In der Phytotherapie, die auch als Pflanzenheilkunde bezeichnet wird, behandelt man Krankheiten oder Befindlichkeitsstörungen mit Hilfe von Pflanzen, Pflanzenbestandteilen oder ihren Zubereitungen (Tees, Tropfen, Salben usw.). Sie stellt eine der ältesten Therapieformen überhaupt dar und ist heutzutage wichtiger Bestandteil der naturwissenschaftlich orientierten Schulmedizin.
Innerhalb der Phytotherapie existieren zwei Richtungen, die sich stark unterscheiden: die klassische Pflanzenheilkunde und die rationale moderne Phytotherapie. Erstere stellt eine Erfahrungsheilkunde dar, die die Traditionen der Kräuterfrauen und Pflanzenkundigen früherer Jahrhunderte weiterführt.
Die rationale Phytotherapie arbeitet nach streng wissenschaftlichen Gesichtspunkten. Die Wirksamkeit und Unbedenklichkeit der pflanzlichen Wirkstoffe wird nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen untersucht. So müssen moderne Phytopharmaka (= Pflanzenheilmittel) die Anforderungen des Arzneimittelgesetzes in Bezug auf Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit erfüllen.
Vor allem leichte und chronische Beschwerden sind die Haupteinsatzgebiete der Phytopharmaka.
Geschichtliches
Die Phytotherapie hat eine viele tausend Jahre alte Tradition. Einer der Ursprünge sind die ägyptischen Hochkulturen, deren medizinisches Wissen von den Griechen und Römern weiterentwickelt wurde. Das heutige überlieferte Wissen der Pflanzenheilkunde unterliegt auch starken arabischen Einflüssen und den umfassenden Kenntnissen der mittelalterlichen Klostermedizin (bsp. Hildegard von Bingen).
Populäre Vertreter der Pflanzenheilkunde in neuerer Zeit sind der Pfarrer Kneipp (1821 – 1897), der die Heilpflanzen hauptsächlich in Bädern und Wickeln anwendete, sowie Rudolf Steiner (1861 – 1925), der Begründer der anthroposophischen Medizin.
Der Wissenschaftler Gerhard Madaus gründete schließlich eines der ersten Laboratorien zur Erforschung der Phytochemie.
Heutzutage stellt die Phytotherapie eine gute Ergänzung bisweilen auch Alternative zu den chemisch hergestellten Arzneimitteln dar.
Grundsätzliches und Wirkungsweise der Phytotherapie
Jeder Heilpflanze wird ein spezielles Wirkungsspektrum zugeschrieben. Für den gewünschten heilenden Effekt ist zu berücksichtigen, aus welchem Teil einer Pflanze (Blätter, Wurzel, Blüte) das Arzneimittel stammt.
Die wirksamen Bestandteile von Phytopharmaka sind meist ein komplexes Gemisch aus Substanzen. Die Präparate wirken daher auf mehrere Arten und können ein breites Wirkungsspektrum haben.
In Deutschland unterliegen Phytopharmaka genau denselben Prüfungskriterien wie synthetische Arzneimittel (Wirksamkeit, Nebeneffekte, stets gleiche Zusammensetzung usw).
Um das stets gleiche Wirkungsspektrum zu gewährleisten, werden die pflanzlichen Arzneimittel nach standardisierten Herstellungsverfahren produziert.
Da die Wirkung der Phytopharmaka oft erst nach mehreren Tagen eintritt, eignen sich diese Mittel nicht so gut für akute Erkrankungen, sondern entfalten ihre Stärke besonders bei chronischen Leiden oder in Form von prophylaktischen (= vorbeugenden) Anwendungen.
Die Stärke der pflanzlichen Mittel gegenüber den synthetisch hergestellten Arzneien wird darin gesehen, dass sie oft weniger unerwünschte Nebenwirkungen haben. Damit soll aber nicht suggeriert werden, dass sie völlig nebenwirkungsfrei sind. Nicht jedes Kraut ist harmlos!
Durchführung der Phytotherapie
Die pflanzlichen Arzneimittel werden entweder per Rezept verordnet (bsp. Mistelpräparate) oder sie sind rezeptfrei in der Apotheke, Reformhäusern oder in Drogeriemärkten erhältlich. Die Arzneien müssen für gewöhnlich selbst bezahlt werden. Die Therapie kann symptomspezifisch oder abgestimmt auf ein Organ erfolgen.
Die Darreichungsformen für Phytopharmaka sind vielfältig. Dazu zählen Tees, Säfte, Kapseln, Dragees, Tabletten oder Kapseln. Für äußerliche Anwendungen stehen Tinkturen, Öle, Cremes und Salben zur Verfügung.
Es gibt auf Phytotherapie spezialisierte Ärzte und Heilpraktiker. Für gewöhnlich verläuft hier die Anamnese (= Arzt-Patienten-Gespräch) etwas ausführlicher, als in einer rein schulmedizinisch orientierten Arztpraxis. Auch in einer Naturheilpraxis erhält man Rezepte für die jeweilige Erkrankung.
Akute Erkrankungen sollten innerhalb von zwei bis drei Wochen ausgeheilt sein. Bei chronischen Leiden kann sich die Behandlungsdauer auf Wochen bis Monate ausdehnen, bis der gewünschte Erfolg eintritt.
Anwendungsbereiche Phytotherapie
Sehr gut eignet sich die Phytotherapie zur Prophylaxe bei chronischen Erkrankungen. Zu denken ist hier an die Blutreinigung und die Stärkung der Ausscheidungs- und Entgiftungsorgane Niere und Leber.
Ein weiterer Schwerpunkt ist die begleitende Therapie, beispielsweise um die Dosis schulmedizinischer Arzneien zu senken und damit ihre Nebenwirkungen zu vermindern (Rheumatherapie).
Eine Hauptdomäne der pflanzlichen Arzneimittel stellen leichtere Beschwerden wie Erkältungskrankheiten, Magen-Darm-Infekte, Verspannungen oder leichte Harnwegsinfekte dar.
Risiken, Nebenwirkungen
Mit stark wirkenden Arzneipflanzen (bsp. Fingerhut -> Digitalis, Tollkirsche -> Atropin usw.) sollte man keinesfalls selbst herumexperimentieren. Ihre Verordnung gehört in die Hände eines Arztes.
Eine Qualitätsgarantie erhält man bei Ware aus der Apotheke. Die Ware muss dort den Qualitätsansprüchen nach DAB (Deutsches Arzneibuch) genügen. Zusammensetzung und Wirkung sind hier immer gleichbleibend.
Von pflanzlichen Präparaten muss bei bekannter Allergie gegen die Bestandteile abgeraten werden.
med. Redaktion Dr. med. Werner Kellner
Aktualisierung 19.05.2009