Stottern – Balbuties, Psellismus, Dysphemie (engl. stuttering)

         

Stottern – Balbuties, Psellismus, Dysphemie (engl. stuttering) Stottern ist eine Störung des Redeflusses. Die Ausprägung ist häufig von der Gesprächssituation abhängig. Bestimmte Gesprächspartner oder emotionale Beteiligung (Wut, Freude, Zorn, Erregung, Angst) sowie körperliche oder psychische Belastungen begünstigen diese Redestörung. Dagegen tritt sie beim Singen, Reden mit Tieren und kleinen Kindern, oder dann, wenn der Betroffene allein ist, nicht auf. Sie unterliegt auch nicht der willentlichen Beeinflussung. Man unterscheidet verschiedene Formen des Stotterns. Am häufigsten werden Laute, Silben oder Worte wiederholt (= klonisches Stottern). Beim sogenannten tonischen Stottern entstehen Pausen beim Sprechen und der Betroffene dehnt Silben.

Zudem ist eine Blockierung des Redeflusses mit stummem Pressen oder Pressen mit vernehmbaren Stimmgebungsversuchen möglich. Die Lautbildung wird bisweilen durch die Mimik oder Mitbewegungen von Armen, Beinen oder anderen Körperteilen unterstützt. Stottern ist die häufigste und bekannteste Sprechstörung. Ungefähr ein Prozent der Bevölkerung ist betroffen. Bei kleinen Kindern treten oft entwicklungsbedingte Redeunflüssigkeiten auf. Diese vergehen jedoch bei den meisten Kindern ohne Therapie wieder. Vom Stottern sind Jungen häufiger betroffen als Mädchen (m:w = 5:1).

Ursachen

Als Entstehungsursache werden verschiedene Einflüsse diskutiert. Dabei wird nicht jeder Faktor für sich als Krankheitsauslöser gesehen, sondern meist sind mehrere Größen für das Stottern verantwortlich (= multifaktorielle Theorie). Als ursächlich werden genetische Auslöser, neurologische und organische sowie psychosoziale Faktoren angenommen.

Liegt eine familiäre Häufung der Sprechstörung vor, so nimmt man eine gewisse genetische Komponente an. Besonders wichtig scheinen die Einflüsse in den Kindheitsjahren zu sein, in denen die Sprachentwicklung stattfindet. Im Laufe dieser Entwicklung treten häufig Sprachunflüssigkeiten auf. Reagiert die Umwelt unangemessen mit übermäßiger Kritik, Hänseleien oder Unterbrechungen, so kann sich die Sprechstörung, die in dieser Altersgruppe im gewissen Umfang als normal angesehen wird, verfestigen. Hirnorganische Gründe für das Stottern finden sich vor allem bei Patienten mit Hirnschädigungen, die im Rahmen einer Aphasie auftreten.

Symptome

Man unterscheidet in Symptome, die direkt das Sprechen betreffen (Primärsymptome), und Krankheitszeichen, die eher eine Auswirkung des Stotterns sind (= Sekundärsymptome). Bei den meisten Betroffenen äußert sich das Stottern in einer Wiederholung von Silben oder Wörtern (klonisches Stottern). Einzelne Buchstaben werden beispielsweise am Satzanfang wiederholt („g-g-g-gagern“). Beim tonischen Stottern entsteht im Wort eine Pause und die Laute werden gedehnt („gaaaaa…gern“). Zudem ist eine Mischung beider Formen (= tonisch-klonisches Stottern) möglich.

Beim Stottern spannen die Betroffenen auch häufig ihren Körper an und der natürliche Atemfluss stockt. Auch Erröten, verstärktes Schwitzen oder Herzklopfen treten je nach Sprechsituation auf. Folge- und Begleiterscheinungen können Sprechscheu, Erwartungsängste, Versagensängste und schließlich Depressionen sein. Langjährige Stotterer entwickeln häufig eine Sprachstrategie, bei der sie bestimmte Laute oder Wortanfänge vermeiden und ihre Sätze dementsprechend gestalten.

Diagnose

Die Diagnose ergibt sich aus den Symptomen. Die genaue Ausprägung stellt für gewöhnlich ein Kinderarzt, Hals-Nasen-Ohren-Arzt oder Logopäde fest. Bei Kindern liegt oft eine entwicklungsbedingte Gesprächsflussstörung vor, die bei Unterstützung durch das Elternhaus von selbst verliert. Auch in diesem Fall sollte eine Abklärung durch einen Fachmann erfolgen. Zum Ausschluss von tiefgreifenden Störungen wird zudem untersucht, ob das Kind richtig hört und sieht und sich altersgerecht entwickelt. Ist wirklich eine Sprechstörung vorhanden, so sollte schnellstmöglich eine Therapie begonnen werden.

Therapie

Da das Stottern eine vielschichtig verursachte Erkrankung ist, gibt es keine allgemeine, immer wirksame Therapie. Viele Behandlungsansätze sind aber erfolgsversprechend. Wichtig ist es zudem, das Elternhaus und die sonstige erzieherische Umgebung mit einzubinden. Oft werden auch mehrere Behandlungsformen kombiniert:

Beratung der Eltern: Informationen, wie man mit dem stotternden Kind umgeht, stehen hier im Vordergrund. Einige Empfehlungen sind:

  • dem Stottern keine Beachtung schenken.
  • das Kind immer aussprechen lassen,
  • die Sätze des Kindes nicht selbst beenden,
  • ihm bei Gesprächen in die Augen sehen,
  • geduldig zuhören,
  • möglichst eine stressfreie Atmosphäre schaffen,
  • begeistern Sie es fürs Singen, Puppenspiele, Rollen- und Fingerspiele sowie fürs Lesen.

Die meisten Punkte sollten auch beim Umgang mit erwachsenen Stotterpatienten beachtet werden. Halten Sie Blickkontakt, unterbrechen Sie nicht und sprechen Sie nicht für ihn weiter. Warten Sie vielmehr, bis er zu Ende gesprochen hat.

Logopädische Therapie: Hier werden die Patienten symptombezogen behandelt. Die Angst vor dem Sprechen soll genommen werden. Richtige Atem- und Sprechtechniken werden eingeübt.

Entspannungstechniken: Da Entspannung eine Grundvoraussetzung eines geordneten Sprachablaufs ist, können Entspannungstechniken unterstützend wirken. Eingesetzt werden beispielsweise autogenes Training oder progressive Muskelentspannung.

Medikamentöse Behandlung: Medikamente, die das Stottern verhindern, gibt es nicht. Sie können den Betroffenen lediglich helfen, Ängste und Spannungen abzubauen.

med. Redaktion Dr. med. Werner Kellner
Aktualisierung 16.03.2008