Plasmozytom – Ursachen Diagnose Therapie

         

Plasmozytom – multiples Myelom, malignes Myelom und Morbus Kahler Das Plasmozytom ist eine bösartige (maligne) Tumorerkrankung, die das Knochenmark und die Knochen betrifft und sich aus lymphatischem Gewebe entwickelt. Die Tumorerkrankung zählt zu den sogenannten niedrig malignen Non-Hodgkin-Lymphomen. Weitere Bezeichnungen des Plasmozytoms sind multiples Myelom (= viele „Knochenmarktumoren“), malignes (= bösartiges) Myelom und Morbus Kahler.

Das Plasmozytom tritt vergleichsweise selten auf, jedoch handelt es sich um den häufigsten Tumor von Knochen und Knochenmark. Pro Jahr kommt es zu drei Neuerkrankungen pro 100 000 Einwohner. Betroffene sind selten jünger als 40 Jahre, die meisten älter als 60.

Grundlagen

Der Ursprungsort des Tumors sind Plasmazellen, die hauptsächlich im Knochenmark und in den Lymphknoten vorkommen. Diese Zellart entwickelt sich aus B-Lymphozyten, einer bestimmten Form von weißen Blutkörperchen. Normalerweise bilden die Plasmazellen Antikörper (Immunglobuline), die den Körper bei seinem Kampf gegen Infektionen unterstützen. Jede Plasmazelle teilt sich dazu mehrmals und bildet so einen Klon von identischen Zellen. Die Zellen eines Klons (= Zellhaufen mit identischer genetischer Ausstattung) produzieren nur einen speziellen Typ von Antikörpern. Da tausende verschiedener Klone existieren, können viele verschiedene Antikörper hergestellt werden, die die einzelnen Krankheitskeime bekämpfen.

Ursachen

Beim Plasmozytom vermehrt sich ein Klon unkontrolliert. Die Folge ist, dass ein bestimmtes funktionsunfähiges monoklonales Immunglobulin (= Antikörper) gebildet wird. Immunglobuline werden in verschiedene Klassen eingeteilt. Beim Plasmozytom sind meist die IgG- und IgA-Immunglobuline betroffen. In der Folge nimmt die Zahl der anderen Arten von Antikörpern ab, die Infekthäufigkeit steigt.

Normalerweise machen Plasmazellen nicht einmal 1 % aller Zellen im Knochenmark aus. Bei einem Plasmozytom sind die meisten Zellen krebsartige Plasmazellen. Die große Menge führt zu einer erhöhten Produktion von Eiweißen (bsp. Bence-Jones-Proteine -> funktionslose Bruchstücke von Immunglobulinen), die im Urin nachweisbar sind und vor allem die Nieren schädigen („Myelomnieren“). Die Bildung der normalen Bestandteile des Knochenmarks, wie der weißen und roten Blutkörperchen und den Blutplättchen, wird unterdrückt.

Als Ursachen für die unkontrollierte Vermehrung eines Plasmozytomklons werden verschiedene Gründe angenommen, die eine Rolle spielen können:

  • genetische Veranlagung (gehäuftes Auftreten bei nahen Verwandten),
  • Strahlenbelastung,
  • Kontakt mit Benzol oder anderen Lösungsmitteln,
  • Herpes-Virus (HHV-8)-Infektion.

Bevorzugte Ausbreitungsareale des Tumors

Die Ansammlungen von krebsartigen Plasmazellen entwickeln sich zu Tumoren. Vor allem die Hüftknochen, die Wirbelsäule, die Rippen und der Schädel sind dann von Knochenschäden betroffen. In seltenen Fällen entstehen die Tumoren in einem anderen Körperbereich. Dann sind werden vornehmlich die Lunge, die Leber und die Nieren in Mitleidenschaft gezogen.

Symptome

Folgende Krankheitszeichen sind charakteristisch für ein Plasmozytom:

  • B-Symptome (allgemeine Krankheitssymptome): Fieber, Gewichtsverlust, Nachtschweiß
  • Knochenschmerzen: Da die Plasmazelltumoren oft in die Knochen eindringen, leiden ungefähr 70 % der Betroffenen an Knochenschmerzen. Sie treten bevorzugt an der Hüfte, den Rippen und der Wirbelsäule auf und verstärken sich bei Bewegung.
  • „Krankhafte“ Knochenbrüche: Die Tumoren verringern die Knochendichte und begünstigen daher Knochenbrüche.
  • Hyperkalzämie („zu viel Kalzium“): Aus den Knochen wird auch Kalzium herausgelöst, das sich dann im Blut wiederfindet. Diese Hyperkalzämie kann Verstopfung, häufiges Wasserlassen, Schwäche und Verwirrtheit auslösen.
  • Erhöhte Infektanfälligkeit: Die im Übermaß gebildeten Antikörper sind nicht funktionstüchtig und können keine Infektabwehr gewährleisten. Außerdem kommt es zu einer Verminderung der kompetenten Immunglobuline. Daraus resultiert ein Antikörpermangelsyndrom. Die Folge ist beispielsweise ein erhöhtes Risiko, an bakteriellen Lungenentzündungen zu erkranken.
  • Anämie (Blutarmut): Der Mangel an roten Blutkörperchen, der tumor- und infektbedingt sein kann, führt zu Müdigkeit, Blässe, Schwächegefühl und auch Herzproblemen.
  • Störungen der Blutgerinnung: Da die Blutplättchen verringert sind, ist die Blutgerinnung beeinträchtigt. Eine Neigung zu Blutungen und Blutergüssen ist die Folge.
  • Nierenprobleme: Bruchstücke der defekten Antikörper gelangen häufig in die Nieren und schädigen diese. Zudem wirken sich auch die erhöhten Kalziumwerte schädigend aus. Man spricht von sogenannten Myelomnieren.
  • Hyperviskositätssyndrom: Aufgrund des erhöhten Proteingehalts im Blutserum verdickt sich das Blut (Hyperviskositätssyndrom). Die Folgen sind beispielsweise Hör- und Sehstörungen, Synkopen (kurze Bewusstlosigkeit durch mangelnde Hirndurchblutung), Parästhesien (unangenehme, bisweilen schmerzhafte Körperempfindungen, wie Kribbeln, Taubheit usw.) und Durchblutungsstörungen in den Beinen.

Diagnose

Erste Hinweise auf die Erkrankung ergeben sich bei der Symptomkonstellation Rückenschmerzen oder anderen Knochenschmerzen an anderen Stellen in Verbindung mit Müdigkeit, Fieber und Blutergüssen. Bisweilen wird ein Plasmozytom auch zufällig bei einer Röntgenuntersuchung entdeckt, bevor der Patient unter typischen Beschwerden leidet.

Ein wichtiges Instrument der Diagnose sind Blutuntersuchungen. Im Blutbild findet sich ein Mangel an roten und weißen Blutkörperchen sowie an Blutplättchen. Bestimmte Nierenwerte (Kreatinin) und die Kalziumwerte können erhöht sein. Die BSG (Blutkörperchensenkungsgeschwindigkeit) ist extrem erhöht (Sturzsenkung). Die wichtigsten Blutuntersuchungen sind die Serumelektrophorese und die Immunelektrophorese. Mit ihrer Hilfe können die fehlgebildeten Antikörper und die verschiedenen Antikörperarten (IgG, IgA und IgM) gemessen werden.

Auch mithilfe einer Urinanalyse (24-Stunden-Sammelurin) lassen sich die Menge und Art der defekten Proteine bestimmen.

Bestätigt wird die Diagnose mit einer Knochenmarkbiopsie und anschließender Beurteilung der entnommenen Gewebeprobe. Bei den Betroffenen zeigt sich eine große Anzahl von fehlgebildeten Plasmazellen, die in ungewöhnlichen Trauben und Platten angeordnet sind.

Röntgenbilder und Magnet-Resonanz-Tomografie (MRT) zeigen typische Veränderungen (Osteolyse, Osteoporose) des Skelettsystems.

Stadien der Erkrankung

Aufgrund der Befunde wird das Plasmozytom in drei verschiedene Erkrankungsstadien eingeteilt, nach denen sich die Behandlung und Prognose richtet. Außerdem korrelieren die Stadien mit der Tumormasse (bsp. Stadium I am geringsten).

Im Stadium I liegt der Hämoglobinwert (roter Blutfarbstoff) über 10 g/dl. Die Kalziumwerte sind normal und es finden sich nur geringe Konzentrationen von monoklonalen Antikörpern. Das Skelettsystem ist normal oder es findet sich nur eine Stelle, an dem sich das Knochengewebe auflöst (Osteolyse). Stadium II liegt vor, wenn sich die Symptome und Befunde weder Stadium I noch Stadium III zuordnen lassen.

Im Stadium III liegt der Hämoglobinwert unter 8,5 g/dl. Das Serumkalzium und die monoklonalen Immunglobuline sind deutlich erhöht. Außerdem liegen mehrere Osteolyseherde vor.

Eine zusätzliche Unterteilung erfolgt aufgrund einer Beurteilung der Nierenfunktion. Dazu wird entweder der Buchstabe A (Nieren nicht beteiligt) oder B (Nierenfunktion eingeschränkt) den Ziffern I, II oder III angehängt.

Behandlung

Die Behandlung des Plasmozytoms zielt darauf ab, die Symptome zu lindern und Komplikationen vorzubeugen. Durch die Zerstörung der Plasmazellen wird der Krankheitsverlauf verlangsamt.

Im Stadium I wird nicht therapiert, sondern nur engmaschig kontrolliert. Lediglich bei beträchtlicher Ausscheidung von „Leichtketten-Proteinen“ wird therapiert, da diese die Nieren schädigen können.

In Stadium II und III kann eine Chemotherapie mit unterschiedlichen Wirkstoffen und Wirkstoffkombinationen erfolgen. Es werden beispielsweise Kortisone (Prednison, Dexamethason) eingesetzt. Zusätzlich werden häufig Melphalan und Cyclophosphamid verordnet. Weitere Mittel sind Vincristin und Doxorubicin. Thalidomid kann einem Teil der Patienten helfen, bei denen sich der Zustand durch andere Behandlungen verschlechtert.

Mithilfe einer Hochdosis-Chemotherapie, die auf alle Blutzellen sehr stark toxisch wirkt, und einer anschließende autologe Blutstammzelltransplantation (= Spender und Empfänger sind dieselbe Person) kann die Lebenserwartung verdoppelt werden. Die Blutstammzellen werden dem Betroffenen vor der Hochdosis-Chemotherapie entnommen. Diese Form der Therapie wird vorwiegend bei Patienten, die über 60 Jahre sind, eingesetzt. Bei Patienten unter 50 Jahren kann versucht werden, eine Heilung durch eine allogene Knochenmarktransplantation(= Spender und Empfänger sind verschiedene Personen) zu erreichen.

Mit starken Schmerzmitteln und einer Strahlenbehandlung können Knochenschmerzen gelindert werden. Monatliche Infusionen mit Bisphosphonaten dienen dazu, die Entwicklung von Knochenkomplikationen zu verringern.

Patienten, die erste Anzeichen einer Infektion aufweisen – Fieber, Schüttelfrost, Hautrötungen – müssen sofort den Arzt konsultieren, der eine sofortige antibiotische Therapie einleitet; Immunglobuline werden eventuell ersetzt.

Der Blutarmut wird unter anderem mit Medikamenten, welche die Bildung von roten Blutkörperchen anregen, begegnet. Die hohen Kalzium- und Harnsäurewerte im Blut werden medikamentös behandelt.

Prognose

Die Prognose der Erkrankung richtet sich nach individuellen Kriterien (Krankheitsstadium, Lebensalter, begleitende Erkrankungen) und muss daher individuell ermittelt werden. Im Allgemeinen wirkt die konventionelle Therapie (Chemo-, Strahlen- und Schmerztherapie) lebensverlängernd und verbessert die Lebensqualität. Lebenslimitierend wirken sich Infektionen und die Folgen der Niereninsuffizienz aus

med. Redaktion Dr. med. Werner Kellner
Aktualisierung 20.04.2008