Lepra – Aussatz – Hansens Erkrankung

         

Lepra – Aussatz – Hansens Erkrankung (engl. leprosy) Lepra ist eine bakterielle Infektionskrankheit, die weltweit auftritt und vor allem die Haut und die Schleimhäute zerstört, sowie Nervengewebe angreift. Während die Erkrankung früher noch als chronische Infektionskrankheit und unabänderliches tödliches Schicksal bewertet wurde, ist die Erkrankung heutzutage durch eine Kombinationstherapie (Multidrug therapy = MDT) heilbar. Mit dieser Therapie konnten in den letzten 20 Jahren mehr als 14,5 Millionen Menschen geheilt werden. Dementsprechend ist weltweit die Anzahl der Neuerkrankungen pro Jahr auf unter 300 000 Menschen gesunken (Zahlen von 2006). Die Erkrankung tritt heutzutage hauptsächlich in ländlichen Gebieten Südostasiens, des indischen Subkontinents und des tropischen Afrikas und Südamerikas auf. Über 90 % der Neuerkrankungen sind auf folgende Länder begrenzt: Indien, Brasilien, Bangladesh, Myanmar (Burma), Guinea, Indonesien, Kongo, Madagaskar, Mosambik, Nepal, Tansania und Nigeria. In Deutschland gab es in den letzten Jahren nur wenige „importierte“ Erkrankungsfälle.

Erreger, Ansteckung, Inkubationszeit

Erreger der Lepra ist das Bakterium Mycobacterium leprae, das zur Familie der Mykobakterien gehört. Besonders ist, dass es sich nur innerhalb der Wirtszellen vermehren kann. Dort entziehen sich die Bakterien der körpereigenen Abwehr und zerstören langsam fortschreitend und unaufhaltsam das körperliche Gewebe. Bevorzugte Wachstumstemperatur von Mycobacterium leprae sind 33 Grad Celsius. Daraus ist ersichtlich, dass vor allem kältere Körperregionen, wie das Gesicht, die oberen Luftwege, die Hände und Füße und die Haut befällt. Der genaue Ansteckungs- und Übertragungsweg ist bis heute noch nicht bekannt. Jedoch gelten folgende Umstände als wahrscheinlich oder günstig:

  • Die Übertragung erfolgt von Mensch zu Mensch über eine Tröpfcheninfektion, also durch die Inhalation von Flüssigkeitströpfchen. Eine größere Menge an Erregern findet sich in der Nasenschleimhaut und den Hautgeschwüren der Erkrankten.
  • Eine Infektion über kleine Hautverletzungen bei Erregerkontakt ist auch wahrscheinlich.
  • In der Regel führt nur ein direkter, langzeitiger Körperkontakt mit einem unbehandelten Leprakranken zu einer Infektion (bsp. Wohnen im selben Haushalt).
  • Schmutziges Wasser, eine beengte Wohnsituation und schlechte Ernährung wirken sich wahrscheinlich begünstigend auf die Ausbreitung der Lepra aus.
  • Außerdem scheinen genetische Faktoren und die körpereigene Immunabwehr eine Rolle zu spielen. So erkranken ungefähr 95 % aller mit dem Lepraerreger infizierten Menschen nicht!

Die Inkubationszeit (= Zeit zwischen Ansteckung und Ausbruch) umfasst einen Zeitraum von neun Monaten bis zu 20 Jahren. Meist beträgt sie jedoch vier bis acht Jahre. Die langen Inkubationszeiten ergeben sich aus der geringen Teilungsrate der Bakterien (nur alle 13 bis 15 Tage eine Teilung). Dagegen teilen sich Erreger von Durchfallerkrankungen (bsp. Salmonellen) alle 20 Minuten. Ihre Inkubationszeiten liegen im Stundenbereich.

Symptome und Erkrankungsformen

Lepra ist eine vielschichtige Erkrankung mit unterschiedlich aggressiv verlaufenden Formen und Ausprägungen. Hauptsächlich zeigt sich die Erkrankung an der Haut und dem peripheren Nervensystem. Jedoch können auch die oberen Atemwege, die Augen, das Knochenmark und die Hoden befallen werden.

Es gibt zwei extreme Ausprägungsformen (tuberkuloide Lepra und lepromatöse Lepra) und viele Formen, die zwischen diesen beiden Polen liegen (Borderline-Lepra). Eine Lepraerkrankung, die noch nicht voll entwickelt ist und als Vorstadium gilt, wird als indeterminierte Lepra bezeichnet. Sie kann sogar spontan ausheilen.

Die beiden extremen Ausprägungsformen der Lepra zeichnen sich durch folgende Symptomatik aus:

Tuberkuloide Lepra (Nervenlepra, paucibacilläre Lepra, Abk. TL).

  • Haut: Es finden sich einzelne, scharf begrenzte Hautflecke, die bei hellhäutigen Menschen gerötet erscheinen und bei eher dunkler Hautpigmentierung als helle Hautareale auffallen. Die Flecken jucken nicht und treten auf beiden Körperhälften auf, jedoch sind sie nicht symmetrisch angeordnet. Sie sind schmerzlos-taub oder unempfindlich für Berührungsreize.
  • Nerven: Die peripheren Nerven werden schon frühzeitig befallen. Das Schmerz-, Temperatur- und Berührungsempfinden setzt dadurch aus. Die Erkrankten bemerken kleinere Verletzungen oder Verbrennungen nicht. Eine hinreichende Versorgung der Wunden unterbleibt dadurch oft und es kommt zu Geschwürbildungen. Weitere direkte oder indirekte Folgen der Nervenbeeinträchtigung können Lähmungserscheinungen, Verunstaltungen oder Verstümmelungen sein. Eine Verdickung der Nervenstränge im Arm- oder Beinbereich kann häufig getastet werden.
  • Immunsystem: Die körpereigene Immunabwehr hemmt die Vermehrung der Bakterien.
  • Ansteckung und Prognose: Die Ansteckungsgefahr ist bei dieser Lepraform gering, die Prognose gut.

Lepromatöse Lepra (Knotenlepra, multibacilläre Lepra, Abk: LL)

  • Haut: Die Hautflecke oder -knoten (= Leprome) treten zahlreich auf und sind meist symmetrisch angeordnet. Besonders im Gesicht führt die Lepra zur Knotenbildung (Facies leontina). Wird auch die Schleimhaut des Nasen-Rachen-Bereichs befallen, so kann dies zu einer Zerstörung der Nasenscheidewand und des Kehlkopfes führen. Das blutig-schleimige Nasensekret ist meist infektiös. Weitere typische Symptome sind Haarausfall und eine reduzierte Schweißbildung.
  • Nerven: Eine Zerstörung der peripheren Nerven tritt erst später als bei der tuberkuloiden Lepra auf. Auch hier kann es jedoch zu Lähmungen, Sensibilitätsverlusten und schweren Verstümmelungen im Gesicht, den Händen und Füßen sowie am Rücken kommen.
  • Augen: Am Auge kann sich die Erkrankung als eine Entzündung der Regenbogenhaut oder der Hornhaut manifestieren.
  • Hoden: Eine länger bestehende lepromatöse Lepra kann bei Männern zu einer Beeinträchtigung der Hodenfunktion führen und sie verweiblichen.
  • Immunsystem: Die Bakterien vermehren sich ungehemmt im Gewebe.
  • Ansteckung und Prognose: Die Ansteckungsfähigkeit ist größer als bei der Nervenlepra, die Prognose schlechter. Im Spätstadium der Erkrankung breitet sich der Keim schließlich im ganzen Organismus aus und befällt die Knochen und inneren Organe (Nieren!).

Diagnose

Auf die Erkrankung deuten die typischen Hauterscheinungen, Nervenbeeinträchtigungen und Gefühlsstörungen hin. Der mikroskopische Nachweis kann aus Gewebeproben der Haut, der Nasenschleimhaut oder peripherer Nerven erfolgen. Eine bestimmte Färbemethode – Ziehl-Neelsen-Färbung – macht die Bakterien sichtbar. Der Lepromintest stellt einen Antikörpersuchtest dar. Er dient dazu auch Menschen zu erfassen, die zwar infiziert sind, bei denen die Krankheit aber nicht ausgebrochen ist. Außerdem können die beiden Lepraformen mit diesem Test voneinander unterschieden werden. Der Nachweis der DNA des Erregers (PCR; molekularbiologische Methode) dient der Diagnose im Frühstadium der Erkrankung und der Sicherung der Diagnose.

Therapie

Die Lepra ist mit einer Kombination aus mehreren Antibiotika (Dapson, Rifampicin, Clofazimin) therapierbar. Die Medikamente müssen über sechs Monate bis zu einem Jahr eingenommen werden. Bei einzeln auftretenden Hautveränderungen können auch Rifampicin, Ofloxacin und Minocyclin eingesetzt werden. Ansonsten werden die Symptome therapiert (adäquate Wundversorgung, Bewegungstherapie bei Lähmungserscheinungen, plastische Chirurgie bei Verstümmelungen).

Vorbeugung

Durch Gesundheitsaufklärung und Reihenuntersuchungen versucht man, die Erkrankten frühzeitig ausfindig zu machen und zu behandeln. Die Isolierung von behandelten Erkrankten wird nicht als erforderlich angesehen. Einen eigens für Lepra entwickelten Impfstoff gibt es nicht. Umstritten ist, ob die sogenannte BCG-Impfung hilft. Sie wurde für die Tuberkulose entwickelt, deren Erreger ein verwandtes Bakterium (Mycobacterium tuberculosis) des Lepraerregers ist.

med. Redaktion Dr. med. Werner Kellner
Aktualisierung 15.06.2008