Schmerzentstehung

Schmerzen werden von besonderen Sinneszellen wahrgenommen, den so genannten Schmerzrezeptoren oder Nozizeptoren. Das sind freie Nervenendigungen, die sich in großer Zahl in der Haut, den inneren Organen, Gelenken oder Muskeln befinden. Sie sind durch Nervenfasern mit dem Rückenmark oder dem Hirnstamm verbunden. Die Nozizeptoren reagieren auf verschiedene potentiell schädliche Reize (Noxen), wie beispielsweise Hitze, Kälte, Zug, Druck oder Entzündungen.

Diese Einflüsse führen über direkte Reizung, Verletzung oder so genannte Mediatoren (Überträgerstoffe) zur Entstehung des Schmerzes. Die wichtigsten Mediatoren sind Prostaglandin E, Serotonin und Neurotensin. Sie werden bei Störungen von normalen Körperfunktionen in vermehrtem Maß ausgeschüttet. Dabei ist die Empfindlichkeit der Nozizeptoren abhängig von dem Gewebe in dem sie sich befinden. So reagieren die Schmerzrezeptoren der Haut bereits, wenn wir gezwickt werden, innere Organe, wie die Leber oder den Blinddarm, lässt dies weitestgehend unberührt. Sie werden erst durch die Mediatoren sensibilisiert. Diese werden beispielsweise bei einer Entzündung ausgeschüttet werden und die Nozizeptoren nehmen dann eine Gewebeschädigung wahr.

Über langsame (C-Fasern) oder schnelle Nervenfasern (A-Delta-Fasern) wird der Reiz nun vom Ort der Entstehung an das Rückenmark weitergeleitet. Die A-Delta-Fasern leiten den Schmerz mit 120 Metern pro Sekunde weiter. Es kommt zur Erzeugung des so genannten Erstschmerzes. Er wird als hell, akut, scharf und stechend empfunden und kann meist genau lokalisiert werden. Seine Aufgabe ist es, blitzschnell eine Gegenreaktion herbeizuführen und beispielsweise die Hand von der heißen Herdplatte zu ziehen.

Über die langsamen C-Fasern gelangt der Schmerz ebenfalls zum Rückenmark, jedoch ist dies wesentlich langsamer der Fall. Die Leitgeschwindigkeit beträgt nur einen Meter pro Sekunde. Es kommt also zeitverzögert zum so genannten Zweitschmerz. Er wird als dumpf empfunden und ist nur schwer einzugrenzen. Seine Aufgabe besteht darin, den Prozess der Schonung einzuleiten. Dies ist eine Reaktion des Nervensystems auf den Schmerzstress.

Die Weiterleitung der Schmerzreize erfolgt sowohl durch körpereigene chemische Überträgerstoffe (Neurotransmitter) als auch durch bioelektrische Prozesse im Nervensystem. Die einzelnen Neurotransmitter können dabei sowohl hemmende (inhibitorische) als auch verstärkende (exhibitorische) Funktionen haben. Sie werden den Substanzklassen der Aminosäuren (Glutamat, Gammaaminobuttersäure (GABA), Glycin), den Neuropeptiden (bsp. Calcitonin, Enkephaline, Somatostatin) und Monaminen (Dopamin, Noradrenalin, Dopamin, Noradrenalin, Serotonin) zugeordnet. Am bekanntesten ist die schmerzhemmende Wirkung der Endorphine.

Das Rückenmark ist nun keine bloße Schmerzvermittlungsinstanz zum Gehirn, sondern auch dort findet eine eigenständige Schmerzverarbeitung statt. Hier werden die Schmerzsignale verstärkt oder auch abgeschwächt. Es reagiert auch auf die Schmerz-Impulse der C-Deltafasern, indem es Reflexe auslöst, wie beispielsweise den Wegziehreflex beim Berühren einer heißen Herdplatte.

Es gibt auch Schmerzreize bei denen der Schmerzimpuls über das Rückenmark zum Zwischenhirn gelangt. Dieses stellt einen Teil des Stammhirns dar. Hier ist auch der Thalamus zu finden. Diese Hirnregion kann als eine Art Sammel- und Schaltstelle für Reize jeglicher Art – also auch der Schmerzreize – gesehen werden. Hier werden die Schmerzreize auch mit Gefühlen verknüpft und so verstärkt oder gedämpft. Das subjektive Empfinden, ob der Schmerzreiz als unerträglich oder nur als lästige Missempfindung registriert wird, erfolgt hier. Der Thalamus leitet die Schmerzreize dann an weitere Hirnregionen weiter, wie das limbische System, das Großhirn und den Hypothalamus.

Der Hypothalamus ist die Zentrale des vegetativen (= unwillkürlichen) Nervensystems. Hier werden Körperfunktionen gesteuert, auf die wir willentlich keinen Einfluss nehmen können. Die Atmung, der Blutdruck, die Schweißsekretion, der Herzschlag oder die Wärmeregulation gehören dazu. Damit lassen sich auch Begleitsymptome des Schmerzes erklären. Bei starken Schmerzen steht uns der Schweiß auf der Stirn, der Herzschlag ist stark beschleunigt und wir frieren. Zu dieser Gehirnregion gehört auch die Hypophyse oder Hirnanhangdrüse, die der Produktionsort verschiedener Hormone ist. Dadurch nehmen Schmerzreize direkten Einfluss auf die Hormonausschüttung, beispielsweise der Stresshormone. Im limbischen System lösen Schmerzreize dann sowohl vegetative und hormonelle Reize aus.

Am Ende der Schmerzleitung steht die Großhirnrinde. Erst wenn der Schmerz das Großhirn erreicht hat, werden wir uns des Schmerzes bewusst. Dabei muss man sich die Schmerzverarbeitung nicht in einem Zentrum vorstellen, sondern sie findet in mehreren Arealen statt, die miteinander in Wechselbeziehung stehen und die Reaktionen aufeinander abstimmen. Der ganze Schmerzentstehungsprozess verläuft unwahrscheinlich schnell, eine willentliche Beeinflussung spielt in akuten Situationen so gut wie keine Rolle. Aus purer Willenskraft heraus kann man Schmerzen also nur schleicht unterdrücken.

Die Verarbeitung des Schmerzes erfolgt in der Großhirnrinde – vermutlich auf drei Ebenen. So werden die objektiven Aspekte des Schmerzreizes, also der Ort und die Intensität, im somatosensiblen Rindenfeld verarbeitet. Emotionale Aspekte, wie unangenehme Gefühle und Verknüpfungen zu anderen Ereignissen, werden in anderen Teilen der Großhirnrinde (z.B. vordere Teile der Gürtelwindung) geknüpft. Im motorischen Teil dieser Gehirnregion wird vermutlich die Entscheidung getroffen, welche Reaktion zur Schmerzvermeidung erfolgen soll.