Progerie Typ I – Hutchinson-Gilford-Syndrom – Progeria infantum – kindliche Vergreisung

         

Progerie Typ I – Hutchinson-Gilford-Syndrom – Progeria infantum – kindliche Vergreisung Die Progerie Typ I gehört zu den sogenannten Progeroid-Syndromen. Dabei handelt es sich um genetisch bedingte Erkrankungen, deren Hauptmerkmal ein vorzeitig einsetzender Alterungsprozess ist. Beim Hutchinson-Gilford-Syndrom (abgekürzt: HSG) oder der Progerie Typ I beginnt die unnatürliche vorzeitige Alterung bereits ab dem ersten Lebensjahr. Merkmale sind beispielsweise Minderwuchs und greisenhaftes Aussehen („Greisenkinder“), wobei sich die Intelligenz aber altersgemäß entwickelt. Alle Organsysteme altern rapide schnell. Die Lebenserwartung ist verkürzt und beträgt im Durchschnitt 13 Jahre. Lebenslimitierend wirkt sich die sehr früh auftretende Arteriosklerose („Arterienverkalkung“) mit ihren Folgekrankheiten, wie Herzinfarkt und Schlaganfall, aus. Das Alterungssyndrom tritt extrem selten auf. Je nach Statistik erkrankt eines von 4 Millionen oder eines von 8 Millionen Kindern daran. Mehr als 100 Fälle sind bekannt.

Ursache

Die Krankheit beruht meist auf einer autosomal-dominanten Neumutation. Dies bedeutet:

  • Der Gendefekt liegt nicht auf einem Geschlechtschromosom (= autosomal).
  • Tritt die genetische Veränderung auf, so kommt es auch zur Ausprägung der Symptome (= dominant).
  • Die Eltern weisen die Merkmale nicht auf, sondern der Gendefekt tritt erstmalig beim Betroffenen auf (Neumutation).

Ursache des HGS sind Mutationen im Lamin-Gen auf Chromosom 1. Der genetische Defekt liegt auf dem langen Arm des Chromosoms im Bereich 1q20-24. Die DNA in diesem Bereich codiert für das Protein Lamin A (Progerin). Dieses Protein ist die Hauptkomponente der Kernlamina, dem „Stützskelett“ der inneren Zellkernmembran. Diese Hülle umgibt die Erbsubstanz im Zellkern. Die fehlerhaften Proteine, welche die Zellen der Erkrankten bilden, sammeln sich innerhab der Hülle an. Äußerlich ist dies an einer deutlichen Verformung des Zellkerns sichtbar. Zahlreiche Prozesse der Zellteilung (DNA-Replikation, Transkription) werden durch die fehlerhaften Lamin-Proteine negativ beeinflusst. Schäden des Lamin-Gens führen neben der Progerie auch im Rahmen anderer Erkrankungen zu Störungen des Herzmuskels, des Fettgewebes, der Nerven und der Knochenentwicklung.

Symptome

Bei der Geburt sind die schnell einsetzenden Alterungserscheinungen noch nicht sichtbar. Innerhalb des ersten Lebensjahrzehnts kommt es aber zum Vollbild der Erkrankung. Folgende Krankheitserscheinungen treten auf:

  • verminderte Körpergröße (selten über 1,15 Meter),
  • piepsige Stimme,
  • vorzeitige Glatzenbildung,
  • unelastische, dünne, unregelmäßig pigmentierte Haut, durch die sich die Venen gut sichtbar abzeichnen; typisch ist eine verstärkte Kopfvenenzeichnung,
  • Verlust des Unterhautfettgewebes,
  • Zahnentwicklungsstörungen und Fehlbildungen an den Nägeln,
  • vorgewölbter Bauch,
  • fehlende Aktivität der Eierstöcke oder Hoden (Unfruchtbarkeit, ausbleibende Menstruationsblutung);
  • Osteoporose (= Knochenschwund), Gelenkversteifungen und Fehlstellungen,
  • Arteriosklerose („Verkalkung“) mit den Folgekrankheiten Herzinfarkt und Schlaganfall.

Diagnose

Die sehr früh auftreten Symptome sind so typisch, dass der Verdacht auf die Progerie schnell besteht. Eine genetische Untersuchung gibt letzte Gewissheit.

Behandlung

Da eine ursächliche Therapie derzeit noch nicht möglich ist, zielt die Behandlung auf die Vorbeugung und Linderung der auftretenden Beschwerden ab. Neuere Forschungen zeigen vielleicht eine Behandlungsmethode auf. Vielversprechend scheinen sogenannte FTIs (Farnesyltransferase-Inhibitoren) zu sein, Medikamente, die eigentlich zur Bekämpfung von Krebs eingesetzt werden. Sie verhindern, dass sich die defekten Progerie-Proteine in die Zellmembran einbauen. Vielmehr sammeln sie sich im Zellkern an, wo sie vermutlich weniger Schaden anrichten. Positive Ergebnisse zeigen sich bereits im Tierversuch.

Verlauf

Herzinfarkte und Schlaganfälle sind die häufigsten Todesursachen bei der Progerie. Die erkrankten Kinder werden meist nicht älter als 14 Jahre

med. Redaktion Dr. med. Werner Kellner
Aktualisierung 16.03.2008