktion Dr. med. Werner Kellner
Aktualisierung 09.05.2011