Hypophysentumoren (engl. pituitary tumors)

         

Hypophysentumoren (engl. pituitary tumors) Die Hirnanhangdrüse, die auch Hypophyse genannt wird, liegt an der Schädelbasis und steuert einen Großteil des körpereigenen Hormonsystems. Dazu produziert oder speichert sie eine Reihe unterschiedlicher Hormone. Tumoren an der Hypophyse sind krankhafte Neubildungen an diesem Organ. Die Tumoren gehen für gewöhnlich von den hormonbildenden Zellen des Hypophysenvorderlappens (= bestimmter Teil der Hypophyse) aus und werden als Hypophysenadenome bezeichnet. Die Tumoren sind meist gutartig, können aber die umgebenden Strukturen verdrängen oder in sie hineinwachsen. Die Hypophysenadenome machen ungefähr 10 bis 20 Prozent aller Hirntumoren aus. Der Altersgipfel der Erkrankung liegt zwischen dem 20. und 50. Lebensjahr. Frauen sind etwas häufiger betroffen.

Aufbau und Funktion der Hypophyse

Die Hypophyse oder Hirnanhangdrüse liegt an der Schädelbasis und ist etwa kirschgroß. Über den Hypophysenstil ist dieses endokrine (= hormonproduzierende) Organ direkt mit dem Hypothalamus (= Teil des Zwischenhirns) verbunden. Die Hormondrüse wird in den Hypophysenvorderlappen oder die sogenannte Adenohypophyse (Drüsenteil) und den Hypophysenhinterlappen oder die Neurohypophyse unterteilt. Die Hirnanhangdrüse nimmt eine übergeordnete Stellung unter den Hormondrüsen ein. Sie ist eng mit dem Nervensystem verknüpft und steuert andere Hormondrüsen und Organe.

Im Vorderlappen werden folgende Hormone produziert:

  • wachstumssteuernde Hormone (Somatotropin),
  • Schilddrüsen steuernde Hormone (Thyreotropin),
  • die Nebennierenrinde beeinflussende Hormone (ACTH),
  • die Milchdrüse anregende Hormone (Prolaktin),
  • die Geschlechtsdrüsen steuernde Hormone (Gonadotropine),
  • Fettstoffwechsel regulierende Hormone (Liptropine).

Der Hypophysenhinterlappen produziert seine Hormone nicht selbst, sondern speichert nur die im Hypothalamus gebildeten Botenstoffe (Vasopressin, Oxytocin), die bedarfsweise über das Blut abgegeben werden.

Arten von Tumoren und ihre Symptome

Etwa 60 Prozent der Hypophysentumoren produzieren selbst Hormone, die Restlichen werden als hormoninaktiv bezeichnet. Je nachdem aus welchen Gewebezellen die Tumoren sich entwickeln, unterscheidet man verschiedene Hypophysentumoren, die sich auch hinsichtlich ihrer Auswirkungen unterscheiden. Übermäßige Ausschüttung von Hormonen dieser Drüse haben folgende Effekte:

  • Wachstumshormon produzierende Adenome führen bei Kindern zu Riesenwuchs, bei Erwachsenen zu einer unproportionalen Vergrößerung von Kopf, Gesicht, Händen, Füßen und Brust. Das Krankheitsbild wird als Acromegalie bezeichnet.
  • Eine Überproduktion von ACTH (adrenocorticotropes Hormon) bewirkt das Cushing-Syndrom, eine Fülle von körperlichen Veränderungen, die auf das Hormon Cortisol zurückgehen.
  • Wird zu viel an Schilddrüsen stimulierendem Hormon (TSH = Thyreoidea stimulierendes Hormon) gebildet, so ist eine Schilddrüsenüberfunktion die Folge.
  • Relativ häufig sind sogenannte Prolaktinome. Die Überproduktion des Hormons Prolaktin führt zum Ausbleiben der Monatsblutung (Amenorrhö), löst bei nicht stillenden Frauen eine Produktion von Milch aus (Galaktorrhö) und führt bei Männern zu einer Vergrößerung der Brustdrüsen (Gynäkomastie).

Tumoren der Hypophyse können auch Drüsengewebe zerstören, was dann zu einer unzureichenden Hormonmenge führt. Bei Kindern bewirkt der Hormonmangel beispielsweise Kleinwuchs. Weitere Symptome sind vor allem auf das verdrängende Wachstum der Tumoren zurückzuführen. Typische sind dann Kopfschmerzen und beidseitige Einschränkungen des Gesichtsfeldes.

Ursachen

Die Ausbildung eines Tumors an der Hirnanhangdrüse ist entweder ein spontanes Ereignis oder selten genetisch begründet (bsp. multiple endokrine Neoplasie Typ 1).

Diagnose

Wichtige bildgebende Verfahren, um die Hypophysentumoren ausfindig zu machen, sind die Magnetresonanztomografie (MRT) und die Computertomografie (CT). Zudem ist eine Hormondiagnostik wichtig, um Überproduktionen oder Ausfälle der Botenstoffe nachzuweisen. Außer bei sehr kleinen Hypophysentumoren wird eine augenärztliche Untersuchung mit Gesichtsfeldbestimmung durchgeführt.

Therapie

Bis auf Prolaktinome werden Hypophysentumoren chirurgisch entfernt. Dabei ist die Hypophyse meist für den Operateur über die Nase zugänglich. Bleiben Tumorreste übrig, wird der Tumor durch MRT-Untersuchungen und Hormonkontrollen beobachtet. Evtl. wird erneut operiert oder eine sehr gezielte (Vorsicht Sehnerv!) Strahlentherapie durchgeführt. Patienten, die unter einem Wachstumshormon aktiven Tumor leiden, erhalten bis zur Operation oder dem Eintritt der Wirkung der Strahlentherapie sogenannte Somatostatinanaloga. Eventuell wird auch ein Wachstumshormonrezeptorenblocker eingesetzt.

Prolaktinome können mit Medikamenten (Dopaminantagonisten) behandelt werden. Die Ausschüttung von Prolaktin unterbleibt dann und der Tumor bildet sich zurück. Tritt die gewünschte Wirkung nicht ein, ist auch eine operative Entfernung möglich.

Für gewöhnlich stellen Hypophysentumoren keine unmittelbare Lebensbedrohung dar, müssen aber auf jeden Fall adäquat behandelt werden. Günstig ist ihr langsames Wachstum und die vielfältigen Behandlungsmöglichkeiten, ungünstig ihre Neigung zum Wiederauftreten (Rezidive). Jedoch sind die Behandlungsmaßnahmen nicht immer ohne Nebenwirkungen. Viele Betroffenen müssen im Anschluss an die Behandlungen eine lebenslange hormonelle Ersatztherapie durchführen.

med. Redaktion Dr. med. Werner Kellner
Aktualisierung 20.06.2008