Homocystein

Homocystein ist eine schwefelhaltige Aminosäure, die nicht in Proteine eingebaut wird (nicht-proteinogen) und beim Abbau der essenziellen Aminosäure Methionin entsteht. Im menschlichen Körper ist sie bei der Synthese von anderen Aminosäuren beteiligt, die für die Herstellung von Eiweißkörpern benötigt werden. Für die Umwandlung von Homocystein in andere Aminosäuren sind die Vitamine Folsäure, Vitamin B12 und B6 essenziell.

In den Fokus des medizinischen Interesses rückt(e) diese Aminosäure aus ganz unterschiedlichen Gründen:

  • Die sogenannte Homocysteinurie ist eine angeborene Stoffwechselerkrankung, bei der die abbauenden Enzyme der Aminosäure defekt sind. Es kommt daher zu einer stark erhöhten Ausscheidung des Homocysteins im Urin und einer Anreicherung der Aminosäure im Blutplasma. Dies hat gesundheitliche Auswirkungen auf das Gehirn, die Blutgefäße, das Skelett und die Augen. Typische Anzeichen der Krankheit sind Hochwuchs, lange, schmale Finger, eine Trichterbrust sowie Osteoporose und extreme Kurzsichtigkeit. Auch geistige Entwicklungsstörungen können auftreten.
  • Erhöhte Homocysteinspiegel im Blut gelten als eigenständiger Risikofaktor (etwa 10 Prozent des Gesamtrisikos) für die Arteriosklerose („Gefäßverkalkung“) und ihre Folgekrankheiten, wie koronare Herzkrankheit, Thrombose, Herzinfarkt und Schlaganfall.
    Die hohen Homocystein-Blutspiegel werden als Homocysteinämie oder Hyperhomocysteinämie bezeichnet. Sie führen zu einer Schädigung der inneren Gefäßwände (Endothel).
  • Außerdem stellt Homocystein einen Risikofaktor für neurodegenerative Erkrankungen, wie Alzheimer-Demenz oder kognitive Störungen, dar.
  • Homocystein wird auch mit der Entwicklung von Neuralrohrdefekten (Spina bifida – „offener Rücken“) in Verbindung gebracht.

Was kann der Anlass der Bestimmung von Homocystein sein?

Die Bestimmung der Aminosäure kann beispielsweise aus folgenden Gründen geschehen:

  • zur Früherkennung des Arterioskleroserisikos bzw. des Risikos für die koronare Herzkrankheit: (Mögliche Zielgruppen sind Raucher, Diabetiker sowie Menschen, die unter Bluthochdruck, Fettstoffwechselstörungen, starkem Übergewicht oder dem metabolischen Syndrom leiden);
  • zur Kontrolle bei der Behandlung eines Folsäure-,Vitamin-B6- oder Vitamin B12-Mangels: (Mögliche Zielgruppen sind daher ältere Menschen, Vegetarier, Alkoholiker, Menschen mit Magen-Darm-Erkrankungen oder einseitigen Ernährungsgewohnheiten);
  • bei Verdacht auf einen genetisch bedingten Enzymdefekt, der zu einer Hyperhomocysteinämie führt.
  • im Rahmen der Pränataldiagnostik, da ein erhöhter Homocysteinspiegel als begünstigender Faktor für einen Neuralrohrdefekt des ungeborenen Kindes gilt.

Was sagen die ermittelten Blutwerte für Homocystein aus?

Homocystein kann aus dem Blutserum oder –plasma bestimmt werden. Vorzugsweise wird Blutplasma verwendet. Die Probe wird nach 10 bis 14 Stunden Fasten entnommen:

Es gilt folgende Einteilung der Homocystein-Konzentrationsbereiche:

Konzentration
Bezeichnung
Ursachen
< 10 -12 µmol/l
normal; aber schon ab 10 µmol/l kann das Risiko für Herz-Kreislauferkrankungen ansteigen, wenn bereits andere Risikofaktoren bestehen.
12 – 30 µmol/l
moderate HyperhomocysteinämieB-Vitamin-Mangel, Nierenprobleme oder MTHFR-Mutationen (= defektes Enzym des Methioninstoffwechsels)
> 30 – 100 µmol/l
intermediäre HyperhomocysteinämieMutationen von Enzymen des Methionin-Stoffwechsels (z.B. CBS), die nur von einem Elternteil vererbt wurden;
schwerer Vitaminmangel; Nierenerkrankungen
> 100 µmol/l
schwere HyperhomocysteinämieMutationen von Enzymen (CBS, MS), die Homocystein abbauen; meist von beiden Eltern vererbt.

Diagnosen mit erhöhten Homocysteinwerten sind:

  • genetisch bedingte Hyperhomocysteinämie;
  • Folsäure-,Vitamin-B6- und/oder Vitamin-B12-Mangel;
  • Risikofaktor für Arteriosklerose, koronare Herzkrankheit: Erhöhte Werte stellen generell ein Risiko für die Arteriosklerose und ihre Folgekrankheiten dar. Sie können auch einen Hinweis auf bereits bestehende arteriosklerotische Erkrankungen sein.
  • verschiedene Nierenerkrankungen;
  • Schilddrüsenunterfunktion.

Erniedrigte Homocysteinwerte sind ohne Krankheitswert.

Was beeinflusst die Werte noch?

Erhöhte Homocysteinkonzentrationen können auch durch folgende Faktoren bedingt sein:

  • übermäßigen Alkoholkonsum;
  • methioninreiche Ernährung (vorwiegend Fleisch- und Wurstwaren);
  • bestimmte Medikamente (Antiepileptika);
  • Lebensalter: Ältere Menschen haben generell einen höheren Homocysteinspiegel.

Quelle: Thomas, Labor und Diagnose
med. Redaktion Dr. med. Werner Kellner
Aktualisierung 22.02.2009