Sprachstörung – Aphasie (engl. aphasia)

Sprachstörung – Aphasie (engl. aphasia) Sprachstörungen oder Aphasien sind nicht angeboren, sondern es kommt zu Schädigungen des Sprachzentrums im Gehirn, nachdem die Sprachentwicklung abgeschlossen ist. Dabei geht die Fähigkeit zu sprechen oder die Sprache zu verstehen, teilweise oder völlig verloren.

Die Ursachen für die Störungen sind meist Durchblutungsstörungen in bestimmten Hirnregionen. Ursächlich können ein Schlaganfall, Hirntumoren, ein Schädel-Hirn-Trauma, Hirnentzündungen oder Hirnabbauprozesse sein.

Eine Aphasie kann in unterschiedlichen Ausprägungen auftreten und verschiedene Komponenten des Sprachsystems betreffen. Es können Probleme bei der Lautbildung (Phonologie), der Grammatik (Syntax), der Wortfindung (Lexikon) und dem Verstehen der Bedeutung von Wörtern (Semantik) auftreten.

Sprachabhängige Gehirnleistungen, wie Lesen, Schreiben oder Verstehen können zusätzlich in Mitleidenschaft gezogen sein. Je nach Art, Ausprägung und wahrscheinlichem Schädigungsort werden die Sprachstörungen in unterschiedliche Syndrome eingeteilt (bsp. Broca-Aphasie, Wernicke-Aphasie).

Die häufigste Ursache für eine Aphasie ist ein Schlaganfall (80 %), gefolgt von Hirnverletzungen (10 %), Hirntumoren (5 %) und entzündlichen Prozessen (1 %). Insgesamt erkranken ungefähr 24 000 Menschen in Deutschland pro Jahr erstmals an einer Aphasie.

Ursachen

Bei den meisten Menschen kontrollieren der linke Schläfenlappen und die angrenzenden Bereiche des Stirnlappens die Sprachfunktion. Die Sprachstörungen sind die Folge einer Gehirnschädigung durch oben genannte Erkrankungen in diesem Bereich.

Symptome

In Abhängigkeit von dem Hirnareal, in dem die Schädigung auftritt, entwickeln sich unterschiedliche Sprachstörungen.

Amnestische Aphasie

Diese Form der Sprachstörung ist durch eine Wortfindungsstörung gekennzeichnet.

Bemerkbar macht sich dies in größeren Sprechpausen oder Satzabbrüchen, bei sonst normalem Redefluss. Der Satzbau ist überwiegend intakt. Das fehlende Wort wird meist umschrieben, zum Beispiel Feld statt Acker oder durch das Wort „Ding“ ersetzt. Das Sprachverständnis kann geringfügig gestört sein.

Die Wortfindungsstörungen sind auch beim Schreiben zu beobachten.

Ursachlich für diese Sprachstörung sind Gehirnschädigungen im Schläfenlappen in der Nähe des Scheitellappens.

Broca-Aphasie (motorische oder expressive Aphasie)

Die Betroffenen verstehen weitestgehend den Sinn der gesprochenen Worte und sie wissen auch, was sie sagen wollen, jedoch können sie sich nicht ausdrücken.

Meist können sie nur unter großer Anstrengung und langsam Worte hervorbringen. Diese können durch Füllwörter unterbrochen werden.

Die geäußerten Sätze werden nicht mehr grammatikalisch richtig formuliert, sind telegrammstilhaft und sehr kurz. Fragen werden zögerlich, aber richtig formuliert. Zeigt man dem Betroffenen beispielsweise ein Bild, das einen bellenden Hund darstellt, so könnte die Antwort folgendermaßen lauten: H – h – ha…t-t Tier, ja, ja. Tier, Tier, Tier…b – b-, macht Lärm.

Die Schreibleistung ist meist in gleicher Weise betroffen. Die Kommunikationsfähigkeit ist dadurch stark eingeschränkt.

Ursache für diese Sprachstörungen sind Schäden im sogenannten Borca-Sprachzentrum, einem Gehirnareal, das im Stirnlappen lokalisiert ist.

Wernicke-Aphasie (sensorische Aphasie)

Die Betroffenen können flüssig sprechen oder haben sogar eine überschießende Sprachproduktion, jedoch fehlt das Sprachverständnis.

Die Sätze haben keinen Bezug zur Frage oder der Bezug ist nur schwer feststellbar. Das Gesprochene besteht aus durcheinander gewürfelten, verworrenen Wortketten („Wortsalat“).

Teilweise werden auch Wortneuschöpfungen benutzt (bsp. warrel, amaga), oder es werden falsche Wörter (Feder statt leicht) oder veränderte Wörter (Tamm statt Stamm) verwendet. Die Sprache wirkt sinnlos und verstümmelt.

Auch hier ist die Kommunikationsfähigkeit stark beeinträchtigt.

Die geschädigte Gehirnstruktur findet sich im oberen Schläfenlappen, dem Wernicke-Sprachzentrum.

Globale Aphasie

Hierbei handelt es sich um die schwerste Form der Aphasie. Sowohl das Sprechen selbst, als auch das Sprachverständnis sind erheblich eingeschränkt.

Der Sprechfluss ist stockend und von erheblichen Sprech- und Sprachanstrengungen begleitet. Der Betroffene gibt bisweilen nur Sprachfloskeln von sich, wie: „So, so, so.“

Alle Komponenten, die eine Sprache ausmachen, sind in Mitleidenschaft gezogen (Lautbildung, Wortfindung, Grammatik und Wortbedeutung). Auch die sprachabhängigen Gehirnleistungen (Modalitäten), wie Lesen, Schreiben und Verstehen funktionieren nicht mehr. Die sprachliche Kommunikation ist nahezu nicht mehr möglich.

Zurückzuführen ist diese Form der Sprachstörung auf ausgedehnte Schädigungen, die im Schläfen-, Stirn- und Scheitellappen lokalisiert sind.

Eine Sonderform stellt die Leitungsaphasie dar. Die Sprache wird verstanden und das spontane Sprechen funktioniert. Begriffe, Ausdrücke oder Sätze, die vorgesprochen oder vorgeschrieben werden, können nicht richtig wiedergegeben werden.

Diagnose

Zwei Tests lassen Rückschlüsse auf den Schweregrad, das Ausmaß und die Art der Aphasie zu: der Token-Test und der Aachener-Aphasietest (AAT). Der Token-Test ermöglicht Aussagen über den Schweregrad einer Leistungsstörung bei Aphasie.

Dazu muss der Patient aufgrund einer mündlichen Anweisung Plättchen von bestimmter Farbe, Form und Größe aus einer Anzahl von 10 bis 20 Plättchen heraussuchen. Der Aachener-Aphasietest ist eine differenziertere Diagnosemethode, die auf einem standardisierten Interview beruht.

Hierbei wird das Nachsprechen, Schreiben, Lesen, Benennen und Sprachverstehen genau analysiert.

Therapie

Möglichst bald nach Auftreten der Aphasie sollte diese mithilfe einer Sprachtherapie behandelt werden. Dabei sollte diese Therapie über einen längeren Zeitraum erfolgen und mindestens drei bis vier Stunden intensives Sprachtraining umfassen.

Die Behandlung orientiert sich am jeweilig auftretenden Syndrom und am Ausmaß des Sprachverlustes. Dabei kann sich die logopädische Sprachtherapie stufenweise fortentwickeln:

Sind die Patienten zu Beginn der Aphasie kaum in der Lage zu sprechen, so werden sie beispielsweise animiert, automatisierte Wortreihen (bsp. Wochentage) mit- und nachzusprechen (Aktivierungsphase).

In der störungsspezifischen Übungsphase werden auf die Sprachstörung abgestimmte Übungen durchgeführt.

Beim Bocca-Syndrom kann dies die Bildung einfacher grammatikalisch richtiger Sätze sein.

In der Konsolidierungsphase wird versucht, die neu erworbenen Sprachfertigkeiten optimal in die Kommunikation mit anderen einzubringen. Dies geschieht vorwiegend in einer Gruppentherapie.

Verlauf

Entscheidende Parameter, die den Verlauf der Erkrankung beeinflussen, sind die Art und Schwere der Hirnschädigung, der Behandlungsbeginn und das Alter des Patienten.

Spontane Besserungen treten meist in den ersten sechs Monaten nach dem schädigenden Ereignis ein.

med. Redaktion Dr. med. Werner Kellner
Aktualisierung 16.03.2008