Gaucher-Syndrom – Gaucher-Krankheit, Cerebrosidlipidose (gauches disease); (gesprochen go-schee) Beim Gaucher-Syndrom handelt es sich um eine Erbkrankheit, bei der es zu Ansammlung von Abbauprodukten des Fettstoffwechsels – hier speziell von Glucocerebrosiden – im Gewebe kommt. Man spricht in diesem Zusammenhang von einer Lipidose. Die Gaucher-Krankheit ist die häufigste Form einer Lipidose.
Die Erkrankung führt zu Vergrößerungen der Leber und der Milz, Knochen- und Gelenkschmerzen und starken Beeinträchtigungen des Nervensystems, die sogar zum Tod führen können. Drei Manifestationen des Gaucher-Syndroms sind möglich. Sie unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Häufigkeit, dem Alter ihres Auftretens, der Symptomatik, ihrem Verlauf und der Therapiemöglichkeit. Am häufigsten tritt der Typ I oder der sogenannte viscerale Typ (= „die Eingeweide und die inneren Organe betreffende“) auf. Weltweit ist eine Person von 40 000 bis 60 0000 Menschen von dieser Krankheitsausprägung betroffen. In bestimmten Bevölkerungsgruppen (ashkenazi-jüdischen oder türkischen) liegt die Häufigkeit jedoch deutlich höher. Die beiden anderen Typen (Typ II und Typ III), bei denen Schädigungen des zentralen Nervensystems im Vordergrund stehen, sind sehr selten. Von 100 000 Menschen erkrankt weniger als eine Person.Ursachen
Das Gaucher-Syndrom wird autosomal-rezessiv vererbt. Dies bedeutet, dass das defekte Gen nicht auf einem Geschlechtschromosom liegt (= nicht auf dem X- oder Y-Chromosom), sondern wie beispielsweise im Fall der Gaucher-Krankheit auf dem langen Arm des Chromosoms 1. Zudem müssen beide Elternteile das veränderte Gen ihrem Kind weitergeben, damit es zur Ausprägung der Krankheitssymptome kommt.
Betroffen von den krankhaften genetischen Veränderungen ist das Gen, welches für das Enzym ß-Glucocerebrosidase codiert. Zahlreiche Mutationen dieses Gens (Genort 1q9.21-9.32) sind nachgewiesen. Das Enzym ß-Glucocerebrosidase ist in bestimmten Bestandteilen (= Zellorganellen) von Fresszellen, in den sogenannten Lysosomen, lokalisiert. Diese Fresszellen oder Makrophagen haben u.a. die Aufgabe alte Blutzellen, wie die roten Blutkörperchen, zu beseitigen. Sie bewerkstelligen dies, indem sie diese Zellen in ihre Bestandteile zerlegen. Hierbei hilft ihnen das Enzym ß-Glucocerebrosidase, das zuckerhaltige Fettstoffe, die Glucocerebroside, in Zucker und Fett aufspaltet. Die Glucocerebroside sind Bestandteile der Zellwand der roten Blutkörperchen. Bei mangelnder Aktivität des Enzyms Glucocerebrosidase bleiben die Zucker-Fettmoleküle unverdaut in den Lysosomen der Makrophagen bestehen und reichern sich an. Solche mit Glucocerebrosiden vollgefüllten Zellen werden als Gaucher-Zellen bezeichnet. Sie häufen sich in bestimmten Geweben, vor allem in der Leber, Milz und dem Knochenmark an. Jedoch können auch das Nervensystem, die Lungen, die Nieren, die Augen (Lidspaltenflecke), das Lymphsystem und die Haut betroffen sein. Die Anreicherung führt zu krankhaften Vergrößerungen und Funktionsstörungen der betreffenden Organe.Symptome
Die Symptomatik ist je nach Form der Lipidose unterschiedlich. Wegweisend sind Milz- und Lebervergrößerung, Knochenschmerzen und evtl. eine bräunliche Färbung der Haut. Typ I, der auch viszerale Form oder nicht-neuropathische Form genannt wird, tritt am häufigsten auf und kann sich in jedem Lebensalter manifestieren, meist jedoch in der 2. und 3. Lebensdekade. Typisch ist die Milzvergrößerung, die zu Oberbauchbeschwerden führen kann, sowie die Lebervergrößerung. Die Milz wird überaktiv und baut die Blutzellen ungewöhnlich schnell ab. Die Folge ist das Fehlen der roten Blutkörperchen für den Sauerstofftransport. Auch die Knochen können beteiligt sein, was zu krankheitsbedingten Brüchen führt. Knochen- und Gelenkschmerzen treten häufig auf. Im Vordergrund der Beschwerden stehen jedoch hämatologische Komplikationen. Die Blutbildung und Reifung der Blutzellen im Knochenmark ist gestört. Es kommt zu einem Mangel an weißen Blutkörperchen und damit zu einer reduzierten Immunabwehr. Die Minderung der Blutplättchen setzt die Blutgerinnung herab.
Der Typ II, die infantile, neuropathische Form zeigt sich bereits im Säuglingsalter. Im Vordergrund stehen die Oberbauchbeschwerden und schwere Störungen des Nervensystems. Sie sterben innerhalb der ersten beiden Lebensjahre. Bei der juvenilen, chronisch neuropathischen Krankheitsform (Typ III) beginnen die Symptome erst später in der Kindheit. Die betroffenen Kinder haben eine vergrößerte Milz und Leber, Knochenveränderungen und langsam fortschreitende Störungen des Nervensystems. Letztere zeigen sich in Bewegungsstörungen, Krampfanfällen, Verhaltensauffälligkeiten und dem Abbau geistiger Fähigkeiten. Die Kinder können das Erwachsenenalter erreichen.Diagnose
Hinweisend auf die Diagnose sind die Milz- und Lebervergrößerung, eine schnelle Erschöpfbarkeit, Schmerzen in den Gelenken und Knochen, Blutungsneigung und ungewöhnliche Knochenbrüche.
Auch bestimmte Werte des Blutbildes sind verändert. Die Thrombozytenzahl ist verringert. Ferritin, ACE (Angiotensin Converting Enzyme) und saure Phosphatase weisen erhöhte Werte auf. Bei begründetem Verdacht auf die Erkrankung kann die Enzymaktivität der Glucocerebrosidase gemessen werden, die bei Vorliegen des Gaucher-Syndroms stark erniedrigt ist. Eine Genanalyse kann auch im Rahmen der vorgeburtlichen Diagnostik durchgeführt werden.Behandlung
Es ist heutzutage möglich, das fehlende Enzym Glucocerebrosidase in einer modifizierten Form den Erkrankten zuzuführen. Bei dieser Therapie werden die Enzyme intravenös verabreicht. Dies geschieht meist im Abstand von zwei Wochen.
Am besten auf die Therapie reagieren Erkrankte vom Typ I. Auch Patienten mit der chronisch neuropathischen Form (Typ III) profitieren von dieser Behandlung und ihre Symptome werden gemildert. Am wenigsten sprechen Patienten vom Typ I auf die Enzymersatztherapie an. Sie versterben trotzt Behandlung meist im Kleinkindalter. Eine Heilung des Gaucher-Syndroms gibt es nicht, aber mit der Enzymersatztherapie, die ein Leben lang durchgeführt werden muss, kann die Lebenserwartung verlängert und die Symptome gemildert werden. med. Redaktion Dr. med. Werner KellnerAktualisierung 19.06.2008