Der WHO-Stufenplan

Der WHO-Stufenplan ist eine Richtlinie, die überwiegend bei der Behandlung von chronischen Schmerzen eingesetzt wird. Er wurde von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ursprünglich für die Therapie von Tumorpatienten konzipiert. Das WHO-Schema empfiehlt einen stufenweisen Einsatz von verschiedenen Schmerzmitteln (Analgetika), der von der Stärke der zu behandelnden Schmerzen abhängig ist. Ärzte orientieren sich für gewöhnlich an diesem Plan bei der Aufstellung des individuellen medikamentösen Therapiekonzepts für einen Patienten. Mit Hilfe dieses Stufenplans können über 90 Prozent der Patienten hinreichend behandelt werden.

Stufe 1

Zu Beginn der Schmerztherapie und bei leichten Schmerzen werden so genannte nichtopioidhaltigen Schmerzmittel eingesetzt. Sie heißen so, weil diese Schmerzmittel keine Opioide sind. Dabei kommen vor allem den so genannte NSAR, den Nicht-Steroidalen-Anti-Rheumatika, große Bedeutung zu. Diese klassischen Schmerzmittel wirken nicht nur schmerzstillend, sondern auch größtenteils fiebersenkend und entzündungshemmend. Sie werden überlicherweise auch bei Kopf-, Zahn-, Regel- oder Rheumaschmerzen verordnet. Der Arzt verordnet sie als Tropfen, Tabletten, Kapseln, Zäpfchen oder Retardmittel, das heißt, als Medikament mit verlängerter Wirkdauer. Die bekanntesten Vertreter sind Acetylsalicylsäure (ASS), Ibuprofen, Diclofenac, Paracetamol, Metamizol, Naproxen und COX-2-Hemmer. Die Medikamente können zunächst bedarfsweise eingenommen werden. Reicht dies nicht aus, so sollte die Einnahme regelmäßig unter Angabe der Höchstdosen erfolgen.

Die hauptsächlichen Nebenwirkungen der Schmerzmittel der Stufe 1 sind Magen-Darm-Probleme. Weiter unerwünschte Wirkungen können Schwindel, allergische Reaktionen oder Blutgerinnungsstörungen sein. Nur bei längerer, sehr hoch dosierter Einnahme der Mittel können Nierenfunktionsstörungen auftreten. Daher sollte bei langfristiger Einnahme der Medikamente durch eine Blutuntersuchung die Nierenfunktion überprüft werden.

Stufe 2

Erreicht man mit den NSAR nicht den gewünschten schmerzstillenden Effekt, so werden so genannte schwach wirksame Opioide eingesetzt. Sie können auch in Kombination mit den NSAR gegeben werden. Die Wirkstoffe der Opioide sind: Tramadol, Tilidin, Naloxon, Dihydrokodein, Kodein, Dextropropoxyphen. Diese Mittel sind rezeptpflichtig. Sie werden als Tropfen, Tabletten, Kapseln, Zäpfchen und als Retardpräparate verabreicht. In seltenen Fällen haben sie unangenehme Nebenwirkungen, wie Übelkeit, Erbrechen und Verstopfung.

Stufe 3

Bei stärksten Schmerzen, wenn die Medikamente der Stufe 2 nicht greifen, empfiehlt die WHO stark wirksame Opioide, die Kombination mit NSAR einzusetzen. Der bekannteste und am häufigsten eingesetzte Wirkstoff ist das Morphin. Weitere Wirkstoffe sind Fentanyl, Buprenorphin, I-Methadon, Oxycodon, Hydromorphon. Morphin gibt es auch als Tropfen, Tabletten, Kapseln, Pulver und als Retardmittel. Als besonders anwendungsfreundlich erweist sich das Fentanylpflaster, bei dem der Wirkstoff über die Haut aufgenommen wird. Morphine können aber auch gespritzt werden. Analgetika, die den Wirkstoff Morphin enthalten, wirken unterschiedlich schnell und verschieden lang. Bei Schmerzspitzen ist es empfehlenswert, ein schnell wirksames Mittel einzusetzen.

Morphine gelten bei vielen Patienten und Ärzten als letztes Mittel der Schmerzbekämpfung, wenn es auf Grund einer geringen Lebenserwartung nicht mehr auf die Suchtgefahren ankommt. Diese Vorstellung ist falsch. Die Mittel machen auch bei Langzeitgabe nicht psychisch abhängig und die Patienten bleiben geistig klar und entscheidungsfähig. Natürlich stimmt es, dass Opioide grundsätzlich süchtig machen können, jedoch ist diese Gefahr bei Patienten mit starken Schmerzen kaum gegeben. Dies liegt unter anderem daran, dass die Schmerzmittel den Wirkstoff so langsam abgeben, dass der Schmerz gedämpft wird, aber die Patienten in keinen Rauschzustand geraten.

Auch die Lebensdauer wird nicht verkürzt. Der frühzeitige Einsatz der Opioide führt auch nicht zu Wirkverlusten durch Gewöhnung. Damit gemeint ist, höhere Wirkstoffdosierungen werden erst nötig, wenn auch die auslösende Krankheit fortschreitet und der Schmerz zunimmt. Die Verordnung der Substanzen unterliegt jedoch dem Betäubungsmittelgesetz und der behandelnde Mediziner muss spezielle Rezepte, so genannte BTM-Rezepte ausstellen und bestimmte Regeln beachten. Nebenwirkungen der starken Opioide sind Übelkeit, Erbrechen, Verstopfung und Sedierung (= sehr starke Beruhigung). Meist werden daher weitere Medikamente eingesetzt, um eventuell auftretende Nebenwirkungen zu unterdrücken.